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Marlies Volkmer
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Frage von Patrick S. •

Frage an Marlies Volkmer von Patrick S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau, Dr. Marlies Volkmer

können Sie mir erklären, wie Sie zum Bestandsdatengesetz abstimmen/ abstimmen werden und warum es notwendig ist, diese sensiblen Daten für staatliche Stellen einsehbar zu machen? Außerdem interessiert es mich, warum meine Grundrechte als freier Bürger eingeschränkt werden, da ich nicht selber über meine Daten entscheiden darf?

Ich hoffe sie finden Zeit mir eine Antwort zukommen zu lassen.

Mit freundlichen Grüßen

P.Seidel

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Seidel,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich kann Ihr Interesse an diesem Thema sehr gut nachvollziehen, weshalb ich Ihnen gerne darstellen möchte, aus welchen Gründen die SPD-Fraktion am Donnerstag, dem 21.03.2013 dem Gesetz zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft im Plenum des Deutschen Bundestages zugestimmt hat. Die SPD-Bundestagsfraktion ist davon überzeugt, dass sie das „Gesetz zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes und zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft“ (Drs.17/12034) in der jetzigen Fassung mit gutem Gewissen vertreten kann, denn es wurde mit einem gemeinsamen Änderungsantrag der CDU/CSU-, FDP- und SPD-Fraktion im Bundestag beschlossen. Es ist meiner Fraktion gelungen, die Regierungskoalition von deutlichen Verbesserungen im Rechtschutz für die Betroffenen zu überzeugen: Auf Initiative der SPD enthält das Gesetz jetzt u.a. Regelungen zu Benachrichtigungspflichten und einen Richtervorbehalt für besonders sensible heimliche Maßnahmen.
Eine Neuregelung der Bestandsdatenauskunft war zwingend erforderlich: Mit der Gesetzesnovelle muss bis Ende Juni 2013 ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt werden. Die Bestandsdatenauskunft regelt, dass Telekommunikationsanbieter den zuständigen Stellen Auskunft zu den bei ihnen gespeicherten Kundendaten geben müssen, wenn dies im Einzelfall erforderlich ist. In keinem Fall erhalten die Behörden aber Informationen über konkrete Verbindungsdaten (also Verkehrsdaten im Gegensatz zu Bestandsdaten), d.h. wer wann mit wem telefoniert hat oder wo sich ein Handy zu einer bestimmten Zeit befunden hat. Eine „Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür“ ist es also gerade nicht. Dabei reichen die Anwendungserfordernisse von der Aufklärung von Kinderpornographie im Netz bis zur Ermittlung des Telefonanschlussinhabers zur Rettung bei angekündigtem Suizid. Daher wird die grundsätzliche Notwendigkeit der Bestandsdatenauskunft nicht in Frage gestellt. Diese Einschätzung teilt explizit auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, in seiner Stellungnahme in der Anhörung des Deutschen Bundestages am 11.03.2013: „Dabei bin ich mir der grundsätzlichen Notwendigkeit der Bestandsdatenauskunft als Mittel einer effektiven Strafverfolgung durchaus bewusst“.
Die schwarz-gelbe Regierungskoalition hatte den Regierungsentwurf eines „Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes und zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft (Drs.17/12034) spät, fast zu spät, vorgelegt. Dieser Regierungsentwurf adressierte ganz eng nur die Korrekturanforderungen des Verfassungsgerichts. Man plante eine Minimalumsetzung dessen, was man gerade noch für verfassungsrechtlich vertretbar hielt. Das ging uns als SPD-Fraktion nicht weit genug. Wir haben nachträglich das rechtstaatliche Fundament unter den Rohbau des Koalitionsentwurfs zur Bestandsdatenauskunft gegossen. Durch den von der SPD-Fraktion maßgeblich mitverantworteten Änderungsantrag im Bundestag wurde der Anwendungsbereich der Bestandsdatenauskunft insgesamt klarer gefasst. In den bundesgesetzlichen Rechtsgrundlagen gibt es jetzt bei Auskünften über dynamische IP-Adressen und über Zugangssicherungscodes Benachrichtigungspflichten, bei heimlichen Auskünften auf Zugangssicherungscodes zusätzlich einen Richtervorbehalt bzw. eine Befassung der G10-Kommission. Zur weiteren Entwicklung des Standards IPv6 wurde eine Berichtspflicht der Bundesregierung festgeschrieben. Vor allem durch die jetzt aufgenommenen Benachrichtigungspflichten haben Betroffene jetzt die Gewähr, gegen ihrer Ansicht nach rechtswidrige Auskünfte effektiven Rechtsschutz in Anspruch nehmen zu können.
Teilweise wird noch kritisiert, dass es eine Eilfallregelung gibt, die eine Abfrage von Zugangssicherungscodes ohne Richtervorbehalt ermöglicht. Das ist allerdings eine übliche Standardregelung, die es an vielen Stellen zum Beispiel in der Strafprozessordnung gibt. Auch im Eilfall ist die gerichtliche Entscheidung zudem unverzüglich nachzuholen, so dass das Erfordernis einer Prüfung durch einen Richter selbst im Eilfall gerade nicht umgangen werden kann. Für den Zugriff durch Nachrichtendienste ist – im Einklang mit der sonstigen Rechtssystematik – eine Kontrolle durch die G10-Kommission sichergestellt, die als unabhängiges und an keine Weisungen gebundenes Organ über die Zulässigkeit der durch die Nachrichtendienste des Bundes durchgeführten Beschränkungsmaßnahmen im Bereich des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses zu befinden hat. Die Behauptung mancher, dass bei einer Beschlagnahme beispielsweise eines Mobiltelefons der Richtervorbehalt entbehrlich sei, ist unzutreffend: Selbstverständlich steht bereits die Beschlagnahme selbst unter einem Richtervorbehalt. Es wurde lediglich darauf verzichtet, den Sachverhalt doppelt durch einen weiteren Richter erneut prüfen zu lassen. Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass auch Ordnungswidrigkeiten ein Anlass zur Einholung einer Bestandsdatenauskunft sein können: Ordnungswidrigkeiten sind nicht immer nur Lappalien, sondern können schwere Rechtsverstöße zum Beispiel im Wirtschaftsrecht oder beim Datenschutz betreffen. Selbstverständlich müssen dann auch Telekommunikationsbestandsdaten des Betroffenen ermittelt werden können. Das ist, anders als dies vereinzelt behauptet wird, auch nicht verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zur Bestandsdatenauskunft dazu ausdrücklich erklärt: „Angesichts des für sich gesehen begrenzten Informationsgehalts der betreffenden Daten sowie ihrer großen Bedeutung für eine effektive Aufgabenwahrnehmung ist diese Weite der Vorschrift jedoch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.“ (BVerfG, 1 BvR 1299/05 vom 24.1.2012, Absatz-Nr. 177, http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20120124_1bvr129905.html ) Sie haben dementsprechend keinen Grund zur Sorge, dass es zu einer verfassungswidrigen Einschränkung Ihrer Grundrechte kommt.
Sicher kann man sich immer mehr wünschen und selbstverständlich ist es ein Kompromiss. Aber es ist ein guter Kompromiss. Wenn wir uns wie Grüne und Linke auf die pauschale Ablehnung des Regierungsentwurfs der schwarz-gelben Koalition beschränkt hätten, gäbe es jetzt wohl keine einzige der vielen Verbesserungen des Gesetzes. Das können wir zu Recht auf der Erfolgsbilanz der SPD notieren. Nach außen haben wir dies nun mit dem gemeinsamen Änderungsantrag und unserer Zustimmung zu dem Gesetzesentwurf in der dann geänderten Fassung dokumentiert.

Ich hoffe ich konnte Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen und verbleibe

mit freundlichen Grüßen.

Dr. Marlies Volkmer