Frage an Marino Freistedt von Peter W. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Freistedt,
Thema 1: Das Abitur nach 12 Jahren ist schlecht organisiert.
Mein Sohn besucht die 10. Klasse des Gymnasiums. Im Mai sind die Klausuren für die Mittlere Reife Prüfung. Nun hat uns der Schulleiter in einem Brief mit geteilt, dass der Lernstoff für Mathematik in den 3 Wochenstunden nicht gelehrt werden kann. Die Schüler sollen sich in Eigenarbeit auf die Prüfung vorbereiten.
Ein Lehrer biete dazu an 5 Sonnabenden 3 Stunden Nachhilfe gegen Bezahlung für die gesamte Klassenstufe an ( ca. 100 Schüler).
Die wöchentliche Arbeitsbelastung meines Sohnes beträgt ca. 48 Arbeitsstunden, Sport- und Freizeitkurse nicht berücksichtigt.
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34 Stunden Schulunterricht
3 Stunden Mathe am Sonnabend
3 Stunden Nachhilfe in Französisch
5 Stunden Hausaufgaben
3 Stunden Vorbereitung für Klassenarbeiten, Referate, Tests
Ich habe dein Eindruck, dass die staatliche Schule den Anforderungen des Abiturs nach 12 Jahren nicht gewachsen ist und vieles ihrerer hoheitlichen Aufgaben dem privaten Bereich überlässt.
Frage 1: Was wollen und können Sie (ihre Partei) dagegen unternehmen?
Thema 2: Benachteiligung eines Abiturjahrganges. Übergangsregelungen für Abiturjahrgänge.
Mein Sohn ist im 1. Jahrgang des 12 jährigen Abiturs. Er hat das Recht, einmal eine Stufe in der Oberstufe zu Wiederholen. Faktisch ist das nach Auskunft der Schule aber nicht möglich, da der folgende Jahrgang schon das Profilabitur macht und die Leistungskurse nicht mehr angeboten werden. 2. Nachteil Der erste Jahrgang des 12-jährigen Abiturs und der letzte Jahrgang des 13-jährigen Abiturs erreichen gleichzeitig das Abitur. Dieser Abiturjahrgang hat dann die doppelte Anzahl von Schülern, die sich dann in einer verschärften Konkurrenz um Studienplätze etc. befinden.
Frage 2. Wie will man diese Benachteiligungen auffangen? Wird es Übergangsregelungen geben?
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Sehr geehrter Herr Wischhusen,
ich bedanke mich recht herzlich für Ihre Fragen vom 10.2.2008, in der Sie auf die Belastung von Schülerinnen und Schülern verweisen, die das Abitur bereits nach einer achtjährigen Schulzeit ablegen werden.
Sowohl als Vater von drei Kindern wie auch als Schulpolitiker kann ich Ihre Sorge nachempfinden und ich möchte Ihnen mitteilen, dass die Hamburger Schulbehörde schon während der Beratung über die Einführung des achtjährigen Gymnasiums auf die besondere Lern- und Lebenssituation und die mögliche größere Belastung der Schülerschaft in den Gymnasien in verschiedenen Dienstbesprechungen hingewiesen hat. Schulen wie Behörden haben sich aktiv an der inhaltlichen Gestaltung der Lehrpläne beteiligt und darüber hinaus auch strukturelle Maßnahmen zur besseren Gestaltung der Schultage ausgearbeitet. Dazu ist notwendig, dass die Schulen eine stärkere Verantwortung für die Lernzeit und die Belastung ihrer Schülerschaft übernehmen und z.B. durch eine Entzerrung der bisherigen sechs- oder siebenstündigen Vormittagsunterrichtsstunden zu einer Einbeziehung von Nachmittags-stunden kommen.
Dadurch kann eine Rhythmisierung von Unterricht stattfinden. Dies ermöglicht eine verbesserte Übungsphase zu einzelnen Lerninhalten des Unterrichts. Auch sollte an den Tagen mit Nachmittagsunterricht auf weniger umfangreiche, dafür aber auf nachhaltig wirkende Hausaufgaben Wert gelegt werden. Einige Schulen verzichten sogar ohne Leistungsminderung auf Hausaufgaben an solchen langen Schultagen.
Allen Gymnasien sind rechtzeitig die Themenschwerpunkte, Methoden und Aufgabentypen mitgeteilt worden, die zur Bewältigung der „Schriftlichen Überprüfung“ notwendig sind. Im Rahmen der sogenannten „flexibilisierten Stundentafel“ kann der Mathematikunterricht in den Kassen 9 und 10 auch vierstündig erteilt werden. Dieses entspricht dem Gedanken der „Selbstverantworteten Schule“, die ihre Schwerpunkte selber bestimmt und z.B. Förderstunden nach Beratung und Beschussfassung in der Schulkonferenz festlegt und dem Schulbudget anpassen kann.
Viele Schulen haben von dem Angebot Hamburger Sportvereine Gebrauch gemacht, in den längeren Mittagspausenzeiten Sportangebote vorzustellen und zur Teilnahme zu animieren. Zahlreiche Vereine nutzen diese Chance, um für ihr Angebot im Sport-, Kultur- oder musischem Bereich zu werben und Jugendlichen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung zu ermöglichen.
Sicherlich ist es erfreulich, wenn einzelne Lehrerinnen und Lehrer sich bereit erklären, zusätzlich Übungsstunden anzubieten. Politisch kann ich es aber nicht vertreten, wenn für das Fach Mathematik Sonderunterricht oder Nachhilfestunden gegen Bezahlung durchgeführt werden. Beamtenrechtlich ist zudem von Lehrerinnen und Lehrern eine Nebentätigkeits-genehmigung der Schulbehörde einzuholen.
Der kostenpflichtige privat organisierte Nachhilfeunterricht sollte die Ausnahme bleiben und bei kurzfristig aufgetretenen Schwierigkeiten Lernlücken vermindern. Diesbezüglich haben aber schon Gespräche mit Schulleitungen und Schulaufsichten stattgefunden. Die Presse hat darüber auszugsweise berichtet. Auch seitens der Politik sind entsprechende Anfragen an die Schulbehörde gerichtet worden. Die Einlassung der Behörde für Schule und Sport hat ergeben, dass die von Ihnen zu recht beanstandete Maßnahme jetzt nicht mehr weiter verfolgt wird.
Zudem ist zu bedenken, dass Erfolge, die durch Nachhilfe entstehen, immer wieder einen internen schulischen Leistungsabgleich erschweren und teilweise ad absurdum führen bzw. Lehrer-, Eltern- wie Schülerschaft einen nur eingeschränkten Überblick über die tatsächliche Wirksamkeit des Fachunterrichtes und die Leistungsfähigkeit einer Lerngruppe erhalten. Für den von allen Parteien angestrebten Ausbau der Unterrichtsentwicklung ist eine dauerhafte Nachhilfe für einzelne Schülerinnen und Schüler als wenig hilfreich anzusehen. Zukünftig wird gerade für lernschwächere Schülerinnen und Schüler die Stadtteilschule mit ihrer neunjährigen Schulzeit eine willkommene Alternative zum achtjährigen Gymnasium darstellen, da in der Stadtteilschule ebenfalls das Abitur abgelegt werden kann.
Abschließend möchte ich mir den Hinweis erlauben, dass viele europäische Länder Vormittags- und Nachmittagsstunden als übliche Unterrichtszeit eingeführt haben, und ihren Gymnasiasten ebenfalls im Durchschnitt mit 18 Jahren eine Zugangsberechtigung zum Studium erteilen. Wir möchten darauf hinwirken, dass unsere Gymnasiasten in Hamburg künftig keinen Nachteil gegenüber ihren europäischen Alterskollegen erhalten.
Zu Ihrer zweiten Frage hinsichtlich der Übergangsregelungen im Doppelabiturjahrgang ist anzumerken, dass schon seit Klasse 7 des Gymnasiums die „G-8 Jahrgänge“ mit einer erhöhten Stundenanzahl pro Woche unterrichtet werden. Zudem werden die inhaltlichen Schwerpunkte für die Abiturqualifikation des letzten „G-9-Jahrganges“ und des ersten „G-8-Jahrganges“ zeitgleich vorgestellt. Schulen können auch weiterhin gemeinsame oder separate Förderstunden für einzelne Fächer und Jahrgänge anbieten. In Einzelfällen werden Schulen und Schulbehörde (BBS) Oberstufenschüler bei der Wahl ihrer Abiturfächer zusätzlich beraten, damit keine Benachteiligung einzelner Abiturientinnen und Abiturienten eintritt.
Die Kultusministerkonferenz hat sich schon vor zwei Jahren dem Problem der „doppelten Abiturjahrgänge“ angenommen und eine Erhöhung der Studienplätze für die Jahre 2010 und folgende beschlossen. Die Universitäten und Hochschulen haben oder werden dazu sowohl eine deutliche Aufstockung ihres Etats erhalten wie auch seitens der Wissenschaftsbehörde und der Länder eine befristete Erhöhung der Lehrverpflichtung von Professoren und Dozenten beschließen. Von diesen Maßnahmen ist auch Hamburg betroffen. So werden aufwachsend bis 2010 zusätzlich mehr als 1000 Studienplätze in Hamburgs Hochschulen angeboten. Aus dem Hochschulpakt können weitere Finanzmittel zur Bereitstellung von Studienplätzen zur Verfügung gestellt werden. Für die CDU-Fraktion und die Wissenschaftsbehörde ist der Ausbau des Studienplatzangebotes auch deshalb vordringlich, da Hamburg als Metropolzentrum sicherlich aus Exzellenz – und Attraktivitätsgründen eine stärkere Nachfrage von Studienbewerbern aus anderen Bundesländern erwarten kann.
Ich hoffe, ich habe Ihre Bedenken zur künftigen Schul- und Hochschulpolitik zerstreuen können, stehe Ihnen aber auch gerne zu einem weiteren Gedankenaustausch zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Marino Freistedt, MdHB