Frage an Martin Dulig von Thomas S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Guten Tag Herr Dulig.
Zu der im Kandidatencheck aufgeführten These "Es sollten mehr Pflegekräfte aus dem Ausland angeworben werden" nehmen Sie Stellung:
"Natürlich brauchen wir mehr Pflegekräfte. Dann erhalten die Gepflegten eine bessere und persönlichere Versorgung. Und die Pflegekräfte haben weniger Stress in ihrem Job. Wo eine Pflegekraft geboren wurde, ist doch irrelevant. Also: Sowohl hier ausbilden als auch von außen anwerben."
https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/martin-dulig
Ich sehe es auch als irrelevant wo eine Pflegekraft geboren wurde, gebe allerdings zu bedenken:
Wenn mehr Pflegekräfte aus dem Ausland angeworben werden, was bedeutet das für die Pflege in den Ländern, aus denen die angeworbenen Kräfte kommen?
Bleiben dann ausreichend Pflegekräfte in diesen Ländern, um in der dortigen Pflege eine gute und persönliche Versorgung zu leisten?
Auch aus sozialen Beweggründen sehe ich die Anwerbung von ausländischen Arbeitskräften sehr kritisch. Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) hält z.B. den Schutz ausländischer Arbeiter vor Ausbeutung in Deutschland für absolut unzureichend.
"Einige Arbeitgeber zahlten Ausländern Löhne weit unterhalb des Mindestlohns(...). Sie führten keine Sozialabgaben für sie ab. Die Ausländer müssten unbezahlte Überstunden leisten, würden in menschenunwürdigen Unterkünften untergebracht. Oftmals würden sie mit Drohungen oder sogar mit Gewalt davon abgehalten, sich Hilfe zu suchen. Viele schwarze Schafe seien in der Baubranche zu finden, in fleischverarbeitenden Betrieben, in der Pflege, der Prostitution, in der Reinigungsbranche, der Gastronomie und im Bereich Logistik."
Kann der Pflegenotstand auch mit unzureichenden Löhnen und Aebeitsbedingungen erklärt werden?
Sollte nicht auch in diesem Bereich für Besserung gesorgt werden?
Wenn ja, wie?
Viele Grüße T. S.
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Nachfrage bei diesem wichtigen Thema. Der dramatische Mangel an Fachkräften in der Pflege ist ein Problem, das wir dringend angehen und sowohl zügig als auch nachhaltig lösen müssen. Die Landtagsfraktion der SPD Sachsen hat sich deshalb auch in der letzten Legislaturperiode intensiv mit dem Thema beschäftigt und etwa in Form von zwei Pflegekongressen den direkten Austausch mit Menschen gesucht, die selber in der Pflege arbeiten. Ebenfalls auf Initiative der SPD gibt es seit vielen Jahren den „Runden Tisch Pflege“. Beides hilft uns dabei, zielgerichtet Lösungsvorschläge zu erarbeiten und nicht an den Menschen vorbei Dinge zu entscheiden.
Ich stimme Ihnen absolut zu: Wir müssen die Löhne und die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessern. Deswegen fordern wir als SPD einen Tarifvertrag Pflege. Am liebsten wäre es mir, wir würden zu einer bundesweiten Lösung kommen. Gespräche dazu laufen ja gerade. Aber wenn das nicht klappt, müssen wir in Sachsen einen eigenen Landestarifvertrag durchsetzen.
Wir müssen außerdem die Ausbildung in der Pflege attraktiver machen, damit mehr junge Menschen sich dafür entscheiden. Das Schulgeld zum Beispiel ist für viele Jugendliche eine Hürde. Wir sind mit der Schulgelderstattung für Auszubildende in der Pflege schon vor drei Jahren den ersten Schritt gegangen. Jetzt muss aus unserer Sicht der nächste logische Schritt folgen: Die Ausbildung muss komplett kostenfrei werden.
Beides wird dazu beitragen, dass sich die Arbeit in der Pflege wieder auf mehr Schultern verteilt und die Pflegerinnen und Pfleger ihrem Arbeitsauftrag und ihrem Berufsethos wieder wirklich gerecht werden können. Insgesamt gilt aber sowohl für die Löhne als auch für die Arbeitsbedingungen: In der Politik können nur die Rahmenbedingungen gesetzt und Verbesserungen nur angeregt werden. Es gilt die Tarifautonomie, und am Ende entscheiden die Betriebe. Deshalb ist uns der Tarifvertrag auch so wichtig. Er könnte abstecken, welche Löhne mindestens gezahlt werden müssen und welche Arbeitsbelastung höchstens zulässig ist.
Im Kandidaten-Check wurde aber gefragt, ob wir mehr Fachkräfte aus dem Ausland anwerben müssen. Und, ohne damit in Abrede zu stellen, dass wir die Arbeitsbedingungen und die Löhne verbessern und selbst mehr Pflegerinnen und Pfleger ausbilden müssen, finde ich die Forderung richtig. Vor allem wenn wir kurzfristig Abhilfe schaffen und den Fachkräftemangel schnell beheben wollen, sind wir auf die Unterstützung von ausländischen Pflegekräften angewiesen. Allerdings ist das, wie ich bereits beschrieben habe, nur ein Baustein von vielen.
Sie sprechen auch die Frage an, ob wir damit nicht dringend gebrauchte Fachkräfte aus anderen Ländern absaugen. In Polen, Tschechien und Großbritannien ist das in der Tat ein Thema. In anderen osteuropäischen oder asiatischen Ländern, oder auch auf dem Balkan gibt es hingegen sehr viele gut ausgebildete Pflegekräfte, die fast ohne Arbeit dastehen. Sie wollen und müssen Geld verdienen, wollen arbeiten und sich ein zukunftsfähiges Leben aufbauen – was in ihren Heimatländern oft nicht möglich ist. Da müssen wir natürlich differenzieren, Menschen in ihrem Recht auf Freizügigkeit aber auch nicht bevormunden.
Es sollte aber klar sein, dass für alle Menschen bei demselben Ausbildungsniveau dieselben Arbeitsbedingungen und Löhne gelten müssen, unabhängig von ihrer Herkunft. Auch alle anderen Arbeitsschutzregelungen sowie der Mindestlohn müssen uneingeschränkt für sie gelten. Die Probleme, die Sie beschreiben, sind leider tatsächlich weit verbreitet. Als SPD versuchen wir jedoch mit aller Macht, dieses ausbeuterische Verhalten zu bekämpfen. Da müssen wir politisch von Anfang an gegensteuern.
Offensichtlich ist das Thema sehr komplex. Es geht um die Schwerpunkte Aufstockung des Personals in allen Bereichen, angemessene Vergütung für erbrachte Pflegeleistungen, Gehaltserhöhungen, Arbeitsbedingungen, rechtlich abgesicherte Anwendung der Erlernten, Karrieremöglichkeiten und fundierte kostenfreie Ausbildung. Wir haben uns in den letzten fünf Jahren intensiv damit beschäftigt, und werden unsere Arbeit auch in Zukunft fortsetzen, um nachhaltige Verbesserungen zu erreichen.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Dulig