Wie ist Ihre Position zum Thema "Legalisierung von Cannabis"?
Hallo Herr Gerster.
Was ist Ihre Meinung zum Thema „Legalisierung von Cannabis“?
Die SPD hat ja vor einiger Zeit ein Positionspapier veröffentlicht. Ihr Handeln hat aber gezeigt, dass sie nicht wirklich dahinter zu stehen scheint (2021 z. B. gegen das Cannabiskontrollgesetz der Grünen gestimmt, oder die Anhörung zur Gleichstellung von Cannabis und Alkohol in Straßenverkehr).
Wir ist Ihre Position zu diesem Thema?
Falls Sie sich auch für Modellprojekte aussprechen: Welche Erkenntnisse erhoffen Sie sich aus diesen, welche man nicht aus den Staaten, die Cannabis bereits legalisiert haben (z.B. Kanada, Uruguay und 17 Bundesstaaten in den USA), ableiten kann?
Vielen Dank für Ihre Antwort
Thomas Schneider
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema "Legalisierung von Cannabis".
Wie Sie richtig schreiben haben wir als SPD mit einem im Februar 2020 verabschiedeten Positionspapier zu Cannabis eine Neujustierung unseres Ansatzes für eine wirkungsvolle Entkriminalisierung von Endkonsumenten vorgenommen. Nachzulesen ist unsere Position im Detail nochmals hier: https://www.spdfraktion.de/system/files/documents/positionspapier-cannabis-neue-wege-gehen-20200211.pdf
Als SPD-Fraktion wollen wir damit den Bundesländern das Recht einräumen, in ihren Kommunen Modellprojekte zur regulierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu ermöglichen, um so eigene Erfahrungen im Umgang hier in Deutschland zu sammeln. Wir erkennen damit die gesellschaftlichen Realitäten an und betonen erneut ausdrücklich das Scheitern einer einseitigen Kriminalisierung von Cannabisendkonsument*innen.
Wir sind als Fraktion überzeugt davon, dass nur die Erkenntnisse von Modellprojekten dabei helfen können, die Diskussion um Cannabis als Genussmittel endlich unideologisch zu führen. Es ist unser erklärtes Ziel, die Bevölkerung bei diesem hoch umstrittenen Thema mitzunehmen.
Den Vertreter*innen einer rigiden Verbotspolitik auf der einen Seite und den politischen Anwält*innen einer Legalisierungspolitik auf der anderen Seite wollen die SPD-Abgeordneten Fakten liefern, um am Ende zu notwendigen und vor allem tragfähigen Entscheidungen in Sachen Cannabis für die Zukunft zu kommen.
Klar ist aber auch: Es muss auch kurzfristig Entlastung bei den Betroffenen geben. Deshalb will die SPD-Fraktion den Cannabisbesitz bis zur jeweiligen geringen Menge in den Bundesländern nicht mehr generell unter Strafe stellen, sondern lediglich als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld ahnden.
Das von Ihnen angesprochene Abstimmungsverhalten der SPD im Laufe dieser Legislaturperiode kann ich im Folgenden gerne erläutern. Der Bundestag hat am Donnerstag, 29. Oktober 2020, einen Entwurf von Bündnis 90/Die Grünen für ein Cannabiskontrollgesetz abgelehnt. Zum einen enthielt dieser vorliegende Gesetzesentwurf keine Modellprojekte zur kontrollierten Abgabe, die wir vorab aber für notwendig halten. Zum anderen unterliegen wir der Pflicht zur sogennanten Koalitionsdisziplin mit der CDU/CSU als Regierungspartner. Diese hatte das Cannabiskontrollgesetz abgelehnt mit der Begründung, dass die Legalisierung von Cannabis zu einem deutlichen Zuwachs des Konsums führe. Die SPD-Fraktion ist wie Sie wissen anderer Meinung und für ein Ende der Verbotspolitik, jedoch ist es kein Einzelfall, dass Blockadehaltungen des Koalitionspartners CDU/CSU viele progressive Gesetzesänderungen in den letzten vier Jahren unmöglich gemacht haben.
Ein Antrag der Linksfraktion mit dem Titel „Gleichstellung von cannabis- und alkoholkonsumierenden Führerscheininhaberinnen und Führerscheininhabern“, der am gleichen Tag im Plenum diskutiert wurde, wurde von der SPD als wichtiger Vorstoß erachtet und an der Verkehrsausschuss überwiesen (und nicht abgelehnt).
Wir als SPD werden uns in jedem Fall weiter für eine Aufhebung der Verbotspolitik einsetzen - so haben wir es auch in unserem Wahlprogramm festgeschrieben:
"Wie Alkohol ist auch Cannabis eine gesellschaftliche Realität, mit der wir einen adäquaten politischen Umgang finden müssen. Verbote und Kriminalisierung haben den Konsum nicht gesenkt, sie stehen einer effektiven Suchtprävention und Jugendschutz entgegen und binden enorme Ressourcen bei Justiz und Polizei. Eine regulierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene soll in Modellprojekten von Ländern und Kommunen erprobt werden können, begleitet durch Maßnahmen der Prävention, Beratung und Behandlung im Jugendbereich. Zudem werden wir bundeseinheitlich regeln, dass der Besitz kleiner Mengen von Cannabis strafrechtlich nicht mehr verfolgt wird." (Zukunftsprogramm der SPD, S. 52).
Auch wenn es in anderen Ländern wie Kanada, Uruguay oder den USA bereits Erkenntnisse aus Modellprojekten gibt, muss Deutschland mit der zukünftigen Legalisierung von Cannabis seinen eigenen Umgang finden. Der Schlüssel zu einer sicheren und erfolgreichen Legalisierung, die von der Gesamtbevölkerung mitgetragen wird, liegt unseres Erachtens in einer Testphase mit Modellprojekten, die je nach Stadt oder Kommune auch variieren können. Aus diesen verschiedenen Erfahrungswerten muss letztendliche eine belastbare, bundesweite Legalisierungsstrategie hervorgehen.
Es kommt nun auf die Bundestagswahl an und ich hoffe, dass die Stimmen der Wähler*innen im Land es der SPD ermöglichen werden, ein progressives Regierungsbündnis unter Olaf Scholz anzuführen - damit wir uns in den kommenden vier Jahren von der Verbotspolitik endgültig verabschieden können.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Gerster