Frage an Martin Dörmann von Guido F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dörmann,
vielen Dank für Ihre Antwort, doch ein letztes Mal möchte ich Sie, mit meinen Fragen zum Thema Internetsperren, noch behelligen.
Sie weisen darauf hin, dass Webseiten mit kinderpornographischem Angebot schnell die Adresse wechseln. Dies äußerte auch die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion.
Warum halten Sie es für nötig, Internetadressen zu blockieren, obwohl Sie davon ausgehen, dass die Inhalte nur kurzfristig unter diesen Adressen verfügbar sind und es für die Bundesregierung sogar "vernachlässigbar" wäre, sollten die Adressen der gesperrten Seiten öffentlich bekannt werden (vgl. Antwort zur BT-Drucksache 16/13245)?
Können Sie abschätzen, wieviele Internetseiten auf der Sperrliste des BKA stehen werden? Welchen Anteil davon werden solche ´toten´ Adressen bilden, deren Inhalt bereits auf einen anderen Server ´umgezogen´ ist?
Das Sperren von Internetseiten stellt doch grundsätzlich einen Eingriff in diverse Grundrechte aller Internetnutzer dar. Zur Aufnahme in die Sperrliste bedarf es der Feststellung, dass sich hinter einer Internetadresse illegales kinderpornographisches Material befindet.
Liege ich falsch in meiner Auffassung, dass es eigentlich Sache der Judikative ist , festzustellen, ob ein Handeln illegal ist und daraus resultierend, ob Grundrechtseingriffe legitim sind?
Die Aufgabe der Exekutive ist doch normalerweise nicht zu urteilen, sondern ein beanstandetes Handeln zu dokumentieren und die Entscheidung der Judikative zu überlassen.
Bitte erläutern Sie Ihre Auffassung.
Sie haben nun mehrfach beteuert, dass es rechtlich nicht möglich sein wird, die Sperrinfrastruktur für andere Zwecke als die Sperrung kinderpornographischer Inhalte zu nutzen.
Wären Sie bereit, von all Ihren politischen Ämtern zurückzutreten und Ihr Bundestagsmandat abzugeben, soweit Sie dann noch etwas davon innehaben, sollte die nun installierte Technik jemals für andere Zwecke verwendet werden?
Freundliche Grüße
Guido Friedewald
Sehr geehrter Herr Friedewald,
vielen Dank für Ihre erneuten Nachfragen.
Zu Ihren drei Fragekomplexen:
1. Wechselnde Adressen
Es ist noch nicht genau absehbar, wie viele Seiten auf die Liste kommen, da diese ja erst erstellt wird. Es gibt zwar Erfahrungen in anderen Ländern, jedoch sind die Voraussetzungen bei uns besonders hoch angelegt. Zudem soll die Liste täglich aktualisiert werden, um so zielgenau wie möglich zu sperren. So kann schnell berücksichtigt werden, wenn Adressen wechseln. Gerade wegen des häufigen Wechselns kann im Einzelfall die Sperre gegenüber dem Löschen die wirksamere Maßnahme sein, nämlich dann, wenn ein Löschen (im Ausland) kurzfristig nicht umsetzbar ist.
Die Antwort der Bundesregierung bezog sich auf illegale Listen, die möglicherweise im Internet kursieren könnten. Diese sind nach einer gewissen Zeit nicht mehr aktuell. Das spricht nicht von vornherein gegen die Erstellung einer solchen Liste durch das BKA.
2. Handeln des BKA
Im Gesetzentwurf ist ausdrücklich festgehalten, dass ein Eingriff in das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses vorliegt. Ein Eingriff kann auf Grundlage eines Gesetzes erfolgen, weil hier andere Rechtsgüter geschützt werden sollen. Dies ist miteinander abzuwägen, der Eingriff muss verhältnismäßig sein. Deshalb haben wir beispielsweise umfangreiche Datenschutzregelungen und Verwertungsverbote eingezogen.
Wie bereits in meiner Antwort an Sie vom 2. Juni näher erläutert, ist das Handeln des BKA in Bezug auf die Liste der Exekutive zuzurechnen. Sowohl für das Sperren als auch für das Löschen ist keine vorherige richterliche Überprüfung notwendig. Bereits das Verbreiten kinderpornografischer Schriften steht unter Strafe. Es geht um die Verhinderung bzw. Beendigung einer Straftat, insofern ist polizeiliches Handeln angesagt. Eine gerichtliche Überprüfung ist aber ausdrücklich möglich, wenn sich jemand in seinen Rechten verletzt sieht. Wegen der besonderen Sensibilität wird sogar eine doppelte Sicherung eingebaut, indem ein unabhängiges Expertengremium beim Datenschutzbeauftragten darüber wachen wird, dass die rechtlichen Voraussetzungen einer Sperre vorliegen.
All diese Maßnahmen dienen dazu, den Eingriff in Grundrechte so gering wie möglich zu halten.
3. Begrenzung auf kinderpornografische Inhalte
Ich möchte daran erinnern, dass auch ohne das Gesetz die Infrastruktur im Aufbau befindlich ist. Aufgrund der Verträge zwischen dem BKA und den wichtigsten Internet-Providern in Deutschland hatten sich diese bereits verpflichtet, in Kürze eine entsprechende Sperre von Seiten mit kinderpornografischen Inhalten einzurichten. Diese Verträge wurden unterschrieben, bevor es den Gesetzentwurf überhaupt gab!
Leider wird dies in weiten Teilen der Öffentlichkeit überhaupt nicht diskutiert, so dass ein völlig schiefes Bild entstanden ist.
Nur mit dem Gesetz haben wir nun die hier bereits in unterschiedlichen Antworten dargelegten Schutzbestimmungen für die Internetnutzer/innen einziehen können und die Ausdehnung auf andere Zwecke und Ziele gesetzlich ausgeschlossen.
Zwar kann ein zukünftiger Bundestag eine andere Entscheidung treffen, so oder so, je nach politischen Mehrheitsverhältnissen. Eine Ausdehnung auf andere Zwecke ist aber sicherlich durch die nun gefundene spezialgesetzliche Regelung politisch erheblich schwerer geworden als ohne Gesetz. Dies war durchaus beabsichtigt. Vor diesem Hintergrund halte ich die aus der Netz-Community vielfach geäußerte Kritik am Gesetz auch für zu kurz gegriffen.
Gerade wer eine Ausdehnung auf andere Zwecke verhindern will, sollte das Gesetz eigentlich unterstützen. Denn nochmals: Ohne das Gesetz bliebe es bei der Infrastruktur - aber eben ohne hinreichenden Datenschutz, Kontrolle der BKA-Liste und gesetzliche Begrenzung!!!
Mit freundlichen Grüßen
Martin Dörmann, MdB