Frage an Martin Lohrmann von Gerrith B. Horndasch M. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Lohrmann,
nachdem mich heute Morgen die Nachricht überraschte, dass Deutschland und Russland eine Pipeline durch die Ostsee bauen wollen, frag ich mich: Was sagt mein Grüner Kandidat denn dazu?
Ohne Mitwirken der grünen Fraktion wäre sowas ja wohl nicht zustande gekommen. Seltsam. Ein originär grüneres Thema gibt es doch kaum. Gibt es keine Alternativen? Ist das so sicher? Was passiert bei einem Leck? Brauchen wir mehr fossile Brennstoffe? Oder macht das nur die Anlieferung günstiger? Wenn ja für wen? Uns Verbraucher, die Finanzkassen oder die Unternehmen?
Mit freundlichen Grüßen
Gerrith B. Horndasch M.A.
Sehr geehrter Herr Horndasch,
gerne beantworte ich Ihre Frage. Meine Antworte ist nicht mit meiner Partei abgestimmt, sondern meine ganz persönliche Antwort an Sie, damit Sie beurteilen können, wo der Kandidat in Ihrem Wahlkreis politisch steht.
Ich selbst hatte viele Jahre mit den internationalen Großprojekten rund um Öl, Kohle und Gas beruflich zu tun und muss vor diesem Hintergrund sagen, dass für mich die Übereinkunft zum Bau dieser Gaspipeline von St. Petersburg durch die Ostsee nach Mecklenburg-Vorpommern eine gute Nachricht darstellt, obwohl auch dieses Großprojekt mit starken Eingriffen in die Natur verbunden sein wird und ökologische Schädigungen mit sich bringt.
Die Gründe, warum ich den Bau der Gaspipeline begrüße, sind folgende: Wir Grüne fördern das Vorankommen der regenerativen und umweltfreundlichen Energien auf jede erdenkliche Weise. Wie stark wir voranschreiten ist aber nicht nur eine Sache der Politik, sondern des Eigenengagements aller Bürger, der Kommunen, der Betriebe usw. Wir hoffen, dass bis zum Jahr 2050 durch eine Verbesserung der Energieeffizienz und Energiesparmaßnahmen einerseits und durch die Erschließung der regenerativen Energien andererseits der komplette Energiebedarf in den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr auf umwelt-freundliche Weise gedeckt werden kann.
Wir dürfen jedoch niemals nur von unserer Sicht der Dinge ausgehen; wir müssen immer alle Sichtweisen und Bewegungen in der Gesellschaft beachten. Viele Menschen glauben derzeit noch, dass unsere ehrgeizige Zielsetzung grundsätzlich richtig ist, aber dass eine solche Umstellung nicht innerhalb von 45 Jahren machbar ist. Sie sagen: Momentan werden erst knapp 5 % des Primärenergieverbrauchs aus regenerativen Quellen gedeckt, und in 45 Jahren sollen es schon 100 % sein - geht das tatsächlich oder bleibt da eine Energielücke, die noch auf konventionelle Weise gedeckt werden muss? Diese Frage erklärt, warum z.B. drei Volksabstimmungen in der Schweiz jeweils mit knappen Mehrheiten zugunsten des Weiterbetriebs der Atomkraftwerke ausgingen.
Es ist nicht meine Sache, solche kritischen Stimmen einfach zu verteufeln bzw. ihnen jede Berechtigung abzusprechen, denn auch wir Grüne sind keine Hellseher hinsichtlich des Zustandes der Welt in 45 Jahren. Wenn ich nun die Sorge um eine Energielücke akzeptiere, dann muss ich sagen, dass ich in der Fortführung der Erdgastechnologien die beste Lösung sehe: Besser als eine Beibehaltung der Atomkraft, besser als die Fortführung der Kohleverbrennung, und vom Öl brauchen wir hier ohnehin nicht mehr zu reden.
Erdgas hat den Vorteil, dass in modernen Gas- und Dampfkraftwerken mit einem hohen Wirkungsgrad von über 60 % Strom erzeugen kann, und vielleicht kann auch die Abwärme noch als Nahwärme genutzt werden. Erdgas kann genauso gut als Brennstoff im Wärmesektor oder als Kraftstoff im Verkehrssektor eingesetzt werden. Wenn wir also noch eine "alte Option" ziehen müssen, dann ist m.E. die Erdgasoption die beste.
Wenn ich heute mit der Frage zur Laufzeit der Atomkraftwerke konfrontiert werde, dann kann ich jetzt darauf verweisen, dass die Großindustrie selbst durch den Bau dieser Pipeline eine entscheidende Weiche dahingehend stellt, dass wir über Atomkraftwerke nicht mehr diskutieren müssen. Eine solche Wendung in der Großindustrie kann ich nur begrüßen!
Zurück zu Ihrer Sorge, dass uns ein solches Großprojekt wieder auf Abwege führen könnte: Ich möchte Ihnen versichern, dass ich und meine Freunde und Kollegen alles in unseren Kräften stehende tun, um die Wende hin zu den regenerativen Energien politisch und praktisch voranzubringen, und ich hoffe, dass auch Sie vor Ort in die gleiche Richtung politisch und praktisch aktiv sind! Denn wir alle müssen gemeinsam und einzeln sehr viel tun, damit die Energiewende tatsächlich schnell genug vorankommt.
Mit bestem Dank für Ihre Frage und mit herzlichen Grüßen
Martin Lohrmann