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Martin Gerster
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Frage von Insa J. •

Frage an Martin Gerster von Insa J. bezüglich Humanitäre Hilfe

Am 04.03.20 haben sie gegen die Aufnahme von 5000 besonders schutzbedürftiger Geflüchteter aus den griechischen Lagern gestimmt, - wieso? Schon damals waren viele Kommunen und Städte bereit, Geflüchtete aufzunehmen und dennoch verhinderten sie dies mit Ihrer Stimme. Erklären Sie mir das bitte. Die Bereitschaft zu Menschlichkeit und Solidarität mit den Menschen auf Lesbos hält in vielen Regionen der BRD an und wird öffentlich kund getan. Die Situation auf Lesbos ist nicht mehr tragbar und schon längst nicht mehr zu verantworten. Was werden Sie tun, um Geflüchtete aufzunehmen und den Menschen auf Lesbos zu helfen?
Danke für Ihre Antwort, Insa Jebens

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Sehr geehrte Frau Jebens,

vielen Dank für Ihre Nachricht, in der Sie die verheerende humanitäre Situation im Lager Moria ansprechen. Die Dringlichkeit dieses Themas ist mir und meinen Fraktionskollegen bewusst.

Aus diesem Grund haben insgesamt 95 Abgeordnete der SPD-Bundestagsfraktion Initiative ergriffen und einen offenen Brief an die Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel verfasst, in dem wir auf die akute Notlage der Menschen in Moria hinweisen und uns dafür einsetzen, dass die Bundesrepublik Deutschland einen signifikanten Beitrag zur kurzfristigen und umfassenden Hilfe leistet. In dem Dokument sprechen wir uns entschieden dafür aus, Geflüchteten aus Moria Obdach zu gewähren. Deshalb bitten wir die Kanzlerin um die Umsetzung dieser Forderungen. Mit dem folgenden Link können Sie den Brief aufrufen: https://www.lars-castellucci.de/wp-content/uploads/2020/09/Brief-Bundeskanzlerin-Moria-11.09.2020-2.pdf

Bezüglich Ihrer Frage im Zusammenhang mit der Abstimmung am 04.03.2020 eine kurze Erläuterung, warum ich gegen den Antrag von Bündnis 90 / Die Grünen gestimmt habe:
Zum einen können Sie am Abstimmungsergebnis erkennen, dass lediglich die Fraktionen Bündnis 90 / Die Grünen und Die Linke dem Antrag zugestimmt haben. Sowohl AfD, FDP als auch CDU/CSU haben recht deutlich gemacht, dass sie den Antrag - auch unabhängig von einer Fraktionslinie - inhaltlich ablehnen. Selbst wenn also alle SPD-Abgeordneten ebenfalls für den Antrag gestimmt hätten, hätte dieser immer noch keine Mehrheit im Deutschen Bundestag erhalten. Das kann man bedauern, ist aber die vorhandene parlamentarische Mehrheit, die uns die Wählerinnen und Wähler mit auf den Weg gegeben haben. Mit dieser Realität muss ich arbeiten - ob es mir gefällt oder nicht. Kurzum: selbst wenn ich - und alle anderen SPD-Abgeordneten für den Antrag gestimmt hätten, hätte keinem einzigen Geflüchteten damit geholfen werden können. Stattdessen hat die SPD innerhalb der Koalition mit CDU/CSU diskutiert und hart in der Sache gestritten.

Zum anderen wurde der Antrag von der Opposition, also der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingereicht. Oppositionsanträge werden jedoch vonseiten der Regierung in der Regel abgelehnt oder aber in eigenen Gesetzentwürfen oder Anträgen aufgegriffen. Umgekehrt lehnen Oppositionsfraktionen üblicherweise Gesetzentwürfe der Regierungsfraktionen ab, selbst wenn sie in der Sache zustimmen. Außerdem befindet sich die SPD in einer Koalition mit der CDU und der CSU. Der Koalitionsvertrag - die Grundlage unserer Zusammenarbeit - sieht vor, dass stets geschlossen abgestimmt wird. Wechselnde Mehrheiten haben wir dabei ausgeschlossen. Deshalb machen wir Politik in der Koalition und nicht gegen die Koalition.

Im darauffolgenden Koalitionsausschuss am Sonntag, den 8. März haben wir uns auf Folgendes geeinigt: "Ordnung und Humanität gehören für uns zusammen. Deswegen wollen wir Griechenland bei der schwierigen humanitären Lage von etwa 1.000 bis 1.500 Kindern auf den griechischen Inseln unterstützen. Es handelt sich dabei um Kinder, die entweder wegen einer schweren Erkrankung dringend behandlungsbedürftig oder aber unbegleitet und jünger als 14 Jahre alt sind". In der Folge hatten sich Deutschland und einige weitere EU-Mitgliedstaaten dazu bereiterklärt, 1.600 unbegleitete Minderjährige aus Moria aufzunehmen - angesichts der frustrierenden Blockadehaltung des zuständigen Bundesinnenministers ein erster kleiner Erfolg.

Nun wird unter dem Eindruck der gravierenden Entwicklungen auf Lesbos erneut auf europäischer Ebene über humanitäre Lösungen verhandelt. Um auch kurzfristig zu helfen, hat die SPD in den vergangenen Tagen alle zur Verfügung stehenden Mittel genutzt, die Unionsfraktion und den Bundesinnenminister zu einem klaren Bekenntnis zu bewegen: Wir wollen einen größeren Beitrag leisten. Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte zunächst angekündigt, lediglich 150 minderjährige Geflüchtete in Deutschland aufnehmen zu wollen - angesichts der fast 13 000 Menschen, die in Moria alles verloren haben, ein beinahe zynischer Vorschlag. Nun haben sich die Kanzlerin und Horst Seehofer auf anhaltenden Druck der SPD bereiterklärt, zusätzlich 1535 Geflüchtete aufzunehmen. Wir hatten mehr gefordert, aber Maximalforderungen sind in einer Koalition selten umsetzbar. Wir werden deshalb mit unseren Forderungen an die Union weiter hartnäckig bleiben, um den Geflüchteten in Moria so schnell und unbürokratisch wie möglich zu helfen.

Mit freundlichen Grüßen
Martin Gerster

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