Frage an Martin Gerster von Hubert R. bezüglich Energie
Guten Tag Herr Gerster,
Für die viele Tausende von voll funktionsfähigen PV-Altanlagen gäbe es nach dem Entwurf der Novelle des EEG keine Zukunft mehr, sie drohen stillgelegt zu werden.
Was gedenken Sie zu tun, um im Sinne der Energiewende den wirtschaftlichen Weiterbetrieb der PV-Altanlagen zu sichern?
Mit freundlichen Grüssen
H. R.
Sehr geehrter Herr Rubitschon,
Deutschland steigt als einziges Land weltweit gleichzeitig aus der Atom- und Kohle-Energieversorgung aus. Um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen, muss Strom künftig emissionsfrei zum Beispiel mit Solar-, Wind- oder Wasserkraft produziert werden ¬- und zwar nach Möglichkeit dort, wo er auch verbraucht wird. Das bedeutet eine deutliche Abkehr davon, wie in der Bundesrepublik über Jahrzehnte Energie produziert, verteilt, gespeichert und verbraucht wurde. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist dabei das zentrale politische Steuerungselement, um diese Transformation in die Realität umzusetzen. Da sich sowohl die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen als auch die politischen Mehrheiten im Land seit Einführung des EEG im Jahr 200 mehrfach geändert haben, hat das EEG bereits mehrere Novellierungen hinter sich, die diese Entwicklungen jeweils - mehr oder weniger zielführend - reflektiert haben.
Der Gesetzentwurf über die aktuelle EEG-Novelle (2021) aus dem Hause von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte schon in der Ressortabstimmung Kritik hervorgerufen - von Klimaschützern, von Interessensverbänden der Wind- und Solarwirtschaft, aber auch im Kabinett selbst. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hatte für den Gesetzentwurf auf dem Weg zur Kabinettsvorlage immerhin noch Verbesserungen bei den Förderbedingungen für Mieterstrom und für große Solaranlagen erreicht, aber für das parlamentarische Verfahren auch auf weiter bestehenden Verbesserungsbedarf hingewiesen. Da die EU-Kommission im September ein noch ehrgeizigeres Klimaziel 2030 vorgelegt hat, müssen wir auch unsere Anstrengungen intensivieren und die jährlichen Ausbaumengen anheben. Außerdem besteht weiterhin Bedarf für Anschlussregelungen bei den Bestandsanlagen, sodass diese auch nach Ablauf der 20-jährigen EEG-Förderung weiterhin Strom einspeisen können. Was der Gesetzentwurf der Bundesregierung jetzt immerhin schon enthält: Eine klare Festlegung von Ausbaupfaden für die einzelnen Technologien und ein umfassendes Monitoring. So kann frühzeitig nachgesteuert werden, um die Ausbauziele zu erreichen. Außerdem wurde - auf anhaltenden Druck der SPD - der Förderdeckel für kleine Photovoltaikanlagen endlich gestrichen.
Am 30. Oktober wurde der Regierungsentwurf zur EEG-Novelle 2021 zur parlamentarischen Beratung in den Deutschen Bundestag eingebracht. Die SPD-Fraktion hat sich dazu bereits sehr deutlich positioniert: Uns geht der vorliegende Gesetzentwurf nicht weit genug. Der für die Bereiche Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Energie zuständige stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, Matthias Miersch, hat bereits Verhandlungsbedarf in der Koalition angekündigt und einen eigenen "Zukunftspakt Erneuerbare Energien" vorgelegt. Mit diesem Papier machen wir Vorschläge, wie dieser vorliegende Entwurf sinnvoll umgestaltet werden kann, und wir die großen Linien unserer Klimapolitik - Treibhausgasneutralität noch vor 2050 und einen ambitionierten Ausbau Erneuerbarer Energien bis 2030 - doch noch erreichen können.
Wir brauchen eine rechtssichere und wirtschaftlich wie umweltpolitisch vernünftige Anschlusslösung für ausgeförderte und wirtschaftlich abgeschriebene Altanlagen. Wir können und wollen es uns nicht leisten, dass grundsätzlich noch leistungsfähige PV-Anlagen rückgebaut werden, weil sie nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden können. Mögliche Lösungen wären etwa die Befreiung von Altanlagen von der EEG-Umlage und eine Vereinfachung der Vorschriften beim Eigenverbrauch - wie es auch die europäische Erneuerbare-Energien-Richtlinie vorsieht.
Weiterhin wollen wir grundsätzlich an die Ökostrom-Umlage ran: Die ist in ihrer derzeitigen Form ineffektiv und dazu ungerecht. Durch niedrige Strompreise und die Corona-Pandemie steigt sie derzeit extrem an und belastet überproportional private Haushalte mit niedrigen Einkommen, da energieintensive Unternehmen von ihr befreit sind. Wir wollen die EEG-Umlage deshalb ganz abschaffen, und den Ausbau der Erneuerbaren Energien über Einnahmen aus dem nationalen Emissionshandel, über die Stromsteuer und den Abbau klimaschädlicher Subventionen finanzieren. Außerdem müssen wir die Bürgerinnen und Bürger stärker an der Energiewende beteiligen und dezentralen Bürgerstrom und kommunale Beteiligungsmodelle attraktiver machen - u.a. durch den Abbau von Abgaben und bürokratischen Hürden.
Wir gehen jetzt selbstbewusst und mit einem breit aufgestellten Forderungskatalog in die parlamentarischen Verhandlungen mit der Union. Bundeswirtschaftsminister Altmaier, der erst vor kurzem seine "Klima-Charta" öffentlichkeitswirksam vorgestellt hat, muss jetzt Farbe bekennen, wie ernst er es mit der Energiewende meint.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Gerster