Frage an Martin Gerster von Christoph A. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Gerster,
früheren Antworten konnte ich entnehmen, dass die der Investition in Aktien nicht sonderlich gesonnen sind. Ich bin dort anderer Meinung, auch denke ich, dass diese ein wichtiger Bestandteil einer Kapitalanlage sind. Ein Direktinvestment ist nicht notwendig, ein Fonds tut es auch (transparente Besteuerung).
Ich gehe davon aus, dass Sie grundsätzlich Sparen als etwas positives empfinden, daher meinen Gedankengang, wozu mich ihre Meinung interessieren würde:
Aufgrund der Staatsschuldenkriese werden die Zinsen künstlich niedrig gehalten. Eine reale Verzinsung nach Steuern ist also nur mit hohem Risiko möglich. Bei 2-3% Inflation muss ich bereits >4% Rendite erwirtschaften, um die Kaufkraft zu halten. Geht die Inflation auf 5% hoch, was nicht auszuschließen ist, reden wir von ca. 7% Rendite, die notwendig ist, um eine reale 0 zu schreiben.
Wie genau soll man den vorsorgen, wenn alles wegbesteuert wird und man als Sparer kalt enteignet wird?
Spitz ausgedrückt: Gehen Sie doch neue Wege! Besteuern Sie hohe Renditen und lassen Sie den konservativen Sparer in Frieden.
Folgendes schwebt mir vor:
Kapitalerträge i.h.v. bspw. 3%-Punkte oberhalb der Inflation sind steuerfrei. Alles darüber hinaus würde mir dem persönlichen Steuersatz besteuert (Kapitaleinkünfte = Arbeitseinkommen).
Damit wäre es attraktiv privat vorzusorgen und zu sparen. Es wäre aber unattraktiv zu zocken und auf den kurzfristigen Euro zu schielen. Ist es nicht eigentlich das, was Ihre Partei wollen sollte?
Alternativvorschlag: Stellen Sie europäische Staatsanleihen von der Steuer frei. Die Staatsfinanzierung wäre somit für Privatanleger attraktiver, die Refinanzierung wäre erleichtert. Als Anleger interessiert mich schließlich die Nachsteuerrendite. Da Privatanleger hier begünstigt wären, würde die Finanzierung breitere Schichten erreichen und somit stabilisieren.
Ich freue mich auf Ihre Antworten,
mit freundliche Grüßen,
Christoph Ahr
Sehr geehrter Herr Ahr,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. In der Tat bin ich der Ansicht, dass Sparen grundsätzlich eine wichtige Sache ist. Auch habe ich im Prinzip keine Problem mit Investitionen in Aktien, bin jedoch nicht überzeugt, dass sie sich als sicheres Instrument zur Altersvorsorge eignen (ich vermute, dass Sie sich darauf beziehen) bzw. einer steuerlichen Förderung bedürfen, die wichtige Aspekte der Steuergerechtigkeit außer Acht lässt oder sinnvollen Prinzipien unseres Steuerrechts widerspricht.
Im Einkommenssteuerrecht gilt das Nominalwertprinzip, das der Steuervereinfachung dient. Deshalb findet bei keiner Einkunftsart eine automatische Berücksichtigung der Inflation statt. Überdies liegt dem Prinzip die Annahme zugrunde, dass eine automatische Indexierung der Steuersätze inflationsfördernd wirken würde.
Sie werden mir zustimmen, dass es widersinnig erscheint, aus Angst vor Inflation inflationäre Tendenzen zu fördern. Und bei allem Verständnis über Ihren Ärger, dass das konventionelle Sparen sich aufgrund des niedrigen Zinsniveaus derzeit eher unattraktiv präsentiert, halte ich Ihre Wahrnehmung, dass "alles wegbesteuert wird" nicht für zutreffend.
Private Kapitalerträge unterliegen der Abgeltungssteuer mit einem pauschalen Steuersatz von 25 Prozent. Sie sind somit bereits gegenüber anderen Einkünften begünstigt. Der - nach Ihrem Modell inflationsabhängige - Verzicht auf die Besteuerung von Kapitaleinkünften geht zudem mit dem Risiko einher, das Prinzip der Besteuerung der individuellen Leistungsfähigkeit außer acht zu lassen. Innerhalb des von Ihnen angedachten Renditekorridors könnten nämlich auch sehr betuchte Investoren steuerfreie Einkünfte in beachtlichem Ausmaß erzielen.
Eine Abkehr vom Prinzip der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit droht umso mehr, wenn spezifische Produkte, deren Erwerb die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihrer Besitzer erhöht, generell steuerfrei gestellt werden sollen.
Insofern stehe ich Ihren Vorschlägen - bei allem Charme, den sie aus Anlegersicht haben mögen - skeptisch gegenüber.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Gerster