Frage an Martin Gerster von Jonas S. bezüglich Gesundheit
Am 16.01.2020 wurde über die Zustimmungslösung und die Widerspruchslösung abgestimmt.
Die Widerspruchslösung wurde abgelehnt und die Zustimmungslösung wurde angenommen.
Ich wollte sie fragen, warum sie gegen die Zustimmungslösung waren?
Danke für ihre Anwort.
Jonas Seeger
Sehr geehrter Herr Seeger,
vielen Dank für Ihr Interesse an meinem Abstimmungsverhalten zum Gesetzentwurf über die sogenannte "Doppelte Widerspruchslösung" im Deutschen Bundestag am 16. Januar 2020.
In der ersten Sitzungswoche des Jahres 2020 haben meine Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag darüber beraten, wer in Deutschland künftig Organspender sein soll. Hintergrund der Neuregelung der Organspende in Deutschland ist der gravierende Mangel an Spenderorganen in Deutschland. Jedes Jahr sterben ungefähr 1000 Patienten, die auf ein Spenderorgan warten. Zudem ist das Vertrauen in das Transplantationssystem niedrig.
Zur Debatte standen drei Vorschläge, von denen zwei interfraktionell erarbeitet wurden. Der Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und dem Gesundheitsexperten der SPD-Fraktion, Karl Lauterbach, sah eine "doppelte Widerspruchslösung" vor. Danach wird jeder, der nicht aktiv widerspricht, als Spender geführt. Ein Alternativvorschlag u.a. von Annalena Baerbock und Karin Maag hält an der Entscheidungslösung (nur wer aktiv zustimmt ist Organspender) fest, setzt aber darauf, die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren und die Bürgerinnen und Bürger zu ermutigen, eine Entscheidung zu treffen. In beiden Vorschlägen ist ein zentrales Register vorgesehen, in dem die Entscheidungen hinterlegt sind, sodass im Ernstfall schnell feststeht, ob Organe entnommen werden dürfen. Beide Vorschläge fanden Unterstützer und Gegner in allen Fraktionen. Deshalb wurde der Fraktionszwang aufgehoben und eine Entscheidungsfindung unabhängig von Fraktionsgrenzen ermöglicht.
Mich haben viele Schreiben aus dem Wahlkreis zu diesem Thema erreicht. Es gibt ergreifende Schicksale von Familien mit Kindern, die dringend ein Spenderorgan benötigen, oder von Personen, die ohne Transplantation nicht mehr lange zu leben haben. Für viele ist die Ungewissheit, wann sie ein Organ bekommen können und vor allem ob es noch rechtzeitig kommt eine Qual. Ich habe das auch in meinem eigenen Umfeld erlebt und bin daher der Überzeugung, dass die doppelte Widerspruchslösung vielen Menschen in Deutschland geholfen hätte. Leider konnte dieser Vorschlag keine Mehrheit im Deutschen Bundestag erlangen.
Ich befürchte, dass die Neuregelung, wie sie am 16. Januar verabschiedet wurde, nicht den dringend nötigen Erfolg bringt. Wir werden uns deshalb in ein paar Jahren wieder mit dem Thema befassen müssen. Wichtig ist mir, dass durch die doppelte Widerspruchslösung niemand zur Organspende gezwungen worden wäre. Jedem und jeder stünde es weiterhin frei, einer Organentnahme zu widersprechen. Es wäre nur ein stärkerer Anreiz gegeben, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Ich hoffe Sie können die Beweggründe meiner Entscheidung - selbst wenn sie mit dieser womöglich nicht übereinstimmen - nachvollziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Gerster