Frage an Mark Helfrich von Maria D.
Hallo Herr Helfrich.
Ich wohne im Kreis Itzehoe und auf Ihren Wahlplakaten letztes Jahr machten Sie einen sympatisch jugenlich dynamischen Eindruck. Da ich ansonsten weder vor noch nach der Wahl von Ihrer Politik und Ihren Ideen etwas gehört habe, kontaktiere ich Sie einmal auf diesem Weg.
Dass Sie für die Erhöhung des flächendeckenden Mindeslohns für Abgeornete um monatlich 830 Euro gestimmt haben, finde ich grundsätzlich in Ordnung :-)
Dies entspricht der allgemeinen Inflations- und Produktivitätssteigerung. Auch liegen die Abgeordnetenbezüge von dann 9.082 Euro im Rahmen der Einkommen im Mittleren/Höheren Managements der Privatwirtschaft, was für Verantwortung von Abgeordneten richtig ist.
(Die horrenden Prämien von Bankern oder Vorständen deutscher AGs sind ein ganz anderes Thema....)
Nun ist diese Diätenerhöhung aber für viele Bürger nicht zu vermitteln und es zieht ein Sturm der Entrüstung durchs Land, durch die Presse und die Blogs. Was können Sie den Rentnern, Leiharbeitern und überhaupt dem Grossteil der Bürger sagen, deren Löhne und Gehälter in den letzten 10 Jahren nicht entsprechend angestiegen sind? Sondern im Gegenteil. Die Durschnittslöhne und Renten sinken bzw. stagnieren, die Kosten und Abgaben steigen.
Auch wenn der Mindestlohn von 8,50€ irgendwann mit Ausnahmen kommt, denken Sie nicht, dass dieser eigentlich schneller kommen sollte und auch höher sein sollte? Dass er ein Segen für unsere dringend benötigte Binnennachfrage sein könnte?
Oder sind Sie auch der Meinung, man sollte weiterhin den Konzernen helfen, die sonst mit Abwanderung drohen und ihre Steuern ja doch schon längst nicht mehr in Deutschland zahlen?
Sehr geehrte Frau Doerr,
zunächst einmal bitte ich Sie um Entschuldigung, dass ich auf Ihre Frage erst jetzt antworte. Sie hatten am 28. Februar direkt hinter einander zwei Fragen über Abgeordnetenwatch an mich gerichtet. Bei der damaligen Beantwortung habe ich fälschlicherweise übersehen, dass es sich um zwei unterschiedliche Vorgänge handelt.
Im Kern kritisieren Sie weniger die absolute Höhe der zukünftigen Abgeordnetenentschädigung, sondern vielmehr die im Vergleich dazu unterdurchschnittliche Einkommensentwicklung von Arbeitnehmer/inne/n und Rentner/inne/n.
In den Jahren 2003 bis 2013 sind die Diäten der Bundestagsabgeordneten durchschnittlich um nominal 1,69% gestiegen. Dieser Wert liegt nur geringfügig über der durchschnittlichen Steigerung der Nominallöhne, die im selben Zeitraum 1,57% betrug. Der entsprechende Wert für die Rentenanpassungen in Westdeutschland fällt im Vergleich hierzu in der Tat geringer aus: Bedingt durch das sich verschlechternde Verhältnis von Rentenempfängern pro Beitragszahler begrenzte der so genannte Nachhaltigkeitsfaktor den durchschnittlichen Rentenanstieg der Jahre 2003 bis 2013 auf lediglich 0,75%. Diese Entwicklung ist für die Betroffenen unerfreulich, sie ist aber keine politische Willkür, sondern folgt letztlich der demographischen Entwicklung und wäre nur über eine stärkere Belastung der jüngeren Generationen mit höheren Beiträgen bzw. Steuern zu ändern.
Die im Februar beschlossene Diätenerhöhung 2014/2015 ist hingegen keine reguläre "Tarifsteigerung", sondern hat folgenden Hintergrund: In ihrem Abschlussbericht empfiehlt die durch den Deutschen Bundestag 2011 eingesetzte unabhängige Kommission zu Fragen des Abgeordnetenrechts, die Höhe der Abgeordnetenentschädigung an der Besoldung von Richtern an obersten Bundesgerichten zu orientieren. Bisher haben die Abgeordnetenbezüge die schon seit 1995 gültige Bezugsgröße (Besoldungsgruppe R6) nie erreicht, da die Abgeordneten des Deutschen Bundestages im Lichte der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung wiederholt auf eine Erhöhung ihrer Diäten verzichtet haben. So gab es beispielsweise in den Jahren 2004 bis 2007 und 2010 bis 2011 keine Anhebung. Gegenwärtig beträgt die Differenz zwischen der Abgeordnetenentschädigung und der Besoldung von Richtern an obersten Bundesgerichten ca. 830 Euro. Dieser Unterschiedsbetrag wird mit der jüngst verabschiedeten Diätenerhöhung in zwei Etappen nachgeholt; im Durchschnitt der Jahre 2003 bis 2014 und unter Einbeziehung der beschlossenen Erhöhungen hat sich die Diät dann um ca. 2,2% p.a. erhöht.
Ab dem 1. Juli 2016 soll die Abgeordnetenentschädigung dann entsprechend der Entwicklung des Nominallohnindexes des Statistischen Bundesamtes jährlich angehoben werden. Damit wird für die Zukunft strukturell sichergestellt, dass sich die Vergütung der Abgeordneten auf keinen Fall besser entwickelt als die durchschnittliche Entlohnung der abhängig Beschäftigten in Deutschland. Ich glaube, damit ist einem wesentlichen Gerechtigkeitsanliegen, das auch Sie bewegt, für die Zukunft Rechnung getragen.
Zu den von Ihnen angesprochenen Punkten "Rentner, Leiharbeiter, Mindestlohn" möchte ich als ordentliches Mitglied des Ausschusses für Arbeit und Soziales Folgendes sagen: Die große Koalition hat sich sehr zügig daran gemacht, die im Koalitionsvertrag vereinbarten Punkte in konkrete Gesetzgebung zu überführen. So haben wir binnen kürzester Zeit mit dem Rentenpaket und dem Tarifautonomiestärkungsgesetz (Mindestlohn) zwei zentrale und keinesfalls triviale Vorhaben dieser Legislaturperiode in Angriff genommen. Bei den beiden genannten Gesetzesvorhaben geht es um eine seit langem nicht dagewesene Leistungsverbesserung für viele Millionen Rentner/inne/n bzw. um eine bessere Entlohnung von Millionen von Geringverdiener/inne/n in unserem Land. Ich glaube, dass wir beim Mindestlohn einen angemessenen Kompromiss erzielt haben. Bereits der flächendeckende Mindeststundenlohn von 8,50 EUR wird in einigen Branchen (Taxigewerbe, Zeitungsausträger, Floristen, Gebäudereinigung, Friseure, Erntehelfer) und einigen Regionen (insbesondere neue Bundesländer) zu Anpassungsschwierigkeiten führen. Ein höherer Mindeststundenlohn würde nach meiner Einschätzung zu größeren Verwerfungen am Arbeitsmarkt führen und wäre somit kontraproduktiv. Wir glauben allerdings, dass wir mit den moderaten 8,50 EUR und der Übergangsfrist 2015/2016, in der Tarifverträge ein Unterschreiten der 8,50 EUR zulassen dürfen, den Betroffenen genügend Zeit und Spielraum geben, sich auf den Mindestlohn einzustellen. Die Alternative, nämlich diverse Ausnahmen und Befreiungen vom Mindestlohn einzuführen, erschien uns im Ergebnis viel gravierender. Der Mindestlohn ist auch nur bedingt ein geeignetes Instrument zur Erhöhung der Binnennachfrage. Ausgangspunkt vieler politischer Überlegungen war, dass viele Menschen trotz Arbeit "aufstocken" (ergänzendes ALG II beziehen) müssen. Mit der Einführung des Mindestlohns wird bei allen "Aufstockern" der Aufstockungsbedarf sinken bzw. bestenfalls entfallen, so dass in diesem Fall nur im geringen Umfang mehr Haushaltseinkommen, aus dem Binnennachfrage generiert werden könnte, zur Verfügung stehen wird. Im Herbst werden wir uns dann intensiv mit dem Thema Arbeitnehmerüberlassung (Leih-/Zeitarbeit inkl. Werkverträge) beschäftigen, um auch hier zu Verbesserungen für die betroffenen Menschen zu kommen. Sie sehen also, dass Politik keinesfalls immer nur an sich selbst denkt und vor allem sich auch wirklich Gedanken zu den einzelnen Themen macht.
Ich hoffe, Ihnen mit meinen Ausführungen gedient zu haben.
Beste Grüße
Mark Helfrich