Frage an Martin Gerster von Josef S. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Gerster,
die Koalition hat am 22.4. im Gesundheitsausschuss (Ausschussdrucksache 16(14)0527) den höchst bemerkenswerten Antrag eingebracht, die Ausbildung in den Pflegeberufen für Hauptschüler zu öffnen.
Seit vielen Jahren gibt es bereits für Hauptschüler die Möglichkeit, eine Krankenpflege-Helferausbildung zu absolvieren. Mit gutem Grund hatte man bei den verantwortlich Pflegenden stets auf einen Mittleren Bildungsabschluss bestanden. In vielen EU-Ländern ist die Voraussetzung sogar eine Fachhochschulreife.
Mit welcher Begründung soll jetzt die Qualität im Pflegeberuf - die ja bei der immer komplexer werdenden Medizin und den steigenden Anforderungen durch zunehmende Alters- und Langzeiterkrankungen eigentlich gesteigert werden muss - gesenkt werden?
Warum soll die europaweite Anerkennung der deutschen Pflegeausbildung aufs Spiel gesetzt werden?
Wie kann die Forderung nach Qualitätsreduktion mit der aktuellen Diskussion um Verlagerung ärztlicher Tätigkeiten an Pflegepersonen vereinbart werden?
Bitte veranlassen Sie in Ihrer Fraktion, dass dieser gesundheitsgefährdende Unsinn, der zu steigenden Krankenhauskosten durch zunehmende Komplikationen und längerer Verweildauer führen wird (das ist durch Studien belegt) den Gesundheitsausschuss nur im Papierkorb verlässt!
Ein besorgter Lehrer für Pflegeberufe
Sehr geehrter Herr Schmid,
vielen Dank für Ihre Frage zu den Überlegungen der Regierungskoalition wenden, im Rahmen der 15. AMG-Novelle gesetzliche Regelungen zur Öffnung der Krankenpflegeausbildung für Hauptschulabschlüsse umzusetzen.
Nach Rücksprache mit den zuständigen Fachpolitikerinnen und Fachpolitikern meiner Fraktion möchte ich auf die von Ihnen geäußerten Vorbehalte zu reagieren, die zum Teil auch durch die vertretenen Verbände während der Anhörung vorgetragen wurden.
Zunächst möchte ich zum Hintergrund der geplanten Regelungen eingehen: Mit der Festlegung des Zugangs zu den Ausbildungen nach dem Krankenpflegegesetz auf den Hauptschulabschluss nach zehn Schuljahren oder einer gleichwertigen Schulausbildung, soll der Zugang zu diesen Berufen für mehr Interessentinnen und Interessenten als bisher geöffnet werden. Mit Blick auf den durch die demographische Entwicklung schon heute absehbaren Mangel an Bewerbern für Ausbildungen in der Krankenpflege, aber auch vor dem Hintergrund der notwendigen und gesellschaftspolitisch wünschenswerten Einbindung von Bewerbern mit Migrationshintergrund halte ich eine solche Öffnung letztlich für alternativlos.
Ihre Befürchtungen, dass durch diese Öffnung eine Verschlechterung der Pflegequalität erfolge, halte ich hingegen für unbegründet.
Die Qualität der Krankenpflege, deren stetige Verbesserung vor dem Hintergrund aktueller medizinischer Entwicklungen auch mir ein zentrales Anliegen ist, wird in erster Linie durch die Inhalte und sachgerechte Vermittlung der Krankenpflegeausbildung gewährleistet. Die Form und die Inhalte der Ausbildung werden auch nicht verändert. Zudem kommt es vor allem auch auf die Motivation der Bewerber an, einen Ausbildungsberuf zu ergreifen, der bekanntlich mit hohen psychischen Belastungen und schwierigen Arbeitsbedingungen verbunden ist.
Ich vermag nicht zu erkennen, warum eine Bewerberin oder ein Bewerber mit einem qualifizierten Hauptschulabschluss nicht geeignet sein soll, die -- im übrigen inhaltlich ja unverändert bleibende -- Krankenpflegeausbildung erfolgreich zu absolvieren. Die begrüßenswerte Motivation, eine im Vergleich zu anderen Berufen ungleich schwerere und belastendere Ausbildung zu wählen, ermöglicht aus meiner Sicht vor allem positive Rückschlüsse auf die Persönlichkeit der Bewerber.
Ich gehe sehr wohl davon aus, dass Hauptschulabsolventen in der Lage sind, einen anspruchsvollen Beruf der Krankenpflege zu erlernen und erfolgreich auszuüben. Viele der heute auch in gehobenen Positionen arbeitenden Beschäftigten in der Krankenpflege haben seinerzeit Ihren Weg über die Hauptschule in ihren heutigen Beruf gefunden.
Zudem entspricht es den Grundforderungen sozialdemokratischer Bildungspolitik, Zugangsmöglichkeiten und Durchlässigkeit der Berufsbildungsangebote sowie deren Chancen und Aufstiegsmöglichkeiten zu verbessern. Gerade die Berufe in der Krankenpflege eröffnen den Beschäftigten durch zusätzliche Qualifizierungen und Spezialisierungen vielfältige berufliche Optionen und Lebenswege. Es ist nicht einzusehen, warum diese Optionen qualifizierten Hauptschulabsolventen, die erfolgreich die qualitativ anspruchsvolle Ausbildung der Krankenpflege hinter sich gebracht haben, vorenthalten bleiben sollen.
Eine einseitige Überbetonung der Risiken und eine unbegründete Diskriminierung bringen uns in dieser Frage nicht weiter. Gerne stehe ich Ihnen für ein Gespräch zur Verfügung und verbleibe in der Hoffnung, Ihre Frage beantwortet zu haben
mit freundlichen Grüßen
Martin Gerster