Frage an Martin Schulz von Hans-Jürgen W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Schulz,
das Gesetz zur Panoramafreiheit ist fundamentaler Bestandteil unserer Demokratie. Der Änderungsantrag 421, angenommen durch den Rechtsausschuss mit den Stimmen der Christdemokraten, Sozialdemokraten und Jean-Marie Cavada (Liberale) zielt auf eine Beseitigung der Panoramafreiheit. Sie erlaubt Journalisten und jedermann von Ereignissen zu berichten, ohne befürchten zu müssen wegen unerlaubter Abbildung von Gebäuden, die zwangsläufig bei Ereignissen im öffentlichen Raum mit auf dem Bild erscheinen, belangt zu werden.
Die Abschaffung der Panoramafreiheit kommt einer Zensur gleich, da jeder ein missliebiges Foto abmahnen - verbunden mit hohen Abmahngebühren - oder durch Schadensersatzforderungen gegen den Fotografen verhindern bzw. derart verteuern kann, das es für den Fotografen ein unkalkulierbares Risiko darstellt. Welche Zeitung oder Fernsehsender kann es ohne Panoramafreiheit riskieren Bilder von politischen Ereignissen zu senden, weil bei einem Kameraschwenk ein Gebäude ins Bild kommt. Es ist auch nicht zu verstehen warum Architekten ein Urheberecht für Ihre Arbeit zustehen soll, sie sind für ihre Leistung bezahlt worden. Warum sollen sie anders behandelt werden als andere Berufsgruppen, z.B. Modedesigner oder Frisöre. Oder soll ich zukünftig Gebühren an meinen Modedesigner/Frisör entrichten weil ich ein Bewerbungsfoto von mir herstellen lassen will? Schließlich sind auf dem Foto die Kleidung und meine Frisur zu sehen.
Ich fordere Sie hiermit auf für den Erhalt des freien Zugangs zu Bilddokumenten aus dem öffentlichen Raum einzutreten, den Dschungel von Gebühren nicht weiter zu fördern durch Abschaffung der Panoramafreiheit und den mutmaßlich mehrheitlichen Willen des deutschen Volkes nach Erhalt der Panoramafreiheit zu respektieren.
Wie stehen Sie zu diesem Thema?
H. W.
Sehr geehrter Herr W.,
vielen Dank für Ihre Frage.
Das Europäische Parlament hat am 9. Juli 2015 eine Entschließung zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechtes mit 445 Stimmen bei 65 Gegenstimmen und 32 Enthaltungen angenommen.
Hinsichtlich des Rechts, Abbildungen und Fotografien von Werken (z.B. Gebäude oder Kunstwerke) im öffentlichen Raum anzufertigen und zu veröffentlichen, hat das Parlament in seiner Entschließung den Vorschlag im Entschließungsentwurf abgelehnt, dass die gewerbliche Nutzung solcher Abbildungen immer an die vorherige Einwilligung der Urheber oder sonstigen Bevollmächtigten geknüpft sein sollte.
Die bestehende Situation, geregelt im geltenden EU-Urheberrecht, überlässt es den Mitgliedstaaten, eine Klausel zur "Panoramafreiheit" in die nationalen Bestimmungen aufzunehmen.
Diese nichtbindende Entschließung ist das Ergebnis einer Bewertung der Umsetzung der wichtigsten Teile des geltenden EU-Urheberrechts im Hinblick auf dessen geplante Überarbeitung und Anpassung ans digitale Zeitalter. Die Europäische Kommission wird voraussichtlich noch vor Ende des Jahres 2015 einen entsprechenden Gesetzgebungsvorschlag vorlegen.
Sobald dem Europäischen Parlament die konkreten Vorschläge der Europäischen Kommission vorliegen, werden sich die zuständigen Fachausschüsse im Parlament damit befassen.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Schulz