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Martin Gerster
SPD
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Frage von Greg B. •

Frage an Martin Gerster von Greg B. bezüglich Innere Sicherheit

Mit großer Sorge lese ich jede Woche neue Zeitungsartikel über den grassierenden Überwachungswahn hier in Deutschland.
Angefangen von Biometrischen Daten in Ausweisdokumente, Bundestrojaner, Finanzamtabfragen von Bankkonten, verschärfung des Urheberrechts. Lauschangriff, Mautdaten für Strafverfolger, Verknüpfte Datenbanken, Passagierdaten an die USA, Vorratsdatenspeicherung, SWIFT Bankdatentransvers in die USA, Echtzeitgesichtserkennung bei Fußballstadien und was weiß ich nicht alles, was angeblich zum Schutz gegen den angeblichen Terror als Vorwand beschlossen oder geplant sein soll.
Meine frage an Martin Gerster lautet daher, was haben Sie bisher und gedenken in Zukunft zu unternehmen, das Deutschland nicht zum totalitären Überwachungsstaat wird? Immerhin sind wir auf den besten Weg dort hin... Schritt für Schritt

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Berdet,

für Ihre Zuschrift danke ich Ihnen, muss jedoch gleich vorwegschicken, dass eine detaillierte Antwort auf die von Ihnen angesprochenen Fragen den Rahmen einer Plattform wie „Abgeordnetenwatch“ sprengen würde. Allein über das Für und Wider einer erweiterten Vorratsratsdatenspeicherung ließen sich sicherlich wissenschaftliche Aufsätze schreiben.

Obwohl ich Ihre Bedenken überaus ernst nehme, teile ich die Prämissen Ihrer Frage nicht. So halte ich Ihre Diagnose eines „grassierenden Überwachungswahns“ für wenig objektiv und in der Sache übertrieben. Auch Ihre Befürchtung, wir steuerten auf einen „totalitären Überwachungsstaat“ zu, erscheint mir unnötig dramatisiert. Wenn ich Ihre Frage richtig interpretiere, stellen Sie die Existenz einer terroristischen Bedrohung für unser Land implizit in Frage und unterstellen, diese diene nur als Vorwand für willkürliche Gesetzesverschärfungen. Beides ist falsch.

Spätestens das gescheiterte Kofferbombenattentat am Kölner Hauptbahnhof hat gezeigt, dass auch für die Bundesrepublik das Risiko islamitisch motivierter Anschläge durchaus real ist. Zudem verkennen Sie, dass sich viele der von Ihnen kritisierten Maßnahmen auch gegen die organisierte Kriminalität richten, deren Bekämpfung in einer enger vernetzten Welt stetig an Bedeutung gewinnt.

Als gelernter Journalist versichere ich Ihnen, dass mir an einem sensiblen Umgang mit Quellen- und Datenschutz gelegen ist. Einschränkungen von Bürgerrechten und demokratischen Freiheiten sind empfindliche Eingriffe in unser demokratisches Gemeinwesen. Sie dürfen nicht leichtfertig vorgenommen werden und sind deshalb in besonderem Maße begründungspflichtig, was eine offensive Informationspolitik gegenüber der betroffenen Öffentlichkeit einschließt.

Maßnahmen wie die Vorratsdatenspeicherung, die zunächst der Umsetzung
von EU-Richtlinien in deutsches Rechts dienen, sollten zunächst einmal in ihrer Reichweite nicht überbewertet werden. Bereits heute sieht das deutsche Recht vor, dass die zuständigen Behörden bei Vorliegen einer Straftat von "erheblicher Bedeutung" – wie zum Beispiel Verbreiten von Kinderpornographie im Internet – und eines richterlichen Beschlusses Auskunft erhalten können, sofern spezifischer Verfahrensvorschriften eingehalten werden. Unter Beibehalt dieser Voraussetzungen halte ich in eine verbindliche Ausweitung der bislang üblichen Speicherzeiten aus Gründen der Kriminalitäts- und Terrorbekämpfung für hinnehmbar.

Diese beiden Punkte – der konkrete Verdachtsfall und die vorliegende richterliche Entscheidung – sind für mich ausreichende Hürden, um überwachungsstaatlicher Willkür vorzubeugen. Als conditiones sine qua non müssen sie Grundlage der sicherheitspolitischen Gesetzgebung in sämtlichen von Ihnen angesprochenen Bereichen sein, z.B. bei der Nutzung von biometrischen Daten zur Strafverfolgung oder der Überwachung des elektronischen Datenverkehrs. Schließlich müssen sich auch deutsche Sicherheitsbehörden der Tatsache stellen, dass Terroristen, Extremisten und nicht politisch motivierte Kriminelle das Internet als schnelle, kostengünstige und effiziente Kommunikationsplattform entdeckt haben.

Ähnlich bewerte ich die Möglichkeiten der Finanzämter, Informationen über Bankkonten einzuholen. Sie tragen einer gesellschaftlichen Modernisierung Rechnung, die sich auch in einer modernisierten Kriminalität niederschlägt. Sofern also ermittlungstechnische Befugnisse der Herstellung von Steuerehrlichkeit und der Verfolgung krimineller Finanzströme dienen, kann ich daran nichts Verwerfliches finden.

Natürlich sind die von Ihnen angesprochenen Projekte differenziert zu betrachten und zu diskutieren. Zum von Ihnen angesprochenen Gemeinsame-Dateien-Gesetz hat Ihnen ja meine Kollegin Gabriele Fograscher bereits geantwortet. Zu den anderen Punkten hier ein paar kurze Anmerkungen. Beim Austausch von Fluggastdaten mit den USA strebt die Bundesregierung eine Umstellung vom „pull“ auf das „push“-Verfahren an. Das heißt, dass Daten nicht einfach von den amerikanischen Behörden abgerufen werden, sondern auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden. Die Verwendung biometrischer Daten zur Erkennung von Gefahren in Fußballsstadien sind zwar prinzipiell technisch möglich, sind aber nicht Bestandteil der bundespolitischen Agenda im Bereich der Sicherheitspolitik. Auch die Verschärfung des Urheberrechts vermag ich nicht in den Kontext der Diskussion um Bürgerrechte und Terrorismusbekämpfung einzuordnen. Hier sind wir im Bereich des privaten Datenschutzes, in dem ich einige Defizite sehe, die Sie in Ihrem Schreiben kaum thematisieren. Viel zu selten wird öffentlich problematisiert, wie schwer wiegend die Verwendung öffentlich verfügbarer Daten durch die freie Wirtschaft für die Bürgerinnen und Bürger ist. Wer sich intensiver mit von Banken bei der Kreditvergabe angewendeten Scoring-Systeme auseinandersetzt, wird rasch auf die Tragweite der Entwicklung aufmerksam. Hier ist zu fragen, wie das Recht des Bürgers auf informationelle Selbstbestimmung besser geschützt werden kann.

Was also werde ich tun? Ich werde auch weiterhin die sicherheitspolitischen Notwendigkeiten mit Augenmaß und Verantwortungsgefühl berücksichtigen und mich für eine Stärkung unseres demokratischen Rechtsstaates innerhalb des vorgegebenen rechtlichen Rahmens einsetzen.

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