Frage an Martin Gerster von Dierk A. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Barack Obama will 30.000 weitere Truppen nach Afghanistan schicken. Halten Sie das für eine gute Sache? Und wie würden Sie einer Mutter, deren Bundeswehrsohn tot an die Riß aus Afghanistan zurückehrt, erklären, wofür er gestorben ist.
Sehr geehrter Herr Andresen,
vielen Dank für Ihre Fragen, die ich gerne beantworte.
Soldaten in gefährliche Krisengebiete zu entsenden ist - unabhängig vom Sinn oder Unsinn entsprechender Einsätze - niemals eine einhundertprozentig "gute Sache" und ich fürchte, dass sich solche plakativen Vereinfachungen nicht eignen, um über das Für und Wider entsprechender Missionen vernünftig zu diskutieren. Was für Afghanistan oder die geostrategische Lage der BRD "gut" sein mag, kostet Menschen auf allen Seiten das Leben - auch Unschuldige. Die zivilen Opfer des auch unter Minister zu Guttenberg noch unzureichend aufgeklärten Luftangriffes haben das gezeigt und mir missfällt es, diese Tatsache hinter politischer Rhetorik zu verschleiern. Strategisch mag der amerikanische Plan sinnvoll sein, aber als deutscher Abgeordneter habe ich nicht genug Einblick in die entsprechenden Hintergründe der transatlantischen Überlegungen.
An der Abstimmung über die Verlängerung des ISAF-Einsatzes konnte ich nicht teilnehmen - meine Fraktion hat dem Entschluss jedoch mehrheitlich zugestimmt. Auch ich denke, dass ein übereilter Rückzug binnen Jahresfrist - gerade vor dem Hintergrund der Konsequenzen, die der Bevölkerung durch ein drohendes Machtvakuum entstünden - nicht zu verantworten wäre. Tatsache ist aber auch, dass wir zeitnah einen Rückzugsplan und eine nachhaltige politische Strategie zur Stabilisierung des Landes nach dem Abzug der Schutztruppen brauchen. Bis 2013 sollte sich eine solche Lösung realisieren lassen.
Zu Ihrer zweiten Frage: Ich hoffe inständig, dass keine weiteren deutschen Soldaten im Zuge dieses Einsatzes sterben werden. Wenn es jedoch zu weiteren Verlusten kommt, darf bei aller individuellen Tragik nicht aus dem Blick geraten, welche Gefahren von einem Afghanistan ausgehen würden, das mit seinen Problemen alleine gelassen wird. Das Land in Bürgerkrieg versinken zu lassen, wäre nicht nur zynisch gegenüber der afghanischen Bevölkerung. Durch die damit einhergehenden Rückschläge im Kampf gegen den internationalen Drogenhandel und der Entstehung eines neuerlichen Rückzugsraumes für den islamistischen Terrorismus würden weitere Menschenleben gefährdet - auch in Deutschland. Ich hoffe Ihnen die moralischen Ambivalenzen, über die es zu entscheiden gilt, deutlich gemacht zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Gerster