Frage an Marlies Volkmer von Wilfried M. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Kollegin Volkmer,
immer wieder kommt es zu folgenreichen Beurteilungs- Differenzen psychiatrischer Gutachter.
Ich erinnere an die Aufklärung der hess. Steuerfahnderaffäre (1), die Probleme im Fall des Massenmörders Breivik (2) sowie den Fall des Gustl Mollath in Franken, wo z.B. das Gutachten unseres Kollegen, des Bundesverdienstkreuz- Trägers und Vorsitzenden der Walter-von Baeyer-Gesellschaft für Ethik in der Psychiatrie Dr. med. Friedrich Weinberger, vom Gericht nicht akzeptiert wurde (3). Ein weiterer anerkannter Psychiater (Prof. Dieckhöfer) sieht in einem die letzte Entscheidung im Fall Mollath begründenden Gutachten des Kollegen Prof. Pfäfflin "bisheriges wissenschaftliches Denken in der Psychiatrie … auf den Kopf" gestellt, was aber offenbar auch bis jetzt folgenlos blieb (4).
Was halten Sie angesichts dieser Probleme, die doch auch auf gravierende Sorgfaltsmängel bei der Befunderhebung und - Interpretation hindeuten, von der Pflicht, alle Explorationsgespräche von vollständig videografieren zu lassen?
Vor Jahren versuchte ich Gutachter zu ermutigen, dieses Vorgehen jedenfalls auf Wunsch des Probanden bzw. Patienten zu wählen und bezog mich auf eine Arbeit des Juristen JANOVSKY. Mein Vorschlag mit Begründungen findet sich bei (5).
Was halten Sie also von einer gesetzlich verpflichtenden Videografie?
Mit frdl. kolleg. Gruß
Dipl. med. W. Meißner
Psychiater, Psychotherapeut und Anatom
1) http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/hessen/steuerfahnder-affaere-zwangspensionierte-beamte-verklagen-psychiater-1574948.html
2) http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/schlussplaedoyer-in-oslo-staatsanwalt-breivik-ist-nicht-zurechnungsfaehig/6780804.html
3) http://www.br.de/themen/aktuell/inhalt/psychiatrie-zweifel-unterbringung-steuerhinterziehung-mollath100.html
4) http://www.psychiatrie-und-ethik.de/wpgepde/debatte-im-rechtsausschus-des-bayerischen-landtags-zum-fall-gustl-mollath/
5) http://www.gwg-gutachten.de/ForumOld/100177934680.htm
Sehr geehrter Herr Meißner,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Videoaufnahmen werden weder in Gerichtsverfahren, noch bei staatsanwaltschaftlichen oder polizeilichen Vernehmungen eingesetzt. Meiner Ansicht nach gibt es keinen Grund, das im Gutachtenverfahren anders zu regeln.
Der Gutachter bezieht sich bei einer Einschätzung der Schuldfähigkeit immer auf einen Gesamteindruck, diesen kann man durch die Aufzeichnung von Gesprächen weder abschließend begründen noch widerlegen. Schließlich geht es um die Schuldfähigkeit zum Zeitpunkt der Straftat und nicht um die während der Exploration. Weiterhin ist keine Diagnose zwingend mit Schuldfähigkeit bzw. -unfähigkeit verbunden, es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalls zum Tatzeitpunkt an. Folglich sind die von Ihnen abgesprochenen unterschiedlichen Einschätzungen der Gutachter nicht verwunderlich. Sie würden sich aber auch durch Videoaufzeichnungen nicht vermeiden lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Marlies Volkmer