Frage an Martin Haller von Lenz S. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Haller,
wie würden Sie die beiden folgenden Fragen zur Abtreibungsproblematik beantworten:
Haben ungeborene Menschen auch ein Recht auf Leben?
Was sind in Ihren Augen vertretbare Gründe, um ungeborene Kinder zu töten?
Vielen Dank für Ihre Zeit!
Mit freundlichen Grüßen,
Lenz Schneider
Sehr geehrter Herr Schneider,
zunächst möchte ich betonen, dass das menschliche Leben, das geborene wie das ungeborene, schutzwürdig ist. Zur geltenden Rechtslage ist auszuführen, dass in der Bundesrepublik Deutschland der Schwangerschaftsabbruch in § 218 StGB geregelt ist. Hierin wird ausgeführt, dass ein Schwangerschaftsabbruch in den ersten 12 Schwangerschaftswochen rechtswidrig ist, aber straffrei bleibt, wenn die Frau den Schwangerschaftsabbruch verlangt und dem Arzt durch die Bescheinigung einer anerkannten Beratungsstelle eine mindestens drei Tage zurückliegende Schwangerschaftskonfliktberatung nachgewiesen hat und der Abbruch von einem Arzt vorgenommen wird. Weiterhin wird der Schwangerschaftsabbruch als straffrei und rechtmäßig definiert, sollte die Abtreibung mit einer medizinischen Indikation (bspw. Leben der Mutter in Gefahr) ohne zeitliche Begrenzung und mit einer kriminologischen Indikation (bspw. Vergewaltigung) bis zur 12. Schwangerschaftswoche gemäß § 219 II und III einhergehen. In Auseinandersetzung mit der Thematik und vor allem auch der Positionen der Kirchen zu diesem Thema, halte ich diese Festsetzung vor dem Hintergrund für vertretbar, dass Frauen in einer Schwangerschaft in eine derart ausweglose Situation geraten können, dass sie für sich keinen anderen Weg sehen, als die Schwangerschaft abzubrechen. Außerordentlich wichtig vor diesem Entschluss ist die Beratung und Hilfestellung. Pauschale Aussagen über vertretbare Gründe sind meiner Ansicht nach keinesfalls möglich. Es ist stets der konkrete Einzelfall in den Blick zu nehmen. Fakt ist, dass die Entscheidung der Frau den Ausschlag gibt, denn „…das Leben des ungeborenen Kindes kann nur mit der schwangeren Frau und nicht gegen sie geschützt werden…“, wie es Renate Knüppel in ihrem Artikel „Schwangerschaft, Schwangerschaftskonflikt, Schwangerschaftsabbruch“ im evangelischen Soziallexikon ausführt. Ein automatisches "Recht auf Schwangerschaftsabbruch" kann es nach meiner Auffassung dennoch nicht geben. Entscheidend und nicht hoch genug einzuschätzen ist daher die zielorientierte und ergebnisoffene Schwangerschaftskonfliktberatung. Für weitere Nachfragen zu dieser ethisch höchst schwierigen, komplexen und sicherlich auch bedrückenden Thematik stehe ich Ihnen gerne persönlich zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Martin Haller