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Martin Gerster
SPD
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Frage von Hans M. •

Frage an Martin Gerster von Hans M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Gerster

Wie Sie sicher wissen, hat Ihr Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier (SPD) zusammen mit Herrn Prof. Dr. Christoph Koch 2009 das Buch "Helmut Ridder - Gesammelte Schriften" herausgegeben.
Besagte Prof. Dr. Christoph Koch hat 2009 auch das Buch "Vom Junker zum Bürger" veröffentlicht, indem im Kapitel "Im Schatten des Reiches" die Rechtslage des Deutschen Reiches und der deutschen Ostgebiete - vermutlich aus der Sicht Helmut Ridders - dargestellt wird.

Sie wurden zwar bereits auf dieses Buch angesprochen, sind aber, vermutlich auch um Ihren Fraktionsvorsitzenden nicht zu beschädigen, eine klare Bewertung schuldig geblieben. Als Extremismus-Experte hat aber gerade Ihre Bewertung in dieser Hinsicht geradezu eine Leitfunktion!

Ich würde Sie daher - als Abgeordneten des Deutschen Bundestages, als Spezialist in diesem Themenbereich und gerade nicht als SPD-Mitglied - bitten eine klare Aussage über die von Herrn Prof. Dr. Koch vertretenen Positionen zu machen. Sind diese nun:

a) schlichter Unsinn zweier verwirrter Professoren (Ridder/Koch)

b.) oder eine vertretbare juristische Mindermeinung

Falls es sich Ihrer Meinung nach um Unsinn handelt: Werden Sie versuchen, das Buch verbieten zu lassen?

Sicher wird Ihnen auch mein Name bekannt vorkommen, da ich mich bereits mehrfach kritisch mit der von Ihnen beobachteten "Gruppe Haug" auseinandergesetzt habe, die dieses Koch und Ridder als Kronzeugen für Ihre Theorien heranzieht.

Ich stimme Ihnen zu, dass diese Gruppe nicht rechtsextrem ist. Auch scheint mir diese Gruppe keine KRR zu sein. Auf der anderen Seite allerdings ist es natürlich nicht ausgeschlossen, dass diese Gruppe eine geistige Vorarbeit für wirklich rechtsextreme Elemente leistet und diese die "Arbeit" besagter Gruppe zu eigenen Zwecken ausnutzt - diesen Vorwurf könnte man natürlich auch den Herren Ridder und Koch machen.

Für eine Antwort bedanke ich mich und verbleibe

Mit freundlichen Grüßen

Hans Micks

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SPD

Sehr geehrter Herr Micks,

herzlichen Dank für Ihre Nachfragen, die ich im Auftrag von Herrn Gerster selbstverständlich gerne beantworte. Die Zeiten, da Politiker in Deutschland Bücher nach Gutdünken verbieten konnten, sind Gott sei Dank vorbei und werden hoffentlich niemals wiederkehren.

Innerhalb der sinnvoll gezogenen Grenzen des Artikels 5 darf Herr Koch deshalb publizieren, was er möchte, und der jetzige Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Frank-Walter Steinmeier hat jedes Recht, als Mitherausgeber eines Bandes Ridders Gesamtwerk zu würdigen. Das heißt aber weder, dass Koch oder Ridder mit jeder Position, die sie in ihrem wissenschaftlichen Wirken eingenommen haben, Recht (gehabt) hätten, noch dass eine Würdigung ihrer - auf anderen Feldern vermutlich verdienstvollen - Lebensarbeit ihnen in diesen Punkten zwingend Recht gäbe.

Insofern bleibe ich dabei, dass beide der von Ihnen in Anspruch genommenen Autoren mit ihrer, wohl aus ehrlicher Sorge um die deutsch-polnischen Beziehungen entstandenen, Deutung der Rechtslage weitgehend alleine stehen. Das sehen - um einmal bei Herrn Ridder anzusetzen - auch wohlmeinende Interpretationen seines akademischen Wirkens so:

„Völlig allein auf theoretischer Flur argumentierte er, es komme weder ein Beitritt der DDR zur Bundesrepublik gemäß Artikel 23 GG (oder gar die seltsame Konstruktion eines Beitritts zum »Geltungsbereich des Grundgesetzes«), noch eine Volksabstimmung nach Artikel 146 GG in Frage. Vielmehr sei ein neuer deutscher Staat, eine neue demokratische Republik durch das gesamtdeutsche Volk zu konstituieren. Er ging davon aus, was bekanntlich nicht unumstritten ist, es habe in der DDR eine Revolution stattgefunden und zwar eine friedliche mit demokratischem Potential für Gesamtdeutschland. Ridder sah in dieser Revolution einen neuen Anlauf für die immer wieder erstickte Revolution des deutschen Volkes. Diese Revolution sei, ein einmaliger Fall in der Völkerrechtsgeschichte, dem Volk der DDR gestohlen worden.(...) Ein neuer Staat hätte die Möglichkeit gehabt, sich zum erstenmal in der deutschen Geschichte als ein demokratischer Staat auszubilden, der nicht wie alle vorhergehenden Staaten, einschließlich der Weimarer Republik,(...) die Demokratie bekämpft oder verfehlt. Ein solch neuer Staat, der selbstverständlich nicht mit dem - angeblich bis heute (denn eine Todesurkunde wurde nie ausgefertigt) - nicht untergegangenen Deutschen Reich identisch sein konnte, hätte auch die Folgen des deutschen Angriffskrieges aufarbeiten können, insbesondere durch einen Friedensvertrag mit Polen.“ ( http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/science/ridder-roemer.html )

Ridder konnte sich in diesem Punkt in der Fachwelt nicht durchsetzen. So und nicht anders ist auch meine Bewertung seiner weitgehend isolierten Position als „Mindermeinung“ (im allgemeinen Sinne) zu lesen. Aus dieser Formulierung die insgeheime Anerkennung seiner Haltung als relevante Alternative zur juristischen herrschenden Meinung herauszulesen, ist zwar spitzfindig, aber falsch. Wenn ich mir die persönliche Anmerkung erlauben darf: Ich fürchte sogar, Herr Ridder würde lautstark protestieren, müsste er erleben, welche Kreise ihn gegenwärtig vor den eigenen Karren spannen wollen. Ebenso Herr Koch, der ja (wenn ich mich recht entsinne) - auf eine - vermeintlich ausstehende - vertragliche Regelung zugunsten Polens abzielt.

Insofern stimme ich Ihrer Sorge zu, dass sowohl Herr Koch als auch Herr Ridder durchaus missbrauchsanfällig für rechtsextreme Argumentationen sind und sehe solche Tendenzen ausdrücklich auch innerhalb der „Gruppe Haug“. Wer die Wiederherstellung „Großdeutschlands“ anstrebt und „Hoch Haug“ - in angeblicher Anlehnung an „Ave Cäsar“ (!) oder „Grüß Gott“ (!!!) - als Grußformel verwendet, stellt sich in eine Traditionslinie des National- und Führerkultes, die ebenso eindeutig wie fragwürdig ist.

Es ist erst zwei Monate her, dass jemand (der gegenwärtig ironischerweise die Ansicht vertritt, "dass die BRD (teil)identisch mit dem fortbestehenden Reiche ist") im entsprechenden Forum schrieb: „[D]as Deutsche Reich wird unter der Führung von Dr. Matthes Haug wieder entstehen und endlich wieder frei sein.“ Insofern halte ich auch an meiner Bewertung der ´Gruppe Haug´ als Vorfeldorganisation einer klassischen „Kommissarischen Reichsregierung“ fest, da der Channelbesitzer ja selbst erklärt, lediglich (wenngleich subversiver) die Sache der vormaligen Nationalversammlungs-KRR von Dr. Matthes Haug fortzuführen. Ich zitiere: „Auch anzumerken ist, dass der Kampf gegen die Unterdrückung damals mit der Deutschen Nationalversammlung geführt wurde, die, weil sie offen agiert hat, schnell das Ziel vieler "BRD-Maßnahmen" wurde. Der Kampf geht weiter, doch heute wird? er weitaus geschickter und auch mit "Unternehmen 2012" geführt.“

Die Frage, ob die Gruppe am Irrglauben einer lediglichen Teilidentität oder dem eines von der BRD unabhängigen Fortbestandes des Deutschen Reiches festhält, ist für die Zuordnung ins KRR-Segment daher völlig sekundär.

Ich hoffe, Ihre Fragen damit beantwortet zu haben, und verbleibe mit
freundlichen Grüßen

Alexander Geisler

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