Frage an Marino Freistedt von Ana K. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Freistedt,
was spricht eigentlich genau gegen den Vorschlag von der Initative, 50 Primarschulen einzuführen und dann testen zu lassen, ob sie sich bewähren?
1. könnten alle Eltern frei wählen, wo sie ihr Kind lassen
2. könnte man in Klasse 7 ff genau sehen, wie weit die einen bzw. anderen Schüler sind und hätte einen direkten Vergleich, der die Zweifler ja überzeugen könnte
3. wäre damit der Schulfrieden zunächst hergestellt.
An der praktischen Umsetzung kann es eigentlich nicht liegen, da man ja in den Stadtteilschulen bzw. Gymnasien ja einen oder zwei Züge für die Primarschüler freilassen könnte.
Bitte antworten sie mir schnell.
Lg
Sehr geehrte Frau Köppke,
ich danke Ihnen für Ihre Anfrage vom 4. Februar 2010. Für die verzögerte Antwort bitte ich um Entschuldigung.
Der Vorschlag der Initiative "Wir-wollen-lernen" nach exemplarischer Einführung der Primarschule an 50 Standorten sieht auf den ersten Blick vernünftig aus. Dennoch treten bei näherer Analyse der Durchführung verschiedene Fragen bzw. Probleme auf, die nicht so leicht von der Hand zu weisen sind:
(1) Wer wählt die insgesamt 50 Primarschulstandorte aus - melden sich 50 Primarschulen freiwillig?
(2) Wie sehen die Auswahlkriterien aus, wenn sich mehr als 50 Primarschulstandorte melden?
(3) Wie kann es vermieden werden, dass in den nächsten Jahren ein "Dauerwettstreit" zwischen den beiden Schulsystemen "Primarschule" und herkömmliche Grundschule mit Trennung nach 4 Grundschuljahren ausgetragen wird?
(4) Welche Folgen hat die Auswahl von 50 Primarschulen auf den Aufbau der unbestrittenen neuen Stadtteilschulen bzw. auf die Sicherstellung bisheriger gymnasialer Standorte?
(5) Können Stadtteilschulen und Gymnasien grundsätzlich zwei unterschiedlich zu organisierende Fächer- bzw. Fächerverbindungen parallel vorhalten, damit Einstiege in Klasse 7 durch ein jeweils ausreichendes schulisches Angebot garantiert werden?
Die Regierungskoalition aus CDU und GAL war sich bei den Verhandlungen mit der Initiative "Wir-wollen-lernen" einig, dass die Einführung der Primar-schule regulär 2012 abgeschlossen werden sollte. Ein Hinauszögern der Schulreform bis zum Ende des Durchwachsens einer sechsjährigen Primarschule im Schuljahr 2015/2016 mit anschließender Evaluation beider Schulsysteme würde zu einer lang anhaltenden großen Belastung der Schulen führen und keineswegs einen Schulfrieden garantieren. Zudem ist nicht auszuschließen, dass die Ergebnisse wiederum sehr konträr diskutiert werden.
Aus diesem Grunde ist für die Regierungskoalition eine Offenhaltung der Schulstrukturdebatte über die nächste Wahlperiode hinaus keine vernünftige Alternative.
Die von CDU und der GAL, unter Vermittlung des Moderatoren Herrn Dr. Otto, gegenüber der Initiative "Wir-wollen-lernen" gemachten weitreichenden Vorschläge, wurden schließlich am letzten Verhandlungstag von der Initiative als unzureichend angesehen und abgelehnt und die Gespräche von dem Sprecher der Initiative unterbrochen.
CDU und GAL haben diesen Schritt bedauert und werden auf der Sondersitzung der Bürgerschaft am 3. März 2010 eine neue Schulgesetzänderung einbringen, in der u.a. auch das Elternwahlrecht, die Überprüfung der Schulreform auf Qualitätskriterien hin sowie die Einrichtung eines begleitenden Sonderaus-schusses geregelt werden. Diese Themen wurden in den Gesprächen mit der Initiative eingebracht - wenn sie dann auch nicht in allen Punkten mit der Meinung der Initiative übereinstimmten. Ich sehe allerdings in der Bereitschaft, Ergänzungen vorzunehmen, auch ein deutliches Signal an die kritischen Stimmen der Schulreform innerhalb und außerhalb des Parlaments.
Für mich stellt sich die Situation so dar, dass die Initiative und die Regierungskoalition keinesfalls unnütze Gespräche geführt haben.
Da sich die Gesetzesänderung noch in der konkreten Formulierungsphase befindet, bitte ich Sie auf die Parlamentsvorlage zu warten, die rechtzeitig vor der Abstimmung in der Bürgerschaft veröffentlicht wird.
Ich hoffe, ich habe Ihnen mit dieser Antwort einige wichtige Sachverhalte verdeutlichen können.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Marino Freistedt MdHB