Frage an Martin Schulz von dominik b. bezüglich Europapolitik und Europäische Union
Welche Maßnahmen findet die EU für die flüchtlingsbewegung?
Sehr geehrter Herr Birkholz,
vielen Dank für Ihre Frage.
Das Europäische Parlament hat die EU und die Mitgliedstaaten in einer Entschließung vom 29. April 2015 http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+20150429+TOC+DOC+XML+V0//DE erneut aufgefordert, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um weitere Todesfälle auf See zu verhindern - beispielsweise das Mandat der EU-Operation Triton ausweiten. Die Entschließung, die mit überwältigender Mehrheit angenommen wurde (449 Ja-Stimmen), listet eine Anzahl konkreter Schritte auf, die dringend von EU-Kommission, Rat und den Mitgliedstaaten unternommen werden müssen. Weitere Informationen zu der Entschließung sind in der dazugehörigen Pressemitteilung des Parlaments http://www.europarl.europa.eu/news/de/news-room/content/20150424IPR45723/html/Migration-Parlament-fordert-dringende-Ma%C3%9Fnahmen-um-Leben-zu-retten verfügbar.
In einer Erklärung zu dieser Abstimmung http://www.europarl.europa.eu/the-president/de/press/press_release_speeches/press_release/press_release-2015/press_release-2015-april/html/schulz-zur-abstimmung-der-entschlie-ung-zur-asyl--und-migrationspolitik habe ich deutlich gemacht, dass die Beschlüsse des außerordentlichen Europäischen Rates vom 23. April 2015 http://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2015/04/23-special-euco-statement/ ein erster Schritt sind, aber bei weitem nicht genug.
Bereits zur Eröffnung der außerordentlichen Ratstagung hatte ich die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder in meiner Rede vom 23. April 2015 http://www.europarl.europa.eu/the-president/en-de/press/press_release_speeches/speeches/speeches-2015/speeches-2015-april/html/au-erordentlicher-europaischer-gipfel-23--april-2015-in-brussel---rede-von-martin-schulz--prasident-des-europaischen-parlaments erneut an ihre Verantwortung erinnert: "Viele machen 'die EU' für den Tod der Flüchtlinge verantwortlich. Aber es gibt überhaupt keine EU-Migrationspolitik. Es gibt einen Flickenteppich aus 28 verschiedenen einzelstaatlichen Systemen. Über die Migrationspolitik wird nicht in Brüssel entschieden. Die Entscheidungen, ob ein Land Flüchtlinge aus einem Kriegsgebiet aufnimmt, ob Asyl gewährt, eine Rückführung angeordnet oder eine Rettungsmission entsandt wird, fallen in London, Berlin, Paris, Rom, Riga oder Lissabon. Weil in den vergangenen 20 Jahren die Innenminister Ihrer Länder nicht in der Lage oder nicht willens waren, ein europäisches System zu entwickeln. Und weil es keine echt europäische Asyl- und Migrationspolitik gibt, verwandelt sich das Mittelmeer in einen Friedhof."
In der Folge hat die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am 11. Mai 2015 vor dem UN-Sicherheitsrat in New York für eine neue Strategie im Kampf gegen Schleuserbanden http://ec.europa.eu/deutschland/press/pr_releases/13310_de.htm geworben. Die EU plant im Rahmen ihrer Sicherheits- und Verteidigungspolitik eine Marineoperation im Mittelmeer, um besser gegen die Boote der organisierten Schlepper vorgehen zu können. Sie will dabei eine enge Partnerschaft mit dem Sicherheitsrat und dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen eingehen.
Die Europäische Kommission - die zuständige EU-Institution, um Initiativen auf europäischer Ebene zu unterbreiten - hat in Reaktion auf die Forderungen des Parlaments und der Mitgliedstaaten am 13. Mai 2015 eine Europäische Migrationsagenda http://europa.eu/rapid/press-release_IP-15-4956_de.htm vorgelegt. Der erste Teil dieser Agenda enthält Sofortmaßnahmen, die menschliche Tragödien verhindern und die Verfahren zur Bewältigung von Notlagen stärken sollen. Hierzu ist vorgesehen, zur Rettung von Menschenleben die Präsenz auf See zu verstärken, gegen kriminelle Schleusernetze vorzugehen und mit einem Verteilungsmechanismus für Asylsuchende (Umsiedlung) auf die Vielzahl der in der EU ankommenden Migranten zu reagieren. Des Weiteren sollen mehr Flüchtlinge aus Drittstaaten sicher und legal in die EU gebracht (Neuansiedlung) und die Mitgliedstaaten an den Außengrenzen mithilfe der operativen und finanziellen EU-Instrumente unterstützt werden.
Weitere Informationen zu diesem Themenkomplex sind in einem Faktenblatt zur Europäischen Migrationsagenda http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-15-4957_de.htm zusammengefasst.
Die Migrationsagenda der Europäischen Kommission ist ehrgeizig und schlägt europäische Lösungen vor. Es ist Zeit, Solidarität in die Praxis umzusetzen und zwar kurzfristig und langfristig. Das Europäische Parlament ist in vollem Umfang bereit, seinen Beitrag dazu zu leisten.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Schulz