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Frage von Anke L. •

Frage an Marlies Volkmer von Anke L. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Dr. Volkmer,

erst kürzlich beschäftigte ich mich mit Gesundheitssystemen im europaweiten Vergleich. Dabei waren für mich besonders die Systeme der skandinavischen Länder interessant. Dort werden bekanntlich die Gesundheitsleistungen größtenteils über Steuern (z. B. Einkommenssteuer) finanziert.

Angesichts der demografischen Entwicklung unserers Landes wird in den Sozialversicherungen (insbesondere KV, RV, AV) das Gleichgewicht aus Beitragszahlern und Leistungsempfängern kaum mehr aufrecht erhalten werden können. Was meinen Sie, wäre es auch für Deutschland denkbar oder gar absehbar, in Zukunft z. B. staatliche Krankenkassen einzuführen, die teilweise oder ganz aus steuerlich eingehobenen Beiträge finanziert werden? Über Steuern würden deutlich größere Anteile der Bevölkerung erreicht, wobei dann u. a. auch Beamte sowie Selbstständige einbezogen werden.

Ihre Antwort interessiert mich sehr und ich danke Ihnen im Voraus für Ihre Bemühung zur Beantwortung meiner Frage.

Mit freundlichen Grüßen
A. Lehmann

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Sehr geehrte Frau Lehmann,

vielen Dank für Ihre Frage auf abgeordnetenwatch.de.

Es ist nicht einfach, die Gesundheitssysteme verschiedener Staaten zu vergleichen und Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten. Steuerfinanzierte Systeme haben Vorteile gegenüber beitragsfinanzierten, aber eben auch Nachteile. Eine umfassende Analyse kann ich Ihnen an dieser Stelle nicht bieten, allenfalls einige Anmerkungen.

Zunächst ist es nicht sinnvoll, nur die Finanzierung eines Gesundheitssystem zu betrachten, ohne die Leistungsseite einzubeziehen. Fakt ist, dass die Leistungen des deutschen Systems, das auf Beiträgen beruht, den Leistungen steuerfinanzierter Systeme wie Großbritannien oder von Ländern Skandinaviens überlegen sind. Dies gilt v.a. für den Zugang zur ärztlichen Versorgung und für Wartezeiten.

Unser heutiges System ist historisch gewachsen: Die deutsche Krankenversicherung basiert seit der Bismarckschen Sozialgesetzgebung auf dem System von Beiträgen. Tatsächlich hat eine Finanzierung über Beiträge viele Vorteile:

- Die Versicherten zahlen entsprechend ihrem Einkommen. Negativ ist, dass andere Einkommensarten bei der Beitragsbemessung nicht berücksichtigt werden.
- Die Arbeitgeber sind daran beteiligt. Negativ ist, dass die Parität nicht mehr gewährleistet ist.
- Der Finanzminister hat keinen Einfluss auf die durch Beiträge erhobenen Mittel. Das gewährleistet eine Kontinuität der Finanzierung.

In den letzten Jahren ist der Anteil der Steuermittel zur Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung beständig gewachsen. Begründet war dies darin, dass versicherungsfremde Leistungen, die im gesamtgesellschaftlichen Interesse liegen (z.B. Mutterschaftsgeld), auch von der Allgemeinheit finanziert werden sollten.

Die Diskussion um eine stärkere Steuerfinanzierung des Gesundheitswesens hat inzwischen eine neue Dynamik erhalten. Die SPD-Arbeitsgruppe zur Entwicklung eines Bürgerversicherungsmodells hat Ende des letzten Jahres bekannt gegeben, dass sie mehr Steuermittel für das Gesundheitssystem präferiert, um alle Einkommen unbürokratisch und sozial gerecht an der Finanzierung zu beteiligen. Dies soll gewährleisten, dass auch die hohen Einkommen und Vermögen gerecht einbezogen werden.

Die Arbeitsgruppe argumentiert, dass eine nachhaltige Finanzierung der Bürgerversicherung neben paritätischen Beiträgen der Versicherten auf Erwerbseinkommen am besten über Steuermittel erreicht werden könne. Eine steuerliche Einbeziehung anderer Einkünfte sei effizienter und umfassender als der Weg über eine Verbeitragung von Miet-, Zins- und Kapitalerträgen. Die Projektgruppe der SPD berechnet derzeit mehrere Modelle, die Ergebnisse werden im April 2011 vorliegen.

Mit freundlichen Grüßen

Marlies Volkmer