Thema Steuergerechtigkeit: Warum höre ich von keiner Partei auch nicht von der SPD daß verstärkt Steuerfahnder eingestellt werden die sich ohnehin selbst finanzieren
Unser Staat hat zu wenig Geld um seine Aufgaben zu bewältigen. Im Wahlkampf habe ich viele Ideen zur Lösung dieses Problems gehört. Die Union will die Sozialhilfe kürzen und die FDP. Die Linke will eine Vermögenssteuer einführen auf bereits versteuertes Einkommen und die Grünen und die SPD möchten die sogenannte Schuldenbremse aufweichen für Investitionen. Jetzt haben wir ca 30 Millionen € Sozialbetrug und 150 Milliarden Steuerhinterziehung --jedes Jahr. Warum höre ich von keiner Partei auch nicht von der SPD daß verstärkt Steuerfahnder eingestellt werden die sich ohnehin selbst finanzieren. Ich denke da auch an eine Erfolgsbeteiligung für diese Gruppe. Würde diese Summe versteuert hätte der Staat keine Probleme seine Aufgaben zu erfüllen. OHNE SCHULDEN !
Sehr geehrter Herr H.,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Wie Sie richtig beschreiben, benötigen wir ein gerechtes Steuersystem. Nicht nur, um den Handlungsspielraum des Staates sicherzustellen, sondern auch, weil es um einen Grundsatz des Steuerrechts geht, der sich aus dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes ergibt. Kurz: Es muss fair zugehen, sonst verliert der Staat Vertrauen und Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger.
Dazu gehört auch, Steuerhinterziehung und Finanzkriminalität viel stärker als bisher zu bekämpfen. Das hat sich die SPD seit jeher auf die Fahnen geschrieben und immer wieder konsequent zum Thema gemacht. Auch in unserem aktuellen Regierungsprogramm haben wir konkrete Vorhaben formuliert, mit denen Steuerhinterziehung eingedämmt werden soll. So wollen wir den Umsatzsteuerbetrug vor allem in bargeldintensiven Branchen weiter zurückdrängen und setzen uns für den Aufbau und die Stärkung einer Behörde im Kampf gegen Finanzkriminalität, Steuerhinterziehung und Geldwäsche ein. Außerdem wollen wir mehr tun gegen Geldwäsche, die Lücken im Transparenzregister schließen und unter anderem so die Vermögensverschleierung erschweren.
Das sind alles Maßnahmen für mehr Steuergerechtigkeit, die der Bund in unserem föderalen System ergreifen kann. Denn der Vollzug der Steuergesetze ist Angelegenheit der Länder: Der Bund darf überhaupt keine Steuerfahnder einstellen und muss seinen personellen Beitrag auf die Aktivitäten des Zolls (u.a. Bekämpfung Finanzkriminalität, Geldwäsche, Schwarzarbeit) beschränken. Zusätzlich muss er gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen, die Vollzug und Kontrolle durch die Länder möglichst erleichtern.
Das Verhindern bzw. Aufdecken von Steuerhinterziehung kann dem Staat finanzielle Mittel einbringen, die ihm zustehen – ohne eine zusätzliche Belastung derjenigen, die bereits ihren fairen Beitrag leisten. Die SPD setzt sich deshalb für eine härtere Linie in der Bekämpfung von Steuerhinterziehung ein. Bekannte – wenn auch schon etwas zurückliegende – Beispiele aus SPD-geführten Landesregierungen sind z.B. der ehemalige NRW-Finanzminister und SPD-Vorsitzende Nobert Walter Borjans. Er setzte sich 2011 im Bundesrat erfolgreich gegen den Entwurf der schwarz-gelben Bundesregierung für ein bilaterales Steuergesetz mit der Schweiz ein. Dieser hätte den Ankauf von Steuer-CDs mit Datensätzen von Steuerhinterziehern verhindert. Walter-Borjans setzte gegen viel Widerstand gegen einen solchen Freifahrtschein für Steuerhinterzieher und für den weiterhin möglichen Erwerb von Datensätzen mutmaßlicher Steuerbetrüger ein.
Auch die SPD-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg hatte in der Vergangenheit den Umgang der damals noch CDU-geführten Landesregierungen mit Steuerhinterziehung kritisiert und gefordert, zusätzliche Steuerfahnder einzustellen. Als Landesfinanzminister hatte Nils Schmid (SPD) 2014 eine „Sondereinheit zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung“ (SES) eingerichtet, die systematische Steuerhinterziehung analysiert und allein 2023 Mehreinnahmen von 36 Millionen Euro erzielt hatte.
Weitere Maßnahmen auf Bundes- und europäischer Ebene ist die Initiative einer globalen Mindestbesteuerung gegen internationale Steuergestaltung durch multinationale Unternehmen wie Amazon oder Meta, die der ehemalige SPD-Finanzminister und Bundeskanzler Olaf Scholz im Rahmen der OECD und der G20 auf den Weg gebracht hat. Diese ist in europäischem Rahmen bereits umgesetzt. Auch der Aufbau einer neuen Behörde zur Bekämpfung von Finanzkriminalität in der jetzt endenden Wahlperiode gehört dazu. Die Einstellung zusätzlicher Steuerfahnderinnen und -fahnder für die Finanzverwaltung muss aber auf Länderebene erfolgen.
Ich hoffe ich konnte zeigen: Die SPD setzt sich auf den verschiedenen staatlichen Ebenen konsequent für Steuergerechtigkeit und für die ehrlichen Steuerzahlenden ein. Denn am Ende ist die Legitimität der demokratischen Ordnung bedroht, wenn die Bürgerinnen und Bürger das Gefühl und zunehmend auch die sichere Kenntnis davon haben, dass Ansprüche des Staates gegen sie durchgesetzt werden, während sehr Reiche und Vermögende mehr oder weniger selbst darüber entscheiden, welchen Teil ihres Einkommens oder Vermögens sie zu Besteuerungszwecken offenlegen wollen. Auch die jüngsten Debatten z.B. über Sanktionen im Bürgergeld lenken davon ab, dass dem Staat viel, viel mehr Geld durch systematische und großangelegte Steuerhinterziehung entgeht: Mit den Einnahmeausfällen aus Steuerhinterziehung könnte man die Gesamtkosten für Bürgergeld und Grundsicherung doppelt bezahlen – und hätte trotzdem noch viel Geld übrig.
Wirtschaftskriminalität, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung sind aber nicht nur ein Problem der Gerechtigkeit und der gleichmäßigen Durchsetzung des Rechts gegenüber allen Bürgerinnen und Bürgern, sondern auch ein gesamtwirtschaftliches Problem: Je weniger sich der staatliche Steueranspruch gerade gegenüber den wirtschaftlich am besten gestellten Mitgliedern einer Volkswirtschaft durchsetzen lässt, umso größer ist die Gefahr, dass Staaten sich zu einem wohlfahrtsgefährdenden Abbau von Investitionen und Leistungen der Daseinsvorsorge gezwungen sehen. Dazu sind wir von der SPD nicht bereit.
Ich freue mich, dass Sie uns bei diesem Ziel unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Gerster