Frage an Marinke Müller-Gindullis von Sonja C. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrte Frau Müller-Gindullis,
bezüglich des Busbeschleunigungsprogramms bin ich immer wieder überrascht, mit welcher Hartnäckigkeit bestimmte individuelle Interessen unter dem Deckmantel der Forderung nach "Mehr Demokratie" Aufwind erhalten, während sich für gesamtgesellschaftliche Issues (Migration, gleiche Bildungschancen, etc.) keine Lobby formiert.
Im Klartext: Ist die Forderung von u.a. Die Piraten nach einem Stopp des Busbeschleunigungsprogramms nicht viel mehr eine direktdemokratische Möglichkeit, Interessen von Minderheiten gegenüber den Interessen von Mehrheiten durchzusetzen, wobei sich hierbei - abgesehen natürlich von den verfassten Regularien für direkte Demokratie - doch deutlich die normative Frage der Legitimität solcherlei demokratischer Praxis stellt. Wie stehen Sie zu direkter Demokratie und wo sehen Sie evtl. auch Probleme?
Vielen Dank und mit freundlichen Grüßen,
S. C.
Sehr geehrte Frau C.,
Interessen von Minderheiten gegenüber den Interessen von Mehrheiten durchzusetzen ist mit direktdemokratischen Mitteln in Hamburg nicht möglich. Dafür weist die Hamburgische Verfassung zu hohe Hürden auf. Sie insbesondere beim Zustandekommen eines Volksbegehrens sehr hoch. Benötigt eine Volksinitiative noch 10.000 gültige Unterschriften, damit sich die Bürgerschaft mit dem Anliegen befasst und sie es vor einem Ausschuss erläutern dürfen. So sind dies beim Zustandekommen eines Volksbegehrens schon 63.000 gültige Unterschriften. Bei einem Volksbegehren wird der Senat dann angehalten, einen Beschluss zu fassen, der der Vorlage der Initiatoren entspricht. Geschieht dies nicht, können die Initiatoren der Volksinitiative einen Volksentscheid veranlassen, bei dem der Senat dann sogar einen Gegenentwurf zur Abstimmung im Rahmen der nächsten Bürgerschafts- oder Bundestagswahl vorlegen kann.
Die erste Hürde dieser langwierigen Prozedur hat die Initiative zum „Stopp des Busbeschleunigungsprogramms“ erfolgreich gemeistert, indem sie in nur acht Wochen die erforderlichen 10.000 Unterschriften sammelte. Dies ist ohne breite Unterstützung aus dem gesamten Stadtgebiet nicht möglich. Beim „Stopp des Busbeschleunigungsprogramms“ geht es natürlich nicht darum, einem modernen öffentlichen Nahverkehr im Weg zu stehen, sondern darum mit dem Programm verbundene unsinnige und teure Baumaßnahmen, wie erhöhte Mittelinseln zu verhindern. So würde die geplante langgezogene erhöhte Mittelinsel auf dem Mühlenkamp dazu führen, dass der Verkehr dort zeitweilig zu Erliegen käme. So befindet sich an eben diesem Abschnitt ein großes Ärztehaus vor dem mehrmals täglich Krankwagen halten. Diese könnten dann von den Bussen nicht mehr überholt werden. Gleiches gilt für den Lieferverkehr in der belebten Geschäftsstraße. Dies ist aber nur ein Beispiel einer Vielzahl umstrittener Maßnahme, wie der Ableitung des Verkehrsflusses in ein Wohngebiet mit zwei großen Kinderspielplätzen und einer Grundschule, bewirtschaftetem Parken und Baumfällungen.
Insgesamt gesehen verdeutlicht das Beispiel der Busbeschleunigung, dass mit dem politischen Instrument der direkten Demokratie im Sinne des Allgemeinwohls bessere Lösungen erzielt werden können, als das durch häufig interessengeleitete Politik „von oben“ der Fall ist. All dies könnte mit frühzeitiger echter und nicht von oben strategische gesteuerter Bürgerbeteiligung umgangen werden.
Ich hoffe ich konnte ihre Frage zufriedenstellend beantworten, wenn nicht, so fragen Sie gerne erneut.
Mit besten Grüßen
Marinke Müller-Gindullis