Frage an Marlies Volkmer von Gerrit K. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Dr. Volkmer,
mit Interesse lese ich Ihre Beiträge und habe mich insbesondere über die Bemerkung zur Lobbyarbeit der PKV´en gefreut. Zum Einen, weil die PKV´en das Solidarsystem entsolidarisieren. Wenn Besserverdienende und Motivierte sich aus dem Solidarsystem verabschieden dürfen, dann ist System eben nicht solidarisch. Und zur Lobbyarbeit fallen mir auch einige Fragen ein, die aber den Rahmen sprengen würden. Doch eine Frage sei mir erlaubt. Warum gelingt es den Lobbyisten jeden vernünftigen Ansatz einer Gesundheitsreform zu zerstören ohne das ihr Einfluss zurückgedrängt wird?
Doch nun zu meiner eigentlichen Frage. Die Ärztestreiks sind uns noch in lebendiger Erinnerung, auch wenn es nicht immer Ärzte waren, die da streikten. Der Ärztetarif, den die Ärztegewerkschaft erstreikte, soll, zumindest in der kommunalen Variante, auch in unserem Hause eingeführt werden. Dieses würde alleine für den oberärztlichen Bereich eine Steigerung der Personalausgaben von 500.000 €/Anno ausmachen. Meine Frage lautet, wie diese Summen finanziert werden soll. Übernimmt die Solidargemeinschaft, also der Versicherte, auch diese Kosten, oder werden Kliniken verpflichtet die Kosten über weitere Personaleinsparungen gegenzufinanzieren?
Herzlichen Dank
G. Kaiser
Sehr geehrter Herr Kaiser,
vielen Dank für Ihre Frage(n) vom 30. Januar.
Aus meiner Sicht ist Interessenvertretung durch Verbände und Vereine ein konstituierender Bestandteil einer gelebten und aktiven Demokratie. Auch Lobbyismus ist nicht per se zu verurteilen. Entscheidend ist, wie die Politik damit umgeht.
Während der Beratungen über die Gesundheitsreform waren die Verbände auf der einen Seite sehr hilfreich, indem sie eindringlich auf Probleme im Gesetzestext aufmerksam gemacht haben. Auf diesem Weg konnte der vorhandene Sachverstand in den Gesetzgebungsprozess eingebracht werden.
Auf der anderen Seite vertreten viele Organisationen, deren Mitglieder im Gesundheitswesen häufig sehr viel Geld verdienen, natürlich in erster Linie die (finanziellen) Interessen ihrer Mitglieder. Da kommt es schon vor, dass die geäußerten Sorgen um das Wohl der Patienten in Wirklichkeit dem eigenen Geldbeutel gelten. Und irgendwann ist der „Druck von der Straße“ so groß, dass die Politik ihm nachgibt – auch wenn die Demonstranten nur gemietet und die vermeintlich authentischen Protestbriefe der Bürger vom Verband gelenkt sind.
Wenn aufgrund erfolgreichen Lobbyismus vernünftige und sachgerechte Lösungen nicht zustande kommen, ist das nicht nur schade, sondern auch bedenklich. Im Fall der PKV muss einfach konstatiert werden, dass die Lobbyarbeit sehr erfolgreich war und die PKV erneut darum herumkommen ist, einen solidarischen Beitrag zur Finanzierung des Gesundheitswesens zu leisten. Daraus darf aber nicht vorschnell geschlussfolgert werden, dass Interessenvertretung und Lobbyismus generell schlecht sind, denn wir brauchen den politischen Dialog mit den und innerhalb der Verbände und Vereine. Nur so kann eine Zivilgesellschaft dauerhaft bestehen.
Nun zu Ihrer eigentlichen Frage: Die Krankenhäuser müssen die Tarifabschlüsse mit dem Marburger Bund selbst gegenfinanzieren. Sie bekommen weder von der GKV noch von der PKV deswegen mehr Geld. Das Anliegen der Krankenhausärzte, für hoch qualifizierte Arbeit, extensive Arbeitszeiten und hohe physische und psychische Belastungen eine angemessene Bezahlung zu erhalten, ist mehr als verständlich. Es muss allerdings festgestellt werden, dass die Krankenhausärzte auch vor den neuen Tarifverträgen nicht schlecht verdient haben. Nun steht zu befürchten, dass die Krankenhäuser an anderen Stellen – z.B. beim Pflegepersonal – sparen werden. Eine krankenhausinterne Einkommensumverteilung zu Gunsten der gut Verdienenden und zu Lasten der geringeren Einkommensgruppen sehe ich kritisch.
Für weitere, die Heidelberger Krankenhäuser betreffende Fragen verweise ich Sie gerne an meinen Kollegen Lothar Binding.
Mit freundlichen Grüßen
Marlies Volkmer