Frage an Martin Gerster von Ralf G. bezüglich Finanzen
Werter Herr Gerster,
warum wird jetzt, wo alle Möglichkeiten suchen um den Finanzhaushalt von Deutschland zu stabilisieren - sogar das BVerfG urteilte unlängst dazu ( http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,699952,00.html ), nicht mal ansatzweise darüber nachgedacht, an der Bürokratie zu sparen, wenn jemand mit einer "geringen Menge" gefasst wird?
Worauf ich genau hinaus möchte: Bei dem Fund einer "geringen Menge" wird das Verfahren, wenn keine weiteren schwerwiegenden Gründe vorliegen, i.d.R. eingestellt. Da allerdings nur der Konsum (von egal was) legal ist, muss ein Staatsanwalt und die Polizei den "Besitz" bearbeiten.
Aber dennoch werden laut "Schätzung der Ausgaben der öffentlichen Hand durch den Konsum illegaler Drogen in Deutschland" (S. Mostardt, S. Flöter, A. Neumann, J. Wasem, T. Pfeiffer-Gerschel, siehe http://j.mp/a1MgUm - bezahlt vom Bundesministerium für Gesundheit) ganze 3,7 bis 4,5 Millarden Euro (davon alleine 1,2 Mrd. Euro für Polizeikräfte) für die Repression ausgegeben?
Hinsichtlich der Internationalen Verträge (siehe Frage von Herrn Steldinger vom 25.5.2010 bei der Drogenbeauftragten Dyckmans bei http://www.abgeordnetenwatch.de/mechthild_dyckmans-575-37544--f257807.html#q257807 ) sollte auch so eine "Regelung" möglich sein um die Gerichte und Behörden entlasten?
mfg,
Ralf Grunhack
Sehr geehrter Herr Grunhack,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage. Für mich besteht an der grundsätzlichen Notwendigkeit, Drogenkriminalität konsequent zu verfolgen kein Zweifel. Leider konnte ich der von Ihnen angeführten Studie nicht entnehmen, inwieweit sich die bundesseitig aufgewendeten Mittel für die Folgen von Handel und Konsum illegaler Drogen mit dem Besitz "geringer Mengen" entsprechender Substanzen in Zusammenhang bringen lassen.
Laut der Studie entfielen zum Untersuchungszeitpunkt die bundesseitig größten Kostenposten auf internationale Präventionsmaßnahmen gegen den Drogenanbau (11,5 Mio. Euro) und den Zollfahndungsdienst (28,7 Mio. Euro), der primär dem grenzüberschreitenden Drogenhandel entgegenarbeitet: https://www.thieme-connect.de/ejournals/html_fg/gesu/doi/10.1055/s-0029-1243212/fg/T643-1
Insofern erscheint mir hier kein direkter Zusammenhang zu unnötigen Bürokratiekosten zu bestehen. Auch ein Blick auf die Länder illustriert nach meiner Lesart eher, dass auch die zitierten 3,57 bis 4,45 Mrd. Euro nicht geeignet sind, auf die wegen Geringfügigkeit eingestellten Verfahren zu schließen. So beziehen sich die Kosten im Bereich „Gerichte” auf den drogenbezogene Anteil der Anzahl abgeurteilter (!) Personen, wofür Ausgaben im Zusammenhang mit illegalen Drogen in Höhe von 1,20 Mrd. € entstanden sind. Inwieweit die Aufwendungen für Polizei sich auf die von Ihnen angesprochenen Täterkreise beziehen, ergibt sich ebenfalls nicht aus der Studie. Ich würde davon ausgehen, dass der Löwenanteil der Ermittlungsarbeit sich nicht gegen Kleinstkriminelle richtet.
https://www.thieme-connect.de/ejournals/html_fg/gesu/doi/10.1055/s-0029-1243212/fg/T643-2
In diesem Zusammenhang möchte ich auch Folgendes zu bedenken geben: Drogenkriminalität ist immer Ermittlungskriminalität. Das bedeutet: Es gibt im Gegensatz zu anderen Delikten keinen direkt Geschädigten, wie etwa bei Diebstahl oder ähnlichem. Daraus ergibt sich - salopp gesagt: Wenn wir gar keine Ermittlungen der Polizei in diesem Bereich hätten, wäre auch keine in der Statistik sichtbare Kriminalität in diesem Bereich zu verzeichnen. Es gäbe zwar keine Drogendelikte mehr in der Polizeistatistik - aber damit wären die Probleme mit den illegalen Drogen natürlich nicht gelöst; im Gegenteil. Insofern halte ich die Kosten für Ermittlungen der Polizei im Bereich der illegalen Drogen nicht für Bürokratie und schon gar nicht für überflüssig.
In der Hoffnung Ihre Frage beantwortet zu haben verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Martin Gerster