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Martin Gerster
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Frage von Walter T. •

Frage an Martin Gerster von Walter T. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrter Herr Gerster,

bekanntlich haben Sie dem Stammzellen-Änderungsgesetz zugestimmt.

Warum überhaupt diese Heuchelei in Sachen "Stammzellen-Forschung"? Erlaubt ist die "Verwendung" von importierten Stammzellen, nicht dagegen aus Deutschland selbst.

Wo liegt für Sie das ethische Kriterium für Stammzellen z.B. aus Israel und solcher aus dem Inland?

Hochachtungsvoll
Walter Tritschler

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Tritschler,

herzlichen Dank für Ihre Frage. In der Tat habe ich dem entsprechenden Gesetz zugestimmt. Es war keine leichte Entscheidung. Natürlich gibt es ethisch gesehen keinen Unterschied zwischen Stammzellen unterschiedlicher regionaler Herkunft. Allerdings ist die Verwendung von Stammzellen gar nicht das eigentliche Problem, da sich die verwendeten Zellen auf Grund ihres Entwicklungsstadiums gar nicht mehr zu einem eigenen Lebewesen entwickeln könnten.

Die weitaus schwierigere ethische Abwägung betrifft die Tatsache, dass die zur Forschung notwendigen Stammzelllinien aus menschlichen Embryonen gewonnen werden müssen. Dies geschieht beispielsweise in der Folge künstlicher Befruchtungen oder durch das „therapeutische Klonen“. Beides ist in Deutschland nach wie vor ebenso wenig zulässig, wie die Verwendung von Stammzellen aus Schwangerschaftsabbrüchen.

Die Entscheidung für die vorgenommene Verschiebung der Stichtagsregelung bei der Einfuhr entsprechender Stammzelllinien stellt einen Kompromiss dar. Einerseits sehe ich die Interessen der Forschergemeinschaft, die Stammzelllinien jüngeren Datums für ihre Grundlagenarbeit benötigt, als berechtigt an. Ich bin überzeugt, dass dieser Forschungszweig langfristig in der Lage sein wird, durch medizinischen Fortschritt Leben zu retten und das Leid vieler kranker Menschen zu lindern (z.B. beim Organersatz, bei der Alzheimerbekämpfung oder in der Krebstherapie). Andererseits sehe ich in einer Totalliberalisierung der embryonalen Stammzellenforschung ein falsches Signal, weshalb ich einer Regelung, die der Erzeugung neuer embryonaler Stammzelllinien in Deutschland den Weg ebnet, nicht zustimmen konnte.

Mit der neuen Stichtagsregelung schließen wir – unter Berücksichtigung der Forschungsinteressen – aus, dass Anreize für die Anlage neuer Stammzelllinien geschaffen werden. Durch die Verschiebung bleibt embryonale Stammzellenforschung in Deutschland möglich – ich hege jedoch die Hoffnung, dass durch die Fortschritte im Bereich der adulten Stammzellen (Zellen, die in einem Organ für die Regeneration dieses Organs zur Verfügung stehen) die Forschung mit embryonalen Stammzellen langfristig weitgehend verzichtbar werden wird.

Ich bin optimistisch, dass in Zukunft keine neuerliche Verschiebung der Stichtagsregelung mehr notwendig sein wird und hoffe, Ihnen die Beweggründe hinter meiner Entscheidung verständlich gemacht zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Martin Gerster

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