Frage an Martin Gerster von Norman B. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Gerster,
die Ereignisse um den Spionageskandal durch ausländische Geheimdienste, insbesondere NSA und GCHQ werden durch weitere Details jede Woche umfangreicher. Die Position der einzelnen Kandidaten zu kennen ist mir daher sehr wichtig.
Mit welchen konkreten Maßnahmen auf Staatsseite haben Sie als Sozialdemokrat vor, die Wiederherstellung und die dauerhafte Sicherung des Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme in Deutschland sicherzustellen?
Vielen Dank und freundliche Grüße
Norman Bruderhofer
Sehr geehrter Herr Bruderhofer,
vielen Dank für Ihre Frage.
Auch für mich als früheres Mitglied des Innenausschusses war das Schritt für Schritt deutlich gewordene Ausmaß der Überwachung durch den US-Geheimdienst NSA jenseits aller Vorstellungskraft.Auch wenn noch vieles unklar ist, steht aus meiner Sicht fest: Die im Raum stehende flächendeckende und geheime Überwachung von Bürgern und Unternehmen unseres Landes durch andere Staaten ist über alle Maßen inakzeptabel.
Unter Verbündeten sollte es genügen, wenn sich Strafverfolgungsbehörden bei begründetem Anlass gegenseitige Amtshilfe leisten. Allein der Anschein, es würde wahllos Spionage betrieben, zerrüttet langfristig die internationalen Beziehungen. Das kann weder in unserem noch im Interesse unserer Partnerländer sein. Ein bilaterales Antispionageabkommen wird nicht ausreichen, um den entstandenen Schaden wieder ins Lot zu bringen. Es bedarf eines breiteren internationalen Ansatzes, um die entsprechenden Fragen zu regeln.
Wichtig ist vor allem, dass entsprechende Abkommen auf Regierungsebene ausgehandelt werden -- und nicht allein von den Geheimdiensten. Transparenz zu schaffen, ist das Gebot der Stunde. Es reicht nicht aus, dass sich nur die Regierungen verbündeter Staaten verpflichten, nicht wechselseitig ihre Ministerien und Botschaften auszuspionieren. Auch die Bürgerinnen und Bürger müssen explizit in dieses Abkommen aufgenommen werden, um ihre Grundrechte zu schützen.
Leider ist die Informationspolitik der Regierungskoalition in Fragen des Ausspähskandals äußerst unbefriedigend. So fiel die Antwort der Bundesregierung auf die 115 Fragen umfassende Kleine Anfrage meiner Fraktion vom 26. Juli 2013 überaus ernüchternd aus (Drs. 17/14560 ): "Der Bundesregierung liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine flächendeckende Überwachung deutscher oder europäischer Bürger durch die USA erfolgt." (Seite 2 der Antwort der Bundesregierung).
Gerade angesichts immer neuer Enthüllungen ist davon auszugehen, dass die USA auch deutsche Bank- und Kommunikationsdaten umfassend überwachen. Rein technisch gesehen ist es relativ unerheblich, ob diese Daten in Deutschland selbst oder im Zuge der Übertragung abgeschöpft werden. Denn auch ein nicht unerheblicher Anteil der innerdeutschen Kommunikation läuft über Server im Ausland, auf die Behörden anderer Staaten -- weitab von den deutschen Datenschutzbestimmungen-- zugreifen können.
Deshalb benötigen wir jetzt eine konkrete Aufklärung durch die Bundesregierung, die NSA und die beteiligten Telekommunikations- und Internetunternehmen. Wir müssen genau wissen, wie PRISM und Tempora funktionieren. Denn nur so können wirksame Maßnahmen ergriffen werden, um deutsche Staatsbürger und unsere Wirtschaft zu schützen.
Denn zahlreiche Experten gehen davon aus, dass auch Wirtschaftsspionage im Abhörskandal eine große Rolle spielt, zumal die NSA mit einem großen Geflecht von Privatfirmen zusammenarbeitet. Und auch für den britischen Geheimdienst mit seinem gigantischen Datenerfassungsprogramm "Tempora" zählt die "Sicherstellung des wirtschaftlichen Wohlergehens" Großbritanniens sogar explizit zu seinen Aufgaben.
Daher hat unser Kanzlerkandidat Peer Steinbrück mit seinem Kompetenzteam einen 6-Punkte-Plan gegen Wirtschaftsspionage erstellt:
1. Einführung von verpflichtenden, kostengünstig angebotenen IT-Sicherheitsmindeststandards
2. Aufstockung der Personal- und Sachmittel für Cyber-Sicherheit
3. Einführung des Marktortprinzips
4. Qualifizierungsoffensive "IT-Sicherheit"
5. Stärkung der deutschen Spitzenforschung zum Thema "Cyber-Sicherheit"
6. Innovationsstrategie zu Datenschutz und IT-Sicherheit "Made in Germany"
Informationen zu den einzelnen Punkten finden Sie unter http://peer-steinbrueck.de/linkableblob/106548/data/20130813_6_punkte_aktionsplan_gegen_wirtschaftsspionage.pdf
Ganz besonders möchte ich aber auf einen Antrag meiner Fraktion vom 2. September hinweisen, der viele der von mir genannten Punkte aufgreift (Bundestagsdrucksache 17/14677; http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/146/1714677.pdf ). Konkret wird darin u.a. gefordert, die Verhandlungen über ein transatlantisches Freihandelsabkommen zu unterbrechen, bis der Skandal aufgeklärt ist und dafür zu sorgen, das möglichst schnell eine EU-Datenschutzgrundverordnung in Kraft tritt, die ein hohes europäisches Datenschutzniveau garantiert. Dabei sollen auch Regeln gefunden werden, welche die Verarbeitung personenbezogener Daten durch in Europa tätige globale Unternehmen an die Einhaltung europäischer Datenschutzstandards binden.
Ich hoffe, mit diesen Punkten transparent gemacht zu haben, welchen Weg wir einschlagen wollen, um das Vertrauen der Menschen in Deutschland wiederherzustellen, wenn es um den Schutz ihrer Privatsphäre und die Sicherheit ihrer elektronischen Kommunikation geht.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Gerster