Frage an Marlies Volkmer von Joachim P. bezüglich Deutsche Einheit / Innerdeutsche Beziehungen (bis 1990)
Liebe Marlies Volkmer,
Bundeskanzler Gerhard Schröder trat in der Elefantenrunde am 18.09.05 besonders robust und fordernd gegenüber Angela Merkel auf, obwohl er die Mehrheit von der Mitte - Links ausdrücklich lt. Ludwig Stiegler ( Beckmann, zdf 22.09.05 )gar nicht zur Entfaltung bringen will.
FRAGE:Ist dieser robuste Auftritt von Gerhard Schröder ein starkes Signal an uns alle, daß es angesichts unserer Problemlage von Aufbau-Ost über Bildung, Verarmung der öffentlichen Haushalte und absehbare weitere Verschuldung, Reformzwang der föderativen Strukturen, neue finanzielle Aufstellung gegenüber der EU und in der Außenpolitik für mindestens 2 Jahre gar nicht um kleine, große Koalitionen oder irgendwelche Ampel - Projekte geht, sondern darum, in einer Allparteienkoalition von links über die Mitte bis nach rechts alle im Bundestag vertretenen Parteien in die Verantwortung zu nehmen, ohne Chance, sich aus der strukturellen Not unserer Gesellschaft und unsere Staates ein eigenes Süppchen zu kochen?
Wenn dem so ist, bietet es sich nicht geradezu an, diese Allparteienkoaltion zu Beginn unter die Führung von Gerhard Schröder als Bundeskanzler zu stellen?, damit wir endlich die innere Einheit als politisches Ziel aller Parteien, Verbände, Gewerkschaften, Unternehmen identifizieren und eine Allianz aller gesellschaftlichen Kräfte zustande bringen, zu der Helmut Kohl der politische Wille, Mut und das Format fehlte?
Ist es da nicht ein Segen für unser Volk, daß sich Oskar Lafontaine, Gregor Gysi u.a. auf den Weg gemacht haben, politische Formationen in Ost wie West aus ihrem Ghetto zu holen und erfolgsgerichtet im Deutschen Bundestag zu vereinigen? Wenn dem so ist, warum sieht sich Gerhard Schröder bisher außerstande dieses Ziel in einer gewinnenden Haltung gegenüber Angela Merkel, Guido Westerwelle, Edmund Stoiber, Joschka Fischer , Oskar Lafontaine, Björn Engholm, Klaus von Dohnany, Henning Scherf, Klaus Wowereit , Klaus Steinbrück u.a. anzustreben? Danke!
Sehr geehrter Herr Petrick,
vielen Dank für Ihre Frage auf Kandidatenwatch. Bis zum 18. September
habe ich für eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition gekämpft, weil in
dieser Konstellation die Umsetzung der von mir für richtig und nötig
gehaltenen Politik am besten möglich ist. Dieses Ziel ist nun nicht mehr
erreichbar. Ich versuche deshalb, die SPD-Fraktion so stark wie möglich
zu machen. Damit in einer großen Koalition so viel wie nur möglich von
unseren Zielen umgesetzt werden kann. Bei der gegebenen Konstellation
ist die große Koalition die beste Chance auf stabile Verhältnisse. Und
die brauchen wir.
Eine „Allparteienkoalition“ halte ich nicht für realisierbar. Ich denke
außerdem, dass sie eine Vergrößerung des Problems wäre, nicht seine
Lösung. Es gibt keine Demokratie ohne Opposition. Deshalb halte ich
schon eine große Koalition für problematisch, wenn auch gerade noch
akzeptabel.
Wenn alle bereit sein sollen, an einem Strang zu ziehen, setzt das
voraus, dass alle dasselbe Ziel verfolgen. Das ist in der Politik
niemals so. Die Parteien haben unterschiedliche politische Ziele und
wollen deshalb unterschiedliche Maßnahmen ergreifen. Da ist die Einigung
schon zwischen zwei Beteiligten kaum möglich.
Im Unterschied zu früheren Wahlen gibt es keinen Gewinner. Beide großen
Fraktionen haben gegenüber der letzten Wahl Stimmen eingebüßt. Auch
haben beide Lager eingebüßt. Sowohl Rot/Grün als auch Schwarz/Gelb haben
keine Mehrheit erreicht. Eine Regierungskoalition zu bilden wird nur
lagerübergreifend möglich sein. Das ist ungewohnt und alle Politiker
üben noch. Und versuchen sich eine möglichst günstige Ausgangsposition
zu verschaffen. Das ist legitim und es kann den jeweiligen Wählerinnen
und Wählern nur recht sein, wenn möglichst viele von den von ihnen
gewählten Inhalten umgesetzt werden.
Ich bin der Meinung, dass es jetzt vor allem auf die Inhalte der Politik
ankommt. Die SPD ist mit einem Wahlmanifest in den Wahlkampf gezogen,
das an den Erfolgen anknüpft und an einem sozialen, gerechten,
weltoffenen und friedliebenden Deutschland weiterarbeitet.
Für diese Politik kämpfe ich bis zum 2. Oktober in Dresden I um jede
Stimme. Bitte gehen auch Sie zur Wahl. Ich würde mich freuen, wenn Sie
Erst- und Zweitstimme wieder der SPD und mir gäben.
Mit freundlichen Grüßen
Marlies Volkmer
P.S. Ich halte Herrn Gysi und Herrn Lafontaine in keiner Weise für
beispielgebend. Menschen, die ihr Amt aufgeben, wenn es schwierig wird,
statt sich den Aufgaben zu stellen, halte ich eher für ein
abschreckendes Beispiel.