Frage an Martin Schulz von Julie J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Präsident,
Die EU-Grundrechtecharta gibt jedem Bürger das Recht, sich mit einer Petition an das Europäische Parlament zu wenden. Das oberste EU-Gericht, der Gerichtshof der Europäischen Union, befasst sich derzeit zum ersten Mal mit der Bedeutung dieses Rechts. Kürzlich hat dazu der Generalanwalt seine Stellungnahme abgegeben. Nach seiner Auffassung sind Entscheidungen des Petitionsausschusses des Parlaments gerichtlich nicht anfechtbar.
http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2014-07/cp140107de.pdf
Bislang hat das Gericht der Europäischen Union in erster Instanz stets geurteilt, Entscheidungen des Petitionsausschusses seien immer dann gerichtlich überprüfbar, wenn eine Petition vom Ausschuss für unzulässig erklärt wurde und der Ausschuss sich daher inhaltlich damit nicht befasst hat. Im Streitfall vor dem Gerichtshof geht es um eine für zulässig erklärte Petition, die aber offenbar wie eine unzulässige Petition behandelt wurde: Dem Kläger war ohne Angabe von Gründen mitgeteilt worden, der Ausschuss könne sich mit dem Inhalt seiner Petition nicht befassen.
1. Halten Sie die Auffassung des Generalanwalts für richtig, dass Entscheidungen des Petitionsausschusses grundsätzlich nicht vor Gericht anfechtbar sein sollten?
2. Falls ja, wie beurteilen Sie dann das Risiko, dass das EU-Petitionsrecht künftig von den Bürgern als Mogelpackung wahrgenommen wird? Es wird ihnen scheinbar ein Recht gewährt, aber wenn sie es einklagen wollen, entdecken sie, dass dies unzulässig ist.
3. Welche Anweisungen hat der Rechtsdienst des Parlaments in dieser Angelegenheit? Unterstützt er die Position des Generalanwalts?
Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort.
Julie Jörck
Sehr geehrte Frau Jörck,
vielen Dank für Ihre Frage. Ich kann Ihnen versichern, dass ich volles Vertrauen in die Kompetenz des Gerichtshofs der Europäischen Union habe. Im Übrigen ist der Schlussantrag des Generalanwalts für den Gerichtshof nicht bindend, so dass das endgültige Urteil des Gerichtshofs noch aussteht. Das Verfahren, auf das sich Ihre Fragen beziehen ist also noch nicht abgeschlossen und laufende Verfahren kommentiere ich schon allein aus Respekt der Unabhängigkeit des Gerichtshofs nicht.
Doch unabhängig vom Ausgang des laufenden Verfahrens, kann ich Ihnen versichern, dass das Petitionsrecht ein in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und im EU-Vertrag verbrieftes Grundrecht der Unionsbürger ist und bleiben wird. Gemäß Artikel 227 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union kann jeder Bürger jederzeit allein oder zusammen mit anderen Personen sein Petitionsrecht ausüben, also eine Petition an das Europäische Parlament richten. Die entsprechenden Vorschriften zur Zulässigkeit und zum Verfahren für die Einreichung einer Petition beim Europäischen Parlament sind auf der Petitionswebseite des Parlaments detailliert erläutert.
Daran wird das ausstehende Urteil des Gerichtshofs nichts ändern.
Mit besten Grüßen
Martin Schulz