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Martin Häusling
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Frage von Christoph H. •

Frage an Martin Häusling von Christoph H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Abgeordnerter Bullmann,

bezüglich der kommenden Beratungen zum ACTA habe ich einige Fragen:

Ist des richtig, dass das Abkommen für die EU verpflichtend, für den Initiator (die USA) hingegen unverbindlich ist?

Denken Sie, das die Interessen von Rechteinhabern elementaren Dingen wie Meinungsfreiheit, Datenschutz und anderen Grundrechten übergeordnet werden dürfen?

Ist es Ihrere Meinung nach vertretbar, Internetprovider quase dazu zu verpflichten kontinuierlich den Adtenverkehr zu überwachen? Von den entstehenden Kosten mal abgesehen, birgt dass nicht auch enormes Potential des Missbrauchs?

Mit freundlichen Grüßen aus Kassel

Christoph Hoop

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Hoop,

vielen Dank für die Mail und dafür, die Besorgnis über ACTA auszudrücken, die wir von ganzem Herzen teilen!

Das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) würde in der Tat die Möglichkeiten der Inhaber von geistigen Eigentumsrechten zur privatisierten Durchsetzung ihrer Interessen stärken, während die Schutzbestimmungen für die NutzerInnen nicht in gleichem Maße berücksichtigt würden. Es würde eine freiwillige Zusammenarbeit zwischen internet-Zugangsanbietern und Rechteinhabern einführen, mit nder Gefahr, dass es zun französischen "3-strikes" Strafmaßnahmen sogar ohne faires rechtliches Verfahren kommt. Sogar der Europäische Gerichtshof hat am 24. November 2011 entschieden, dass das Blockieren oder Filtern des Internet-Zugangs keine angemessene Maßnahme für die Bekkämpfung von Urheberrechtsverletzungen darstellt. ACTA würde auch unverhältnismäßige zivile Schadensersatzansprüche einführen, die sich lediglich nach dem Verkaufswert von getauschten Dateien bemessen und nicht daran, ob diese Dateien ansonsten jemals entsprechend oft gekauft worden wären. ACTA würde auch den Zugang zu generischen Medizinprodukten für Entwicklungsländer erschweren, wenn sie durch Häfen in ACTA-Unterzeichnerstaaten verschifft werden, also etwa durch Europa oder die USA.

ACTA wurde nur gestartet, weil einige Industriestaaten ihre Agenda zur Durchsetzung des geistigen Eigentums in legitimen multilateralen Institutionen wie WIPO oder WTO nicht mehr durchsetzen konnten aufgrund wachsenden Widerstandes durch Entwicklungs- und Schwellenländer. Daher sind erstere zu einer Koalition der Willigen übergegangen, die mehr als zwei Jahre lang Geheimverhandlungen führte. Die ACTA-Verhandlungsunterlagen sind bis heute nicht öffentlich, und die Entwürfe des Abkommens wurden erst auf massiven Druck des Europäischen Parlaments hin veröffentlicht.

Die Grünen/EFA im Europäischen Parlament haben dieses gefährliche Abkommen über die letzten zwei Jahre bekämpft. Wir haben zwei Studien in Auftrag gegeben, um die Auswirkungen auf die Grundrechte und auf den Zugang zu Medizin zu untersuchen, welche klar die großen Probleme und Gefahren von ACTA nachgewiesen haben. Wir habven eng mit der NGO- und AktivistInnen-Community zusammengearbeitet, und wir haben alle notwendigen Schritte unternommen, um zu klären, wie ACTA dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt werden kann. Alle Informationen dazu finden sich hier: http://en.act-on-acta.eu .

Jetzt, da die EU-Ratspräsidentschaft und einige Mitgliedsstaaten das Abkommen unterzeichnet haben, wird sich das Europäische Parlament wird sich mit der Ratifizierung von ACTA befassen. Am wichtigsten werden die Ausschüsse LIBE (Bürgerrechte), JURI (Recht) and INTA (internationaler Handel - federführend zu ACTA) sein.

Wenn Du helfen willst, dann raten wir dazu, vor allem liberale (ALDE) und sozialdemokratische (S&D) Abgeordnete in diesen Ausschüssen zu kontaktieren, denn es ist bisher unklar, wie diese Fraktionen sich am Ende verhalten werden. Deine Stimme kann hier einen wichtigen Unterschied machen! Vielen Dank für die Hilfe!

Mehr Informationen:

* Grüne/EFA Pressemitteilung zur Unterzeichnung von ACTA: http://www.greens-efa.eu/de/durchsetzung-von-marken-und-urheberrecht-5090.html
* Position von Europäischen Professoren zu ACTA ("Hannover-Gutachten"): http://www.iri.uni-hannover.de/tl_files/pdf/ACTA_opinion_200111_2.pdf
* Studien zu ACTA im Auftrag der Fraktion Grüne/EFA:
* ACTA and Access to Medicines: http://rfc.act-on-acta.eu/access-to-medicines
* Compatibility ACTA with the European Convention on Human Rights & the EU Charter of Fundamental Rights: http://rfc.act-on-acta.eu/fundamental-rights
* Mexikanischer Senat fordert Regierung auf, ACTA nicht zu unterzeichnen: http://www.senado.gob.mx/index.php?id=9376&lg=61&mn=2&sm=2&ver=sp
* FFII blog zu ACTA: http://acta.ffii.org/
* ACTA-Abkommenstext: http://trade.ec.europa.eu/doclib/html/147937.htm

Viele Grüße,
Martin Häusling und Team

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