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Marino Freistedt
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Frage von Hanno K. •

Frage an Marino Freistedt von Hanno K. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrter Herr Freistedt,

die CDU-Fraktion hat heute den SPD/GAL-Antrag auf Änderung des Hamburger Schulgesetzes mit dem Ziel der Beibehaltung von Lernentwicklungsberichten für alle Schülerinnen und Schüler in Integrationsklassen abgelehnt, so dass es auch weiterhin bei der Vergabe von Notenzeugnissen für Regelschulkinder und behinderte Kinder in Integrationsklassen bleibt. Das Hamburger Schulgesetz erlaubt zwar über die Klassenstufe 2 hinaus eine Leistungsbeurteilung durch Lernentwicklungsberichte für behinderte Kinder (Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf) per Rechtsverordnung, nur gibt es seit der Gesetzesnovellierung in 2006 weder eine solche Rechtsverordnung noch gibt es eine entsprechende Weisung der Schulbehörde. D.h. Schulen werden gezwungen behinderte Kinder zu benoten, ohne dass es hierfür ein festgelegtes Beurteilungsverfahren gibt. Die Schulen sind dieser untragbaren Situation bis Anfang des neuen Schuljahres ausgewichen, indem sie gesetzeswidrig weiterhin Lernentwicklungsberichte für behinderte und nicht behinderte Kinder in Integrationsklassen ausgestellt haben. Eine Gleichbehandlung im Sinne der Integration ist den Schulen nur durch Lernentwicklungsberichte für alle Kinder in Integrationsklassen möglich. Alles andere führt zur Separation. Hierzu sagt Prof. Dr. Schuck als Dekan der Fakultät für Erziehungswissenschaft an der Universität Hamburg und Berater der Hamburger Schulbehörde am 24.09.2007: "Eine einheitliche Leistungsbewertung in Integrationsklassen ist keine Gleichmacherei, sondern damit wird das Recht aller Kinder verwirklicht, alle für ihren eigenen Entwicklungsprozess förderlichen Rückmeldungen zu bekommen".

Warum widersetzt sich die CDU diesen bereits seit Jahren in Hamburg bewährten und von wissenschaftlicher Seite bestätigten Praktiken der Lernentwicklungsberichte für alle Schülerinnen und Schüler in Integrationsklassen?

Mit freundlichen Grüßen,

Hanno Kleist

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Kleist,

herzlichen Dank für Ihre Anfrage bezüglich der Notengebung in Integrationsklassen.

Die pädagogische Sinnhaftigkeit einer Notengebung ist nur unter zwei Gesichtspunkten zu rechtfertigen: zum einen spiegelt sie dem betroffenen Schüler oder der betroffenen Schülerin wider, welcher bewertbare Lernstand in Relation zur Aufgabenstellung und/oder zum Leistungsstand anderer Beurteilten erreicht wurde, zum anderen markieren veröffentlichte Noten z.B. in Zeugnissen bei Vorlage gegenüber Dritten einen annäherungsweise objektiv gehaltenen Vergleichsmaßstab für geleistete Arbeit. Noten sagen nach Überzeugung vieler Pädagogen und Erziehungsberechtigten häufig wenig über die persönliche Qualität eines Schülers aus, sofern sie nicht durch Lernentwicklungsberichte kommentiert werden.

Dies vorausgeschickt möchte ich Ihnen zu bedenken geben, dass bei einem Fortfall der Benotung für Schüler ohne sonderpädagogischen Förderbedarf in Integrationsklassen gegenüber Regelschulkindern in Grundschulen formal dadurch ein Nachteil entsteht, da ihre Lernentwicklungsberichte zunächst nicht mit den Zeugnissen anderer Schülerinnen und Schüler in den Klassen 3 und 4 verglichen werden können. Gerade wegen des Übergangs auf weiteren Schulformen sollte aber eine Gleichbehandlung aller Schülerinnen und Schüler, die keines sonderpädagogischen Förderbedarfs bedürfen, auch von Eltern angestrebt werden.
Denn häufig wird der Schulbesuch in Integrationsklassen nicht bis zum Haupt- oder Realschulabschluss möglich sein und ein Wechsel muss von einer aussagefähigen Bewertung begleitet sein. Dabei stimme ich denjenigen zu, die der beweissicheren Aussage einschließlich einer Notengebung zum Lernentwicklungsbericht einen hohen Stellenwert einräumen.

Unabhängig von diesen grundsätzlichen Erwägungen ist die Frage zu sehen, ob sich Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf dadurch ausgegrenzt und separiert fühlen, weil sie ausschließlich nur einen Lernentwicklungsbericht erhalten. Diese Form ist gewählt worden, um Schwächen solcher Schülerinnen und Schüler nicht mit den Schwächen anderer Schülerinnen und Schüler gleichzusetzen. Wir wissen, dass die Klassen sich häufig nicht nach dem Bildungsplan der allgemeinbildenden Schulen vollziehen kann. Von daher ist eine Beurteilung in einem individuellen Lernentwicklungsbericht die einzig pädagogisch vertretbare Maßnahme für diese Kinder. Die Ausschließlichkeit eines Berichtszeugnisses dient in diesem Fall dem Schutz des Kindes mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

Bitte bedenken Sie auch, dass Eltern häufig genug nach Noten fragen und die Lernentwicklungsberichte oftmals nur schwer zu verstehen und in der Nachbereitung mit ihrem Kind Aussagen des Berichtszeugnisses unterschiedlich interpretieren.

Innerhalb der Kultusministerkonferenz (KMK) wird auch seitens der CDU die Forderung nach einer Weiterentwicklung der Bezugssysteme für die individuellen Lern- und Entwicklungsstände aller Schülerinnen und Schüler erhoben. Hier ist sicherlich auch noch die wissenschaftliche Begleitforschung abzuwarten.
Ihr Hinweis auf die fehlende Rechtsverordnung scheint mir nachvollziehbar zu sein und wird von meinen Kollegen und mir in einem Gespräch mit der Schulbehörde erörtert werden. Gerne werde ich Ihnen nach Abschluss der Gespräche weitere Informationen zu diesem Sachverhalt geben können.
Ich hoffe, ich habe Ihnen mit dieser Antwort weiter helfen können.

Mit freundlichen Grüßen
Marino Freistedt, MdHB