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Marlies Volkmer
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Frage von Uwe C. •

Frage an Marlies Volkmer von Uwe C. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Volkmer,
Ich bin betroffener, austherapierter Schmerzpatient mit mehreren neuropathischen Schmerzformen, für die selbst Frau Sabine Bätzing den Versuch einer Dronabinol-Therapie für angezeigt halten könnte, und möchte Ihnen auch auf Grund meiner persönlichen Situation im Vorfeld der Anhörung im Gesundheitsausschuss am 15. Oktober 2008 zur medizinischen Verwendung von Cannabisprodukten folgende Fragen stellen. Zu Ihrer Information: Diese oder andere Fragen erhalten auch andere Mitglieder des Gesundheitsausschusses.
Das Bundesverwaltungsgericht schreibt in seinem Urteil vom 19. Mai 2005 (BVerwG 3 C 17.04): "In das Recht auf körperliche Unversehrtheit kann nicht nur dadurch eingegriffen werden, dass staatliche Organe selbst eine Körperverletzung vornehmen oder durch ihr Handeln Schmerzen zufügen. Der Schutzbereich des Grundrechts ist vielmehr auch berührt, wenn der Staat Maßnahmen ergreift, die verhindern, dass eine Krankheit geheilt oder wenigstens gemildert werden kann." Sollte ein 50-jähriger chronischer Schmerzpatient, der durch Cannabisprodukte Linderung erfährt, auf Empfehlung seines Arztes Cannabis verwenden dürfen?
Wie beurteilen Sie die Ergebnisse einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem Jahr 2006 zur medizinischen Verwendung von Cannabisprodukten. Danach sprechen sich 77 Prozent der Deutschen dafür aus, eine Behandlung von Schwerkranken mit natürlichen Cannabisprodukten, wie Marihuana oder Haschisch, zuzulassen. Voraussetzung ist, dass der Arzt dies befürwortet. Lediglich 11 Prozent würden dies verbieten.
Wenn Sie nicht vollständig durch klinische Studien davon überzeugt sind, dass Cannabis Schwerkranken hilft, möchte ich Sie darum bitten, zumindest die begründete Unsicherheit zuzulassen, dass es so sein könnte. Ich möchte Sie bitten, einer juristischen Tradition folgend, in diesem Zweifelsfall gesetzgeberische Milde zu Gunsten der Angeklagten und Strafverfolgten walten zu lassen.

Mit freundlichen Grüßen,
Uwe Ciecior

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Ciecior,

vielen Dank für Ihre Frage auf Abgeordnetenwatch.de.

Der Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages hat am 15. Oktober eine Anhörung zum Thema Cannabis als Medizin durchgeführt, in der umfänglich u.a. das Für und Wider einer Selbstmedikation mit Cannabis sowie die Ermöglichung des Eigenanbaus diskutiert worden ist.

Klargeworden ist, dass austherapierte Patienten mit chronischen Schmerzen erfolgreich mit Cannabis-Extrakten behandelt werden können. Das Nebenwirkungsspektrum von Cannabisprodukten ist allerdings beträchtlich: Berichtet wurden u.a.Schlaganfälle und Herzinfarkte, Bluthochdruck und Pulsbeschleunigung. Zu beachten sind nicht nur die Fälle, in denen eine Anwendung Erfolg verspricht, sondern auch Kontraindikationen: Keinesfalls angewendet werden sollten Cannabinoide von schwangeren Frauen und Heranwachsenden bis mindestens 20 Jahre. Zudem bestünde zumindest ein physisches Suchtpotenzial.

Mehrheitlich betont wurde, dass die Zulassung eines Fertig-Arzneimittels auf Basis eines standardisierten Verfahrens anzustreben sei. Wenn die erforderlichen Daten zum Beleg der pharmazeutischen Qualität, der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit vorlägen, könnte eine Zulassung erwirkt werden. Ein solches Arzneimittel wäre dann auch verordnungsfähig.

In einem Gespräch des Gesundheitsausschusses mit Vertretern der Bundesopiumstelle wurde deutlich, dass allerdings die für eine Zulassung erforderlichen Daten derzeit nicht vorliegen. Um diesem Missstand unzureichender wissenschaftlicher Erkenntnisse abzuhelfen, sei das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf Unternehmen zugegangen, die mit dem Thema Cannabis und Cannabisextrakten von der pharmazeutischen oder medizinischen Seite her befasst seien, und habe diese ermuntert, gemeinsam mit dem BfArM Studien auf den Weg zu bringen.

In beiden vorliegenden Anträgen wurde eine bessere Wirksamkeit von Cannabispflanzen-Zubereitungen gegenüber Dronabinol behauptet, die nach Aussagen mehrerer Experten nicht belegt ist. Im Gegenteil stehe die vergleichbare medizinische Wirksamkeit von Dronabinol außer Zweifel. Der subjektiv stärkere Effekt von gerauchtem Cannabis entsteht dadurch, dass der Wirkstoff rasch im Blut anflutet, bei Dronabinol kann die Wirkung 2-4 Stunden auf sich warten lassen, wenngleich die Wirkungen bei einer guten Langzeiteinstellung letztlich die gleichen sind.

Vor diesem Hintergrund wäre eine Bewertung Cannabinoid-haltiger Rezepturarzneimittel durch den Gemeinsamen Bundesausschuss zu begrüßen, was zu einer Erstattung durch die Krankenkassen führen würde.

Sie zitieren eine Allensbach-Umfrage zur medizinischen Verwendung von Cannabis, in der sich eine Mehrheit für eine Verordnungsfähigkeit durch den Arzt ausspricht. Allerdings muss man das Votum der Bevölkerung vor dem Hintergrund bewerten, dass der Fragesteller mit Sicherheit nicht die Gelegenheit hatte, mit der Frage auch die Folgen und Schwierigkeiten wie oben dargestellt zu skizzieren. Der Gesetz- und Verordnungsgeber ist dazu verpflichtet, einen hohen Gesundheitsschutzstandard zu garantieren. Regelungen wie die von den Antraggebern vorgeschlagenen stehen dem entgegen.

Vor diesem Hintergrund hat der Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages in der Sitzung am 3.12.2008 beschlossen, beide Anträge der Opposition abzulehnen.

Sehr geehrter Herr Ciecior, ich kann verstehen, dass die derzeitige Situation für die Betroffenen sehr belastend und unbefriedigend ist. Leider sehe ich im Moment keine kurzfristig wirksamen Maßnahmen, um dem Missstand Abhilfe zu verschaffen. Auf jeden Fall muss das Antragsverfahren beim BfArM zur Ausnahmegenehmigung noch einmal gründlich auf den Prüfstand gestellt werden. Aufwand und Wartezeiten erscheinen mir für die Betroffenen unzumutbar.

Mit freundlichen Grüßen
Marlies Volkmer