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Marlies Volkmer
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Frage von Franziska W. •

Frage an Marlies Volkmer von Franziska W. bezüglich Verkehr

Sehr geehrte Frau Dr. Volkmer,

ich würde gerne wissen, wie sie zur geplanten Privatisierung der Bahn stehen.
Die Folgen der Bahnprivatisierung in Großbritannien kann man mit Recht als gänzlich negativ beurteilen.
Müssen die Fehler anderer Regierungen wiederholt werden?

Mit freundlichen Grüßen,
Franziska

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Wende,

vielen Dank für Ihre Frage auf abgeordnetenwatch, in der Sie Ihre Bedenken gegen die geplante Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG (DB AG) zum Ausdruck bringen. Wegen der großen Zahl von Anfragen, die mich zu dieser Frage erreicht haben, bitte ich um Verständnis dafür, dass ich Ihnen nicht individuell antworten kann.

Der am 24. Juli 2007 von der Bundesregierung formell beschlossene Gesetzentwurf zur „Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes“ ist vor kurzem offiziell dem Deutschen Bundestag zugeleitet worden, so dass sich sowohl die Fraktionen als auch der Verkehrsausschuss des Bundestages in Kürze detailliert mit dem Teilprivatisierungsvorhaben auseinandersetzen werden.

In den nächsten Jahren wird der Verkehr deutlich zunehmen. Die Bereitstellung einer bedarfsgerechten Transportinfrastruktur wird in Zukunft noch Bedeutung gewinnen. Wir wollen, dass der Schienenverkehr eine große und entscheidende Rolle bei dieser Zukunftsaufgabe einnimmt. Dies geht aber nicht ohne eine zusätzliche Kapitalausstattung. Mit der Teilprivatisierung der Bahn soll neues Kapital mobilisiert werden.

Gleichzeitig hat sich die SPD-Bundestagsfraktion immer für den Erhalt und die Entwicklung eines integrierten Eisenbahnkonzerns in Deutschland ausgesprochen – nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dadurch die Arbeitsplätze bei der Bahn erhalten zu können. Der Erhalt des integrierten Konzerns ermöglicht den Erhalt des internen Arbeitsmarktes unter Wahrung des bislang bestehenden Beschäftigungsbündnisses und schafft somit Sicherheit für die derzeit rund 230.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bahn.

Ich bezweifle allerdings, dass eine Teilprivatisierung auf dem vorgeschlagenen Wege politisch und ökonomisch sinnvoll sein kann. Der Bundestag hat sich aus gutem Grund bei der ersten Bahnreform 1993/1994 darauf geeinigt, einen Infrastrukturauftrag des Bundes im Grundgesetz zu verankern, demzufolge das Schienennetz und ein funktionierender Eisenbahnbetrieb in Nah-, Fern- und Güterverkehr innerhalb Deutschlands einen unverzichtbaren Bestandteil öffentlicher Daseinsvorsorge darstellt, der nicht den Renditeerwägungen globaler Kapitalmärkte ausgesetzt werden darf. Kernaufgabe der Deutschen Bahn ist es, eine breite, flächendeckende Verkehrsversorgung mit öffentlicher Mobilität in Deutschland sicherzustellen.

Meines Erachtens schöpft der nun von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf nicht alle Möglichkeiten zur Vermeidung einer Interessenkollision zwischen dieser grundgesetzlichen Infrastrukturverantwortung des Bundes und der beabsichtigten Teilprivatisierung vollständig aus. So habe ich beispielsweise die Sorge, dass man nicht mehr von einem wirksamen staatlichen Eigentum an der Schieneninfrastruktur sprechen kann, wenn man einer teilprivatisierten DB AG das wirtschaftliche Eigentum an dieser Infrastruktur verleiht und der DB AG damit die volle Verfügungsmacht darüber zubilligt.

Zum anderen sollte meines Erachtens in einem Privatisierungsgesetz zwingend festgeschrieben werden, dass alle Mitglieder in den Aufsichtsräten der DB AG sowie ihrer Eisenbahninfrastrukturunternehmen vom Bund gestellt werden müssen und folglich kein privater Investor über ein Aufsichtsratsmandat Einfluss auf die Ausrichtung der DB AG nehmen darf.

Als weiteren zentralen Diskussionspunkt betrachte ich den derzeit vorgesehenen Wertausgleich. Dieser muss dann vom Bund an die Deutsche Bahn AG geleistet werden, wenn der Bahnkonzern die Schieneninfrastruktur nach einer anfänglichen Laufzeit von 15 Jahren nicht mehr bewirtschaften soll. Mit dieser Regelung soll die Reversibilität der von der Bundesregierung beabsichtigten Strukturentscheidung sichergestellt werden.

Dabei muss gewährleistet sein, dass ein Wertausgleich die DB AG lediglich für die von ihr eingesetzten und noch nicht abgeschriebenen Eigenmittel entschädigt, denn nur auf diese Weise kann die Umkehrbarkeit der Strukturentscheidung auch faktisch sichergestellt werden. Zudem sollte innerhalb des weiteren Beratungsverfahrens geprüft werden, ob die Privatisierungserlöse im Falle eines Börsengangs Eingang finden könnten in einen Sicherungsfonds, der die finanzielle Handlungsmöglichkeit des Bundes bei Rückfall der Infrastruktur an den Bund sicherstellt und einen Wertausgleich finanziell ermöglicht.

Ich unterstütze die Überlegung einer Volksaktie, die im SPD-Parteivorstand und innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion auf große Unterstützung stößt und im Verlauf der parlamentarischen Beratung geprüft werden soll. Im Kern sieht das Modell vor, stimmrechtslose Vorzugsaktien auszugeben: Inhaber solcher Aktien verfügen über kein Stimmrecht in Gesellschafterversammlungen, erhalten jedoch im Gegenzug eine garantierte Mindestverzinsung von fünf Prozent, was die Volksaktie sogar attraktiver als Bundesanleihen machen würde.

Gleichzeitig wären die Kosten des auf diese Weise gewonnenen Kapitals für die DB AG erheblich niedriger als die Renditeansprüche strategischer Investoren. Vor allem hätte die Ausgabe solcher Aktien jedoch zur Folge, dass der Bund Privatisierungserlöse vereinnahmen kann, ohne jedoch die staatliche Kontrolle aus der Hand zu geben, denn das Stimmrecht in der Hauptversammlung liegt allein beim Bund. Damit unterscheidet sich der jetzige Volksaktienvorschlag von den ebenfalls als Volksaktie bezeichneten Anteilen der Deutschen Telekom, die jedoch keine Vorzugsaktien waren und somit auch keine garantierte Mindestverzinsung beinhaltet haben.

In dem nun beginnenden parlamentarischen Beratungsverfahren werden wir als Fraktion den uns vorgelegten Gesetzentwurf sehr genau prüfen. Dazu gehört gerade für mich auch die Prüfung, inwiefern der erhöhte Eigenkapitalbedarf der DB AG nicht auch aus dem Bundeshaushalt oder aus dem Unternehmen selbst geleistet werden kann, beispielsweise durch die Veräußerung von Beteiligungen oder entbehrlichen Immobilien oder anderer stiller Reserven.

Ich gehe davon aus, dass die SPD-Bundestagsfraktion einer Bahnreform nur dann zustimmen wird, wenn das öffentliche Eigentum an der Schieneninfrastruktur geschützt ist. Der SPD-Bundesparteitag in Hamburg beschäftigt sich mit der Bahnreform. Bislang haben sich neun SPD-Landesverbände eindeutig gegen einen Börsengang ausgesprochen. Leitlinie für das weitere Gesetzgebungsverfahren und Entscheidungskriterium für die Position der SPD-Bundestagsfraktion wird der Beschluss des Parteitages sein.

Mit freundlichen Grüßen

Marlies Volkmer