Welche Meinung als Politiker der SPD haben Sie in der Frage der Entkriminalisierung/Legalisierung von Marihuana? Wie stellen Sie sich die Regelung für die Fahrerlaubnis-Frage vor?
Sehr geehrter Herr B.,
vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an der Position meiner Partei zum Umgang mit Marihuana bzw. Cannabis. Ich habe bereits auf eine sehr ähnliche Anfrage hier auf Abgeordnetenwatch geantwortet.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat im Februar 2020 ein Positionspapier zum Umgang mit Cannabis beschlossen. Darin sprechen wir uns für eine wirkungsvolle Entkriminalisierung von Endkonsumenten aus. Das Positionspapier mit dem Titel "Cannabis: Neue Wege gehen! Cannabis-Verbotspolitik verändern, regulierte Abgabe durch Modellprojekte ermöglichen!" können Sie hier einsehen: https://www.spdfraktion.de/system/files/documents/positionspapier-cannabis-neue-wege-gehen-20200211.pdf
Als SPD-Fraktion wollen wir den Bundesländern das Recht einräumen, in ihren Kommunen Modellprojekte zur regulierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu ermöglichen, um so eigene Erfahrungen im Umgang hier in Deutschland zu sammeln. Wir erkennen damit die gesellschaftlichen Realitäten an und betonen erneut ausdrücklich das Scheitern einer einseitigen Kriminalisierung von Cannabisendkonsument*innen. Wir werden uns dazu auch die bundesrechtlichen Vorgaben z.B. im Straßenverkehr ansehen und ggf. anpassen, dass sie die Modellvorhaben praxis- und lebensnah flankieren.
Wir sind als Fraktion überzeugt davon, dass nur die Erkenntnisse von Modellprojekten dabei helfen können, die Diskussion um Cannabis als Genussmittel endlich unideologisch zu führen. Es ist unser erklärtes Ziel, die Bevölkerung bei diesem hoch umstrittenen Thema mitzunehmen.
Den Vertreter*innen einer rigiden Verbotspolitik auf der einen Seite und den politischen Anwält*innen einer Legalisierungspolitik auf der anderen Seite wollen die SPD-Abgeordneten Fakten liefern, um am Ende zu notwendigen und vor allem tragfähigen Entscheidungen in Sachen Cannabis für die Zukunft zu kommen.
Klar ist aber auch: Es muss auch kurzfristig Entlastung bei den Betroffenen geben. Deshalb will die SPD-Fraktion den Cannabisbesitz bis zur jeweiligen geringen Menge in den Bundesländern nicht mehr generell unter Strafe stellen, sondern lediglich als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld ahnden.
Die SPD wird sich in jedem Fall weiter für eine Aufhebung der Verbotspolitik einsetzen - so haben wir es auch in unserem Wahlprogramm festgeschrieben:
"Wie Alkohol ist auch Cannabis eine gesellschaftliche Realität, mit der wir einen adäquaten politischen Umgang finden müssen. Verbote und Kriminalisierung haben den Konsum nicht gesenkt, sie stehen einer effektiven Suchtprävention und Jugendschutz entgegen und binden enorme Ressourcen bei Justiz und Polizei. Eine regulierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene soll in Modellprojekten von Ländern und Kommunen erprobt werden können, begleitet durch Maßnahmen der Prävention, Beratung und Behandlung im Jugendbereich. Zudem werden wir bundeseinheitlich regeln, dass der Besitz kleiner Mengen von Cannabis strafrechtlich nicht mehr verfolgt wird." (Zukunftsprogramm der SPD, S. 52).
Auch wenn es in anderen Ländern wie Kanada, Uruguay oder den USA bereits Erkenntnisse aus Modellprojekten gibt, muss Deutschland mit der zukünftigen Legalisierung von Cannabis seinen eigenen Umgang finden. Der Schlüssel zu einer sicheren und erfolgreichen Legalisierung, die von der Gesamtbevölkerung mitgetragen wird, liegt unseres Erachtens in einer Testphase mit Modellprojekten, die je nach Stadt oder Kommune auch variieren können. Aus diesen verschiedenen Erfahrungswerten muss letztendliche eine belastbare, bundesweite Legalisierungsstrategie hervorgehen.
Es kommt nun auf die Bundestagswahl an und ich hoffe, dass die Stimmen der Wähler*innen im Land es der SPD ermöglichen werden, ein progressives Regierungsbündnis unter Olaf Scholz anzuführen - damit wir uns in den kommenden vier Jahren von der Verbotspolitik endgültig verabschieden können.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Gerster