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Frage von Florian B. •

Frage an Martin Schulz von Florian B. bezüglich Europapolitik und Europäische Union

Sehr geehrter Herr Schulz,

das ordentliche Gesetzgebungsverfahren nach Art. 294 AEUV ist als primärrechtlich vorgeschriebener Regelfall in der Praxis, aufgrund der oftmals langen Dauer von der Einbringung bis zur Verabschiedung einer Rechtsvorschrift, nur schwer anwendbar.

Die abgekürzte Gesetzgebung in Form des informellen Trilogverfahrens gewinnt daher innerhalb der EU immer mehr an Bedeutung. Da die Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, entsteht hierbei jedoch ein Zielkonflikt zwischen einer schnellen und effektiven Gesetzgebung einerseits und einem transparenten Gesetzgebungsverfahren andererseits.

1. Wäre es überhaupt möglich und realistisch alle Vorschriften exakt nach den in der AEUV genannten Gesetzgebungsverfahren zu verabschieden?

2. Sind die Abgeordneten des Parlaments, welche an den Ausschüssen, die die Trilogverhandlungen führen, teilnehmen, gerecht – also nach Partei/Fraktion – verteilt?

3. Ändern diese Triloge etwas an den Machtverhältnissen?

4. Halten Sie dieses Verfahren mit dem primären Gemeinschaftsrecht und den demokratischen Grundsätzen für vereinbar?

5. Könnte in Zukunft solchen Verfahren auch in den einzelnen Mitgliedstaaten
größere Rollen zukommen?

6. Was könnte Ihrer Ansicht nach für mehr Transparenz in einer dennoch
effektiven Gesetzgebung getan werden?

7. 2012 kam es aufgrund von Kritik am Verfahren zu Korrekturen in der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments. Hat sich dies Ihrer Meinung nach positiv ausgewirkt?

8. Sind Sie der Meinung, dass dem Lobbyismus durch derartige Verfahren - da auf weniger Personen Einfluss genommen werden muss - eine bedeutendere Stellung in der Gesetzgebung zukommt?

Vielen Dank für Ihre Bemühungen.

Mit freundlichen Grüßen

F. B.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr B.,

ich danke Ihnen für Ihr Schreiben vom 7. Oktober 2016 bezüglich des Ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens nach Artikel 294 des AUEV. Sie haben darin eine Reihe von Fragen hinsichtlich der Effizienz und Transparenz des Verfahrens gestellt, auf die ich gerne eingehe.

Zur Verabschiedung eines Rechtsaktes im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens nach Artikel 294 müssen sich das Europäische Parlament und der Rat der EU als die beiden gesetzgebenden Institutionen auf einen gemeinsamen Text einigen. Dies ist nur möglich, wenn sie sich gegenseitig ihre Positionen erklären und einen Kompromiss aushandeln können, ob in erster, zweiter oder dritter Lesung. Dazu haben sich die Institutionen auf Arbeitsmethoden geeinigt, die weitgehend vom Vermittlungsverfahren nach Artikel 294 inspiriert sind, aus dem auch der Begriff „Trilog“ stammt.

Das Europäische Parlament hat sich stets für die Transparenz und Offenheit von Gesetzgebungs-verfahren eingesetzt, denn es nimmt diese Prinzipien sehr ernst. Bei der Überarbeitung seiner Geschäftsordnung 2012 gestaltete es dementsprechend seine Verfahren zur Führung interinstitutioneller Verhandlungen transparenter, inklusiver und effektiver. Seitdem ist zum Beispiel vorgeschrieben, dass nicht nur der Inhalt des Verhandlungsmandates, sondern auch die Entscheidung über die Eröffnung von Verhandlungen und die Zusammensetzung des Verhandlungsteams im verantwortlichen Ausschuss öffentlich abgestimmt werden. Das Verhandlungsteam des Parlamentes wird geführt vom Berichterstatter unter dem Vorsitz des Ausschussvorsitzenden und umfasst die Schattenberichterstatter aller politischen Fraktionen. Als Berichterstatter und Schattenberichterstatter spielen sie eine wichtige Rolle während des gesamten Gesetzgebungsverfahrens und sind daher bereits zu einem früheren Zeitpunkt als Ansprechpartner auch bei Interessenvertretern besonders gefragt und nicht erst ab dem Beginn von Verhandlungen mit dem Rat.

Während der Verhandlungen ist das Verhandlungsteam gehalten, dem federführenden Ausschuss über den Stand der Gespräche Bericht zu erstatten. Wird dann in den Verhandlungen ein Kompromiss gefunden, wird dieser zunächst dem federführenden Ausschuss zur Annahme vorgelegt. Bei einem positiven Votum wird der Text dann an das Plenum weitergeleitet. Sowohl im Ausschuss als auch im Plenum kommen damit die Mehrheitsverhältnisse zwischen den Fraktionen zum Tragen. Die Entscheidung über das Schicksal eines ausgehandelten Kompromisses kommt also der Gesamtheit der Abgeordneten zu.

Dieses Jahr haben sich Parlament, Rat und Kommission im Rahmen einer neuen Interinstitutionellen Vereinbarung* auf weitere Initiativen zur Erhöhung der Transparenz der Gesetzgebungsverfahren geeinigt. U.a. wird nun eine gemeinsame Datenbank entwickelt, die im Internet umfassend über den Stand eines bestimmten Verfahrens Auskunft geben und eine Vielzahl von Informationen und Dokumenten verfügbar machen wird. Damit wird es für die Bürgerinnen und Bürger möglich sein, an einer zentralen Stelle alle relevanten Informationen zu einem Verfahren zu finden.

Mit freundlichen Grüßen

Martin Schulz

* Interinstitutionelle Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der europäischen Union und der Europäischen Kommission vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung