Frage an Martin Gerster von Paul H. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Gerster!
Nach dem jetzigen Rentengesetz müßte ich , geb. am 02.09.1950, bis zu einem Alter von 65 Jahren und 4 Monate regulär arbeiten. Bis zu diesem Zeitpunkt hätte ich 50 Beitragsjahre + 4 Monate in die Rentenkasse einbezahlt. In meinem bisherigen Arbeitsleben habe ich über 1000 Überstunden geleistet und mit erhöhtem Steuersatz versteuert! Alleine diese Steuer wäre für eine zusätzliche Rentensicherung sinnvoll gewesen, abgesehen von meinem gesamten Steueraufkommen. Wie sehen Sie die Rentengerechtigkeit der Zukunft?
Sehr geehrter Herr Herbst,
für Ihre Anfrage herzlichen Dank. Sie schneiden damit das Thema Generationengerechtigkeit an, das mit Sicherheit eines der zentralen politischen Themen ist und in den kommenden Jahrzehnten noch an Brisanz gewinnen dürfte.
Grundsätzlich sehe ich zur umlagefinanzierten gesetzlichen Rente, ergänzt um die betriebliche und private Altersvorsorge, keine vernünftige Alternative. Um in einer Gesellschaft mit immer mehr alten Menschen keine Generation zu überfordern, waren Veränderungen im Rentenrecht unumgänglich. Hierzu gehört auch die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre bis zum Jahr 2029, die einen Beitrag leistet, die mit dem demografischen Wandel einhergehenden Belastungen für die zukünftige Erwerbsgeneration zu begrenzen. So haben wir seit 1998 haben wir dafür gesorgt, dass der Rentenversicherungsbeitrag bis zum Jahr 2020 nicht über 20 Prozent steigen wird.
Da wir die Anhebung des Rentenalters aber nicht als Selbstzweck betrachten, haben wir diesen Schritt an eine Vorbehaltsklausel geknüpft. Diese verpflichtet die Bundesregierung ab 2010 regelmäßig darüber zu berichten, ob die Maßnahmen mit der Entwicklung der Arbeitsmarktlage und der wirtschaftlichen und sozialen Situation älterer Arbeitnehmer vereinbar ist. Eine weitere Maßnahme zum Schutz der Interessen der Rentnerinnen und Rentner stellte die Ausweitung der Schutzklausel bei der Rentenanpassung dar, die wir im Juni dieses Jahres beschlossen haben. Sie stellt sicher, dass es auch bei einer negativen Lohnentwicklung nicht zu einer Verringerung der geltenden aktuellen Rentenwerte kommen kann.
Ich bin der festen Überzeugung, dass auch die betriebliche Altersversorgung als zweites Standbein unseres Alterssicherungssystems immer wichtiger werden wird. Seit 2001 haben wir mit der Rentenreform die staatliche Förderung dieses Sektors verbessert. Seit Januar 2002 haben Beschäftigte grundsätzlich das Recht, einen Teil ihres Lohns oder Gehalt zugunsten einer betrieblichen Altersvorsorge umzuwandeln, um später eine Betriebsrente zu erhalten. Um für diese betriebliche Altersversorgung Planungssicherheit zu gewährleiten, haben wir die Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit dieser Entgeltumwandlung über das Jahr 2008 hinaus unbefristet fortgesetzt.
Sicher bin ich auch, dass auch die private Vorsorge in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen und ein drittes, unverzichtbares Standbein der Alterssicherung bilden wird. Deshalb haben wir unter der Regierung von Gerhard Schröder die „Riester-Rente“ eingeführt. Wir haben dieses Modell in der vergangenen Legislaturperiode noch attraktiver gestaltet und beispielsweise die Kinderzulage von 185 auf 300 Euro erhöht. Im gleichen Zusammenhang haben wir die selbstgenutzte eigene Wohnimmobilie in die steuerlich geförderte Altersvorsorge aufgenommen und einen Berufseinsteiger-Bonus von 100 Euro für Jugendliche unter 21 Jahren eingeführt.
Diesen Weg werden wir in Zukunft weiter fortsetzen und den Ausbau der betrieblichen Altersvorsorge wie der „Riester-Rente“ weiter verbessern. Künftig soll auch das Risiko der Erwerbsunfähigkeit obligatorisch und zu gleichen Konditionen abgesichert werden.
Grundbedingung für eine positive Entwicklung der Rentendynamik ist, möglichst vielen Beitragszahlern eine möglichst langjährige Erwerbsbiografie zu sichern. Diesem Thema widmet sich auch unser Regierungsprogramm intensiv, auf dessen Inhalte ich hier verweisen möchte.
• „Beschäftigungsfähigkeit erhalten. Die zentrale Voraussetzung der Altersvorsorge ist, dass Menschen möglichst lange zu guten Bedingungen im Erwerbsleben bleiben können. Wir wollen daher alle Möglichkeiten nutzen, um die Arbeitswelt so zu verändern, dass alle Beschäftigten möglichst lange gesund am Arbeitsleben teilhaben können und psychisch und körperlich belastende Arbeitsbedingungen weitgehend vermieden werden.
• „Gute Arbeit“ für existenzsichernde Renten. Voraussetzung für armutsfeste Renten sind existenzsichernde Lohne und eine möglichst ungebrochene Erwerbsbiographie - für Männer und Frauen. Deshalb setzen wir uns für flachendeckende Mindestlohne ein. Wir werden einen Anspruch auf geforderte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung für deutlich leistungsgeminderte Langzeitarbeitslose über 60 Jahren schaffen, um dieser Gruppe die Gelegenheit zur Teilhabe an Arbeit und zum Erwerb von Rentenanwartschaften zu geben.
• Schließen von Lücken in der Versicherungsbiographie. Niedriglöhne und Arbeitslosigkeit haben in der Vergangenheit zu Lücken in der Versicherungsbiographie geführt. Deshalb wollen wir das Risiko reduzieren, dass langjährig Erwerbstätige im Alter auf die Grundsicherung angewiesen sein werden. Um geringe Anwartschaften bei Geringverdienerinnen und Geringverdienern besser zu bewerten, werden wir das Instrument der Rente nach Mindesteinkommen bei langjährig Versicherten noch einmal für Beitragszeiten bis Ende 2010 verlängern. Zeiten der Langzeitarbeitslosigkeit werden wir begrenzt hoher bewerten, wenn zum Zeitpunkt des Rentenzugangs weniger als 30 Entgeltpunkte vorhanden sind. (SPD Regierunsgprogramm2009: 49 ff.)
• Einheitliches Rentensystem in Ost und West. Wir werden in der kommenden Legislaturperiode ein einheitliches Rentensystem in Ost und West durchsetzen.“
Ein weiteres Ziel ist es, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einen flexiblen Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente zu ermöglichen. Hierzu sieht unser Regierungsprogramm folgende Schritte vor:
• „Geförderte Altersteilzeit. Die von der Bundesagentur für Arbeit geforderte Altersteilzeit werden wir bis 2015 verlängern, wenn ein Unternehmen eine frei werdende Stelle mit einem Auszubildenden oder Ausbildungsabsolventen neu besetzt. Zudem wollen wir im Rahmen der Altersteilzeit individuellen und betrieblichen Bedürfnissen besser gerecht werden.
• Teilrente. Die Möglichkeit, eine Altersrente auch als Teilrente bei paralleler Teilzeitbeschäftigung in Anspruch zu nehmen, wollen wir bereits ab dem 60. Lebensjahr ermöglichen.
• Zusätzliche Beiträge. Auch im Rahmen der Rentenversicherung ist eine höhere Flexibilität möglich, ohne die Rentenversicherung mit Kosten zu belasten: Hierzu soll sowohl den Versicherten als auch den Unternehmen und tariflichen Fonds die Möglichkeit gegeben werden, mit zusätzlichen Beitragen zur Rentenversicherung bei einem früheren Rentenzugang die Abschlage abzukaufen oder Zuschlage zur Rente zu erwerben und so den Schutz im Alter oder bei Erwerbsminderung zu erhöhen.“
Langfristig soll die Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung weiterentwickelt werden. Schließlich hat sich die Arbeitswelt verändert. In den heutigen Erwerbsbiographien sind Übergange von abhängiger Beschäftigung, Selbständigkeit oder freiberuflicher Tätigkeit häufiger, als dies in der Vergangenheit der Fall war. In einem ersten Schritt wollen wir alle „Solo-Selbstständigen“, die sozusagen „Ein-Personen-Unternehmen“ betreiben, einbeziehen, sofern sie nicht in einem berufsständischen Versorgungswerk eine der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbare Altersversorgung haben.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Stellungnahme unsere rentenpolitischen Vorstellungen näher gebracht zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Gerster