Frage an Marie-Luise Dött von Andreas R. bezüglich Umwelt
Sehr geehrte Frau Dött,
ich kontaktiere Sie, da Sie Mitglied des Umweltausschusses sind.
Für einen wirksamen Klimaschutz spielen sowohl Neuemissionen als auch die seit Beginn der Industrialisierung bereits eingebrachten Altemissionen eine Rolle. Nach meiner Beobachtung konzentriert sich die aktuelle politische Diskussion darauf, die jährlichen Neuemissionen binnen weniger Jahrzehnte nach Möglichkeit auf Null zu reduzieren. Dies ist sicher sinnvoll, löst jedoch noch nicht das Problem der Altemissionen.
Die vorindustrielle CO2-Konzentration betrug deutlich unter 300 PPM, im Jahr 2019 wurde der Wert von 415 PPM überschritten (Quelle: https://www.sciencealert.com/it-s-official-atmospheric-co2-just-exceeded-415-ppm-for-first-time-in-human-history ). Auf natürlichem Wege würde es Jahrtausende dauern, bis die CO2-Konzentration sich wieder auf den vorindustriellen Wert senken könnte. Die CO2-Konzentration würde somit ohne negative Emissionsmassnahmen mindestens auf dem Wert 415 PPM verbleiben, wodurch sich die Atmosphäre in den kommenden Jahrhunderten immer weiter aufheizen wird, bis ein neues Gleichgewicht erreicht sein wird (vgl. https://doi.org/10.1073/pnas.1810141115 ). Der Fünfte Sachstandsbericht des IPCC geht davon aus, dass das Zwei-Grad-Ziel nur mithilfe negativer Emissionen erreicht werden kann.
Es ist für mich klar, dass negative Emissionsmassnahmen ergriffen werden müssten. Hier kommt beispielsweise die pyrogene CO2-Abscheidung und -Speicherung (PyCCS) oder Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (BECCS) infrage, jedoch fehlt es weiterhin an Grundlagenforschung. Aus der Politik hört man zu negativen Emissionen wenig bis gar nichts. Der Fokus scheint auf die Senkung künftiger Emissionen gelegt zu sein.
Meine Fragen: Wie ist der Diskussionsstand in der Regierung? Welche Verfahren wird die Bundesregierung ergreifen, um negative Emissionen zu erzielen? Welche Mittel werden dafür jährlich eingeplant?
Mit freundlichen Gruessen
A. R.
Sehr geehrter Herr R.,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 23. Juni 2019 über abgeordnetenwatch.de. Darin erkundigen Sie sich nach dem Diskussionsstand sowie nach konkreten Maßnahmen zu negativen Emissionsmaßnahmen der Bundesregierung.
Dazu verweise ich auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion mit der Drucksache 19/7400. Darin heißt es wörtlich: „Der IPCC-Sonderbericht über 1,5 Grad globale Erwärmung stellt fest, dass negative Emissionen (Carbon Dioxide Removal, CDR) höchstwahrscheinlich notwendig sein werden, um die internationalen Klimaziele zu erreichen. Allerdings sind damit nicht zwingend technische Maßnahmen zur CO2-Entnahme aus der Atmosphäre gemeint. Der IPCC-Sonderbericht umfasst auch modellierte Emissionspfade, die das 1,5-Grad-Ziel einhalten und dabei ohne Bioenergie mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (BECCS) und andere technische CDR-Maßnahmen auskommen. […] Aus Sicht der Bundesregierung besteht aktuell keine ausreichende Wissensgrundlage, um eine Bewertung hinsichtlich der Erprobung und Anwendung von CDR-Technologien bzw. einer Rolle bei der Bewältigung des Klimawandels vorzunehmen. Die Forschung hat grundlegende Risiken aufgedeckt. Die Bundesregierung setzt vor diesem Hintergrund in ihrer nationalen und internationalen Klimapolitik auf die Minderung von Treibhausgasemissionen, auf kosteneffiziente, nachhaltige, ökosystembasierte Ansätze zur Erzielung negativer Emissionen sowie auf Anpassungsmaßnahmen. Darüber hinaus plant die Bundesregierung, im Sinne des Vorsorgeprinzips durch weitere Forschung die Bewertungskompetenz zu einzelnen Ansätzen und Technologien der CO2-Entnahme zu verbessern und ein genaueres Bild über deren Potenziale und Risiken zu erhalten, um eine internationale Debatte auf der Grundlage fundierter Erkenntnisse verantwortungsvoll mitgestalten zu können.“
Des Weiteren verweist die Bundesregierung auf bereits erfolgte Studien, die im Auftrag des Umweltbundesamtes vergeben wurden und sich mit den von Ihnen erwähnten Techniken zumindest teilweise beschäftigt haben. Zum einen die Studie „Globale Treibhausgasemissionspfade bis 2050; Entwicklung von Szenarien, Politik- und Technologieoptionen“ (beinhaltet Bewertung von Synergien und Konflikten unterschiedlicher THG-Emissionspfade, inklusive aber nicht ausschließlich CDR (Bioenergie + Carbon Capture and Storage (CCS)). Zum anderen die Studie „Bewertung von Methoden und Verfahren von Carbon Dioxide Removal (CDR)-Technologien (negative Emissionen) zur Erreichung internationaler Klimaziele“ (bewertet die Bioenergie und CCS-Annahmen der globalen THG-Emissionsszenarien, die im Fünften IPCC-Sachstandsbericht aufgenommen wurden).
Darüber hinaus prüft das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) derzeit die Auflage eines neuen, breit angelegten Forschungsprogramms. Ziel soll sein, Potenziale, Skalierbarkeit, Risiken und Realisierungsmöglichkeiten von Methoden zur Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre genauer bewerten zu können.
Auch wenn ich Ihnen zu den dafür eingeplanten Haushaltsmitteln keine Angaben machen kann, hoffe ich dennoch, dass ich Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Marie-Luise Dött