Frage an Marlies Volkmer von Anke L. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Dr. Volkmer,
Deutschland gehört zu den Ländern, wo über 50 % der Bevölkerung übergewichtig sind.
http://www.focus.de/gesundheit/ernaehrung/gesundessen/tid-8767/uebergewicht_aid_236175.html .
Dabei steht Sachsen leider auf den oberen Rängen. Übergewicht führt zu einer Reihe von schwerwiegenden Folgeerkrankungen sowie Folgekosten im Gesundheitswesen. Daher bin ich der Meinung, dass in der Gesundheitsversorgung zukünftig unbedingt der Schwerpunkt auf Prävention statt die Behandlung von Folgeerkrankungen gesetzt werden sollte. Dies sollte sich auch in der Ausbildung von Ärzten (und sonstigen Gesundheitsberufen) sowie ihrer Honorare wiederspiegeln.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, Ärzte-Honorare in erster Linie nach Behandlungsqualität i. S. von Prävention, Gesundheitsförderung, Ernährungsberatung auszurichten? Sollten Ärzte lieber Fitnessgutscheine statt Medikamentenrezepte verschreiben? Vielleicht wäre das in Kooperation mit speziellen Sportvereinen, Fitnessstudios etc. mit entsprechend qualifiziertem Personal möglich? Oder häufigere Durchführung von Bewegungs-/Ernährungsstudien, in die möglichst viele Bürger einer Region einbezogen werden können?
Vielen Dank für Ihre Antwort im Voraus und freundliche Grüße
Anke Lehmann
Sehr geehrte Frau Lehmann,
vielen Dank für Ihre Frage auf abgeordnetenwatch.de.
Ich stimme Ihnen zu, dass Prävention im Gesundheitswesen generell ein größeres Gewicht haben sollte. Deshalb hat sich die SPD auch immer für die Einführung eines Präventionsgesetzes eingesetzt, was leider am Widerstand der Union gescheitert ist. Über die Schaffung eines Präventionsgesetzes hinaus müssen nach meiner Auffassung alle relevanten Gesetze darauf überprüft werden, mit welchen Anreizsystemen ein Beitrag zu mehr Prävention geleistet werden kann.
Sie fragen nach den Möglichkeiten, Ärzte-Honorare an der Behandlungsqualität i. S. von Prävention, Gesundheitsförderung, Ernährungsberatung auszurichten. Im Bereich der Ärztehonorierung ist der Gesetzgeber lediglich für einen groben gesetzlichen Rahmen zuständig. Die Ausgestaltung der Details, nämlich wie viel ein Arzt für welche Leistung erhält, definiert die Selbstverwaltung aus Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen.
In diesem Jahr hat bereits eine große Reform der Ärztehonorare stattgefunden. Mittlerweile stellt die Kassenärztliche Bundesvereinigung Überlegungen an, diese Reform weiterzuentwickeln, u.a. indem die Vergütung stärker an Qualitätsaspekten orientiert wird. Dabei könnte auch ein Schwerpunkt auf Gesundheitsförderung gelegt werden.
Eine solche Änderung muss in den zuständigen Gremien sorgfältig diskutiert werden, denn mehr Geld wird dafür nicht für die ärztliche Vergütung zur Verfügung stehen. Der Gesetzgeber wäre damit übrigens nicht befasst, da eine Gesetzesänderung für derartige Änderungen nicht erforderlich wäre.
Ihre zweite Frage legt den Schluss nahe, Sie nehmen an, dass Ärzte zu viele Medikamente verschreiben statt auf Bewegungsangebote zu setzen. Fest steht, dass die Arzneimittelversorgung sich daran orientiert, welche Medikamente einen nachgewiesenen Nutzen haben. Bei verschiedenen Arzneimitteln, z.B. den Lipidsenkern (Mittel zur Senkung der Bluttfettwerte), ist ein Nutzen bei einer Anwendung als Mittel der Primärprävention nicht nachgewiesen. Deshalb dürfen diese Arzneimittel auch nur bei Risikopatienten eingesetzt werden.
Einmal davon abgesehen haben die Ärzte durch die Arzneimittelvereinbarungen zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen einen sehr großen Anreiz, wirtschaftlich zu verordnen, also nur die Arzneimittel zu verschreiben, die medizinisch erforderlich sind.
Zudem können Ärzte schon heute Bewegungsprogramme der Krankenkassen empfehlen. Meist sind diese gekoppelt an Bonusprogramme und aus diesem Grund für die Patienten attraktiv.
Ich bin skeptisch, ob Bewegungs- und Ernährungsstudien häufiger durchgeführt werden sollten, zumal schon eine große Anzahl derartiger Untersuchungen vorliegt. Studien können auch zu statistisch signifikanten Ergebnissen kommen, wenn nicht möglichst viele Menschen einbezogen werden, sondern nur eine Stichprobe ausgewählt wird. Dass für die Probanden positive Effekte aus einer Studienteilnahme resultieren können, will ich dabei gar nicht leugnen, ist aber nur ein Nebeneffekt.
Wichtiger wäre vielmehr, dass vorhandene Projekte z.B. zur Gewichtsverminderung wissenschaftlich begleitet werden. Damit die Krankenkassen eine Teilnahme an einem solchen Programm bezahlen können, brauchen sie verlässliche Daten über den Erfolg, damit Versichertengelder nicht verschwendet werden. So hätten die Programme auch eine gute Grundlage, um über eine Region hinaus Erfolg zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Marlies Volkmer