Frage an Martin Gerster von Karl G. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Gerster,
In einem Brief vom 15.06.2015 hat das BMEL erklärt, warum die derzeitige Regierung gegen jede Mengenregulierung am Milchmarkt ist, den Brief ( AZ BMEL: 432-00202/0026) habe ich Ihnen in einer Anfrage am 07.01.2016 u. 29.01.2016 per E-Mail zukommen lassen. Unter anderem werden darin folgende Gründe gegen eine Mengenregulierung in Krisenzeiten angeführt: "Die Wohlfahrtseffekte sind negativ (v.a.Verbraucher)", für mich heißt das, dass zu Gunsten niedriger Verbraucherpreise (auch Sozialkosten) die Existens bäuerlicher Familienbetriebe gefährdet wird.
Oder. "Der Sektor ist nicht effizient", sind Betriebe mit 500,1000 oder 200 und mehr Kühen effizienter?? Es sind doch gerade die bäuerlichen Familienbetriebe, wie sie auch in Ihrem Wahlkreis vorherschen, die das positive Bild von der Landwirtschaft prägen.
Oder: "Der Strukturwandel wird gehemmt......", waren die 80% Strukturwandel während der Milchquote noch zu wenig? Auch mit einer Mengenregulierung wird der Strukturwandel weitergehen.
Am 31.12.2015 wurde mir vom BMEL bestätigt dass der Inhalt dieses Briefes noch aktuell ist.
Lage am Milchmarkt Ende Dezember 2015: EU-weit wird deutlich mehr Milch produziert, z.B. Deutschland 3,7% über Vorjahreslinie, Niederlande 14%, Polen 5,3%, Irland 16% u.s.w..
Aktuelle Lage beim Milchpreis: Im Januar werden die Milchpreise weiter fallen, bei meiner Molkerei ist die Rede von 2cent, in den nächsten Monaten muß man mit weiteren Preissenkungen rechnen.
Wenn wir bisher das Jahr 2015 als Krisenjahe bezeichnet haben, so können wir das Jahr 2016 getrost schon jetzt als Katasrophenjahr bezeichnen.
Ich hätte gerne Ihre ehrliche Meinung zum Inhalt diese Briefes, da Ihre Partei die SPD an dieser Bundesregierung beteiligt ist, tragen auch Sie eine Mitverantwortung an der Vernichtung von mindestens 40% der Milchviebetriebe in Süddeutschland.
Mit freundlichen Grüßen, Karl Gleinser
Sehr geehrter Herr Gleinser,
vielen Dank für Ihre E-Mail bzw. Ihre Kontaktaufnahme auf abgeordnetenwatch.de. Gerne nehme ich zu Ihrer Forderung Stellung.
Der Milchsektor nimmt innerhalb der deutschen und europäischen Land- und Ernährungswirtschaft eine herausragende Stellung ein. An der Milchproduktion hängen in hohem Maße Wertschöpfung und Arbeitsplätze in den ländlichen Regionen. Neben der ökonomischen Bedeutung für die landwirtschaftlichen Betriebe und den gesamten Landwirtschaftssektor hat die Milchwirtschaft auch eine hohe ökologische Bedeutung. Durch eine flächendeckende Milchviehhaltung auf so genannten Grünlandstandorten werden große Teile unserer Kulturlandschaften geprägt und gepflegt.
Seit 1984 wurde die Milchproduktion in der Europäischen Union über ein Quotensystem geregelt. Im Rahmen der staatlichen Milchquotenregelung wurde jedem milchliefernden Landwirt eine Milchmenge zugeteilt, die er maximal an seine Molkerei liefern durfte. Überlieferungen wurden durch eine Strafzahlung (die sog. Superabgabe) bestraft. Ziel der Milchquote war in erster Linie, die damalige Überproduktion zu stoppen und die Milchmenge auf einem definierten Niveau einzufrieren.
Als problematisch hat sich erwiesen, dass die frei handelbare Quote wachstumsorientierte Betriebe in ihrer Entwicklung behinderte, da der erforderliche Erwerb der Quote den Betrieben Kapital entzog. Im Rahmen der Agrarreform 2003 haben die EU-Agrarminister den Ausstieg aus der Milchquote bis 2015 verbindlich vereinbart. Für Deutschland stimmte die damalige Bundesministerin Renate Künast zu. Bis zum 31. März 2015 wurde der europaweite Ausstieg aus dem Milchquotensystem vollständig vollzogen.
Die Einschätzung des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung zu den vorgelegten BDM-Konzepten kann ich grundsätzlich teilen. Denn Aufzählungen wie "Der Sektor ist nicht effizient" zielen nicht darauf ab, die Arbeit der Milchbauern zu kritisieren, sondern darauf, dass unter den alten Bedingungen die Gesamtbranche ihr volles Potential nicht entfalten kann. Ein offener Weltmarkt bietet viele Chancen und neue Märkte.
Ich gebe aber zu, dass die Umstellungsphase, in der wir uns befinden, nicht einfach ist. Eine eventuelle Nachjustierung einiger Punkte sollte daher nicht vollends ausgeschlossen werden.
Dennoch sollten sich Landwirte und Milcherzeuger als Unternehmer auf einem liberalisierten Markt grundsätzlich auf Preisschwankungen einstellen. Leider wird in der aktuellen Diskussion die relativ positive Marktsituation der letzten Jahre vollkommen verdrängt. Außerdem ist davon auszugehen, dass im langfristigen Trend die weltweite Nachfrage nach Milch steigen wird und damit auch neue Exportchancen für die europäischen Milchviehhalter bietet.
Jedoch haben wir uns als SPD-Bundestagsfraktion Gedanken gemacht, um die Milchbauern zu unterstützen.
Angesichts der angespannten Milchpreise setzt sich die SPD auf Bundesebene dafür ein, dass Milch höherwertig veredelt und damit eine größere regionale Wertschöpfung erzielt wird. Wir wollen die Milcherzeuger und ihre Molkereien bei der Differenzierung ihrer Produktionspalette unterstützen. Insbesondere setzen wir uns dafür ein, dass die Milchviehhalter darin unterstützt werden, in die ökologische Milchproduktion einzusteigen und ihre regionalen Standbeine auszubauen. Gerade der Einstieg in die Bio-Milch-Produktion bietet gegenwärtig eine gute Perspektive für kleine und mittlere Betriebe. Die SPD unterstützt auch Maßnahmen zum Aufbau regionaler Wirtschaftskreisläufe und Landesprogramme zum Erhalt der regionalen Infrastruktur.
Der stetig steigenden Nachfrage auf dem Biomilch-Markt muss Rechnung getragen werden. Bisher gibt es zu wenig Biomilchbauern in den Regionen in Deutschland. Nur 70 Prozent der Bio-Milch, die in Deutschland verkauft wird, stammt von Kühen aus Deutschland. Verbraucherinnen und Verbraucher wollen Bioprodukte aus der Region. Mehr Bio-Milch muss daher in Deutschland produziert werden, damit Deutschland seinen Selbstversorgungsgrad steigert. Die Landwirte in Deutschland sollten diese Chance nutzen.
Auf europäischer und deutscher Ebene setzen wir uns dafür ein, dass die Marktposition der Milcherzeuger weiter gestärkt wird. Dafür muss das System der Terminmärkte ausgebaut und den Milchproduzenten Absicherungsmaßnahmen über die Terminmärkte zugänglich gemacht werden. Gleichzeitig unterstützen wir die Bemühungen der Bundesregierung zur Erschließung von neuen Absatzmärkten und den verbesserten Marktzugang für qualitativ hochwertige Milchprodukte aus Deutschland.
Neben der Erzeugerstufe interessiert uns auch das Marktverhalten der Molkereien und des Lebensmitteleinzelhandels. Wir wollen, dass die Marktposition der Milchviehhalter gegenüber den Abnehmer gestärkt wird.
Um die aktuellen Liquiditätsengpässe auf den Höfen zu beseitigen, setzen wir uns für die Bereitstellung weiterer Liquiditätshilfen über die Landwirtschaftliche Rentenbank ein, damit die Betriebe ihre Kreditlinie gegenüber den Hausbanken kurzfristig ausdehnen können.
Im Ergebnis erhalten die EU-Mitgliedsstaaten kurzfristige Unterstützung in Höhe von 500 Mio. Euro zur Bewältigung der schwierigen Lage auf den Agrarmärkten (insbesondere Milch- und Schweinefleisch). Bei der Ausgestaltung der Maßnahmen soll den Mitgliedsstaaten maximaler Spielraum eingeräumt werden. Insgesamt fließen 69.233.789 Euro nach Deutschland. Die Mittel werden nicht direkt an die Landwirtschaftsbetriebe ausgezahlt. Vielmehr werden sie dafür eingesetzt, Zinsen für Liquiditätskredite zu senken und Bürgschaften zu gewähren. Die Landwirte müssen diese Kredite und Bürgschaften bei ihrer jeweiligen Hausbank beantragen und diese entscheidet, ob die Kredite gewährt und Bürgschaften in Anspruch genommen werden.
Das BMEL hat einen Entwurf zur Auszahlung von der EU-Mittel veröffentlich. Demnach wird es ein 2-Säulen-Modell geben: Die erste Säule beinhaltet die Aufnahme eines Liquiditätshilfedarlehens durch Landwirte. Bedingung ist, dass der Kredit eine Laufzeit von 4 bis 6 Jahren hat, mindestens ein tilgungsfreies Jahr enthält und Milcherzeuger diesen erst nach dem 01.04.2015 aufgenommen haben.
Die zweite Säule umfasst die Beantragung eines Zuschusses zum bewilligten Darlehen bei der BLE (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung) bis 15.12.2015. Der Darlehenszuschuss beträgt 10 Prozent auf den Darlehensbetrag und ist auf maximal 10.000 Euro je Betrieb begrenzt. Berechtigt sind milch- und fleischerzeugende Betriebe, bei denen der durchschnittliche Erzeugerpreis nachweislich um 20 Prozent zurückgegangen ist. Für Milcherzeuger gilt der Vergleich zwischen dem Erzeugerpreis für Rohmilch des jeweils II. Quartals 2015 zu 2014.
Darüber hinaus wollen wir die Landwirte darin unterstützen, Ihre Angebotsmengen besser zu bündeln und sich in Erzeugergemeinschaften zusammenzuschließen. Die strikte Andienungsverpflichtung der Genossenschaftsmolkereien wollen wir zugunsten flexibler Verträge mit festen Auszahlungspreisen reformieren.
Wir stehen zum Milchquotenausstieg, der zum 1. April 2015 vollzogen wurde. Denn das bisherige Mengensteuerungsinstrument hat weder dazu geführt die Milchauszahlungspreise zu stabilisieren noch den Strukturwandel der Milchviehhaltung in Deutschland und Europa voranzubringen. Wir gehen davon aus, dass die Milchauszahlungspreise auch in Zukunft stärker schwanken werden. Aber bei jedem Preistief staatlich zu intervenieren, wird den Mich-Sektor nicht voranbringen.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Gerster