Frage an Marino Freistedt von Theo B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Freistedt,
das von der CDU im Alleingang auf den Weg gebrachte Wahlrecht richtet sich durch seinen Inhalt und vor allem durch die Art seiner Durchsetzung gegen jegliches demokratische Feingefühl. Nicht nur die Hamburger Bürger sind empört - mehrfach wurde auch in bundesweiten Zeitungen auf den Skandal hingewiesen. Bei der Wahlrechtsentscheidung kann sich niemand hinter legalistischen, verfassungsrechtlichen Bedenken verschanzen. Denn hier geht es um nicht mehr und nicht weniger als die Substanz der demokratischen Grundprinzipien und um das Grundprinzip der Unmittelbarkeit der Demokratie. Zudem müssen sich verfassungsgemäß alle Verfassungsorgane gegenseitig respektieren. - Und das Volk ist nun einmal ein Verfassungsorgan. Wenn das Einzelpartei-Wahlrecht kommt ist dies mit Sicherheit eine Respektlosigkeit und wird mit recht auch so empfunden.
Gemäß Einschätzung von Politikwissenschaftlern sind die Vorgänge in Hamburg ohne Beispiel. Daher meine folgenden Fragen:
Inwieweit halten Sie den das von der CDU abgeänderte Wahlrecht moralisch und demokratisch mit dem Gewissen eines Bürgerschaftsabgeordneten vereinbar?
Wie schätzen Sie die Möglichkeit ein, der Aushöhlung demokratischer Grundprinzipien und noch kurz vor der endgültigen Verabschiedung Einhalt zu gebieten?
Sehr geehrter Herr Brodhag,
meinen Dank für Ihre Anfrage bezüglich der Wahlrechtsänderung verbinde ich mit dem Hinweis, daß die Entscheidung eines frei gewählten Parlaments in diesem Fall eben kein Skandal ist. Meine Fraktionskollegen und ich haben es sich in dieser wichtigen Frage nicht einfach gemacht. Nach reiflicher Überlegung habe ich - meinem Gewissen folgend - dem Fraktionsvorschlag zugestimmt. Das Wahlrecht in seiner bisherigen Form erscheint mir sehr kompliziert und wenig motivierend für Urnengänge zu sein.
Auch halte ich es für falsch, die Abstimmung von CDU-Kolleginnen und -Kollegen als "Aushöhlung demokratischer Grundprinzipien" zu bezeichnen. Bedenken Sie bitte, daß wir in einer repräsentativen parlamentarischen Demokratie leben, wo der Abgeordnete eben nicht an Weisungen Dritter gebunden ist. Aus diesem Grunde respektiere ich auch abweichende Meinungsäußerungen.
Mit freundlichen Grüßen
Marino Freistedt MdHB