Frage an Martin Dörmann von Torsten S. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Dörmann,
mich beschäftigt der Widerspruch zwischen einerseits Überproduktion von Lebensmitteln in Deutschland und Europa und der andererseits Mangel an Lebensmitteln in vielen Teilen der Welt, einschließlich in Deutschland (Stichwort Tafeln etc.). Das Thema hat indirekt auch mit Migration zu tun, da Mangel an Lebensmitteln in vielen Regionen als "Push-Faktor", die Menschen dazu bringt, ihr Land zu verlassen.
Zwei konkrete Fragen zu diesem Thema:
1. Wie stehen Sie zu dem Verbot für den Einzelhandel in Frankreich nicht verkaufte Lebensmittel wegzuschmeißen?
1.1 Was sind Ihre Vorschläge, den Anteil der zu Müll erklärten Lebensmittel in Deutschland zu reduzieren?
2. Wie sehen Sie den Zusammenhang zwischen börsengehandelten Fonds auf landwirtschaftliche Indizes bzw. Terminmärkten für Nahrungsmittel ("Lebensmittelspekulation") und Hunger in vielen Teilen der Welt?
2.1 Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Faktoren, um Hungersnöte zu reduzieren?
Mit freundlichen Grüßen
Torsten Schneider
Sehr geehrter Herr Schneider,
vielen Dank für Ihre Fragen zum Thema Lebensmittelüberproduktion bzw. –mangel in vielen Teilen der Welt.
Uns Sozialdemokraten ist es ein wichtiges Anliegen, die Verschwendung von Lebensmitteln einzudämmen. Denn sie hat weltweit negative soziale, ökologische und ökonomische Folgen. Für die Produktion dieser Lebensmittel werden Wasser und Rohstoffe verbraucht und landwirtschaftliche Flächen genutzt. Steigende Preise sind die Folge - und dies auch in den armen Ländern der Welt, die diese Ressourcen dringend brauchen, um für Nahrungssicherheit vor Ort zu sorgen und den Hunger zu bekämpfen.
Deshalb war die SPD die erste Fraktion, die das Thema „Lebensmittelverschwendung“ auf die Tagesordnung des Bundestags gesetzt hat. Wir haben bereits 2011 einen Antrag dazu eingebracht („Strategie gegen Lebensmittelverschwendung entwickeln“, Drs. 17/7458). Im Verlaufe der Beratungen haben wir dann den fraktionsübergreifenden Antrag „Lebensmittelverluste reduzieren“ (Drs. 17/10987) initiiert. Doch sind unsere mit allen Fraktionen gemeinsam verabschiedeten Forderungen teilweise heute noch nicht umsetzt. So gibt es bis heute keine Zielmarkenvereinbarung mit der Wirtschaft zur Minimierung der Lebensmittelverschwendung.
Deshalb haben wir sie in unserem verabschiedeten Ernährungsantrag „Gesunde Ernährung stärken – Lebensmittel wertschätzen“ (Drs. 18/3726) nochmal wiederholt. Denn die SPD ist der Auffassung, dass auf jeder Stufe der gesamten Wertschöpfungskette sorgsam mit Lebensmitteln und sparsam mit Ressourcen umgegangen werden muss, um die Verschwendung einzudämmen. Dabei muss auch die Wirtschaft in die Pflicht genommen werden.
Zwar hat das Bundesernährungsministerium mit seiner Initiative „Zu gut für die Tonne“ dazu beigetragen, das Thema Lebensmittelverschwendung stärker ins öffentliche Bewusstsein zu bringen. Insgesamt aber ist bei dem Programm „Zu gut für die Tonne“ aus SPD-Sicht zu stark die Verschwendung beim Endverbraucher im Fokus. Die die gesamten Lebensmittelverluste entlang der Wertschöpfungskette vom Acker über die Produktion bis in den Handel, Kantinen und Gastronomie werden kaum beachtet. Wir werden uns bei den Haushaltsverhandlungen dafür einsetzen, dass Mittel für die Erarbeitung eines Systems zur Erfassung der Verschwendung entlang der Wertschöpfungskette – also auch bei der Verarbeitung und im Handel - eingestellt werden. Anhand dieser Datenlage können dann die Einsparpotenziale auf allen Stufen der Kette ermittelt und genutzt werden. Deshalb greift aus unserer Sicht die Initiative Frankreichs etwas zu kurz. Wir wollen Lebensmittelverschwendung nicht verwalten sondern vermeiden. Wertschöpfung muss mit Wertschätzung einhergehen. Gern gehe ich auch kurz auf Ihre beiden anderen Fragen ein: Zum Thema Kampf gegen den weltweiten Hunger haben die Staats- und Regierungschefs auf dem UN-Gipfel für Nachhaltigkeit in New York die „Agenda 2030“ beschlossen. Sie sieht die moderne Landwirtschaft als Schlüsselsektor zur Verbesserung der globalen Ernährungssituation. Damit stehen die Förderung nachhaltiger Landwirtschaft sowie die nachhaltige Nutzung knapper natürlicher Ressourcen im Vordergrund. Aber auch eine verantwortungsvolle Verwaltung von Boden- und Landnutzungsrechten sowie internationale Handelsabkommen werden bei der Verbesserung der globalen Ernährungssituation helfen.
Im Bereich Lebensmittelspekulation wurde bereits auf europäischer Ebene mit der entsprechenden Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) entgegengesteuert. Der Handel mit Rohstoffen wird künftig effizienter kontrolliert, um Risikogeschäfte einzudämmen.
Ich hoffe, meine Antworten helfen Ihnen weiter.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Dörmann, MdB