Frage an Marie-Luise Dött von Uwe P. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Wenn ich den Wahlkampfreden zuhöre, scheint es offenbar nur eine Lösung für das Problem der Arbeitslosigkeit zu geben: "Die Arbeit zu verbilligen". D.h. doch aber nichts anderes, als reale Einkommensverluste zu verlangen. Damit soll das "Konsumklima" verbessert werden?
Statistisch sind die Nettorealverdienste seit 1991 um ca. 2% zurückgegangen. Im gleichen Zeitraum ist der Umsatz je Beschäftigtem in der Industrie von ca. 113.100 Euro auf ca. 219.811 Euro gestiegen - hat sich also verdoppelt. Der Lohn- und Gehaltsanteil am Umsatz ist in diesem Zeitraum von 21,4% auf 16,8% (2003) zurückgegangen. Die offizielle Arbeitslosenzahl hat sich in diesem Zeitraum jedoch ca. verdoppelt.
Ist damit eine Neuverteilung der Arbeit durch Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohnausgleich - z.B. auf 30 Stunden - nicht schon lange finanziert? Und die einzige tatsächliche Möglichkeit, das Problem der Massenarbeitslosigkeit nachhaltig anzugehen?
Sehr geehrter Herr Pahsticker,
fast fünf Millionen Menschen in Deutschland sind ohne Arbeit, und die Angst vor Arbeitslosigkeit sitzt tief. Ihre Frage wie die CDU „Arbeit verbilligen“ will und dabei gleichzeitig das Konsumklima verbessern und die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, ist daher eine wirklich wichtige Frage, zu deren Beantwortung ich etwas ausholen muß:
Das Problem: In Deutschland liegen die Lohnnebenkosten bei knapp 41 Prozent. Es ist ein Teufelskreis: Wenn die Arbeitslosigkeit steigt, verlieren die Sozialversicherungen Beitragszahler und damit entstehen den Sozialkassen hohe Einnahmeverluste. Die wenigen Einzahler müßten eigentlich sogar mehr überweisen, damit den Sozialkassen nicht das Geld ausgeht.
Die Lösung: Eine Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung um zwei Prozentpunkte. Um diese jedoch zu finanzieren, muß die Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent angehoben werden.
(Aber das ist das kleinere Übel zur 9-prozentigen Erhöhung des ermäßigten Steuersatzes von 7 auf 16%, wie ihn die SPD will.
Quelle:
http://www.tagesspiegel.de/politik/index.asp?ran=on&url=http://archiv..tagess piegel.de/archiv/07.09.2005/2036746.asp Und zu den Dementis des Bundesfinanzministers, es gebe keine Sparliste in seinem Haus, kann ich nur sagen, daß das Kabinett einen solchen Arbeitsauftrag für den Bundesfinanzminister beschlossen hat: Zitat: ´Das Bundesministerium der Finanzen wird beauftragt, die gesetzlichen Regelungen zur Unterlegung der in den Finanzplanungsjahren 2007 bis 2009 enthaltenen Globalpositionen dem Kabinett so rechtzeitig vorzulegen, daß die erforderlichen Entlastungswirkungen erzielt werden.´
Im Klartext heißt das nichts anderes, als daß Eichel beauftragt wurde, ein Konsolidierungspaket zu schnüren, mit dem das von ihm selbst mit 25 Mrd. EUR bezifferte Haushaltsloch geschlossen werden kann. Vor diesem Hintergrund sind die Dementis, die Eichel seinen Sprecher gebetsmühlenartig wiederholen läßt, eher hilflos als überzeugend. Jetzt zeigt sich der wahre Umfang der bewußten Wahltäuschung: ein nicht verabschiedeter Haushalt bildet die Grundlage für eine gigantische Wahl-Lüge.)
Weil aber die zwei-prozentige Mehrwertsteuererhöhungung kein unproblematischer Weg ist, muß noch mehr getan werden:
Die Devise der Union lautet daher: Vorfahrt für Arbeit. Alle arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen kommen auf den Prüfstand. Was sich als unwirksam erweist, wird abgeschafft; was Arbeitsplätze bringt, wird weitergeführt:
Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung soll von 6,5 Prozent auf 4,5 Prozent gesenkt werden und damit die „Arbeit billiger machen“. Das bringt erstens mehr Geld für neuen Konsum, denn alle Arbeitnehmerhaushalte werden entlastet. Und zweitens werden die Lohnzusatzkosten gesenkt. Das bringt neue Arbeitsplätze. Mit anderen Worten: Ihr Nettolohn sinkt nicht, sondern er steigt und damit wird auch die Kaufkraft verbessert, denn die CDU will die Kosten für den Arbeitgeber senken und nicht Ihr Einkommen.
Diese Maßnahme wird jedoch nicht auf Pump finanziert, weshalb die Union die Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent erhöht. Die ermäßigte Mehrwertsteuer (z.B. auf Lebensmittel) bleibt bei 7 Prozent; im Gegensatz zur SPD, die den ermäßigten Mehrwertsteuer-Satz um 9 Prozentpunkte erhöhen will und die die Leistungssätze beim Arbeitslosengeld II und die Vermögensfreibeträge absenken, sowie die Bedarfsgemeinschaften neu definieren will. Kultureinrichtungen, Denkmalschutz, Orchester und Stiftungen befinden sich auf der Streichliste des Finanzministers Hans Eichel, nachzulesen in der Süddeutschen Zeitung vom 12.9.2005 und in der FAZ vom 11.9.2005, die ich Ihnen im Anhang mitschicke.
Zusammenfassend will die Union neue Chancen für mehr Arbeit schaffen:
Durch einen flexiblen Kündigungsschutz, Erleichterungen bei der befristeten Beschäftigung und die rechtliche Absicherung von betrieblichen Beschäftigungsbündnissen. Für Neueinstellungen wird das Kündigungsschutzgesetz in Betrieben bis zu 20 Beschäftigten ausgesetzt. In anderen Betrieben wird er für Neueinstellungen erst nach zwei Jahren wirksam.
Betriebliche Beschäftigungsbündnisse sollen rechtlich abgesichert werden. Damit soll in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Möglichkeit einer schnelleren Anpassung an die veränderten Rahmenbedingungen geschaffen werden. Soll heißen: Das Günstigkeitsprinzip im Tarifvertragsgesetz soll dahingehend ergänzt werden, daß Arbeitnehmer und Arbeitgeber abweichend von einem Tarifvertrag einzelvertragliche Vereinbarungen schließen können, wenn dies der Beschäftigungssicherung oder dem Beschäftigungsaufbau dient.
Kombi-Lohn-Modelle sollen eingeführt werden. So finden Geringqualifizierte wieder leichter Arbeit. Diese Modelle sollen diejenigen in Beschäftigung bringen, die es auf dem Arbeitsmarkt besonders schwer haben: die Geringqualifizierten, die rund 40 Prozent aller registrierten Arbeitslosen ausmachen. Der Idee des Kombilohns liegt zugrunde, daß dadurch einerseits Arbeit für Geringqualifizierte attraktiver wird, weil sie tatsächlich mehr Geld bringt als die Arbeitslosenunterstützung. Andererseits würden mehr solcher Stellen geschaffen, weil sie für die Arbeitgeber günstiger werden. Im Idealfall bringt er viele Arbeitslose in Arbeit und der Staat spart die Arbeitslosenunterstützung.
Bürokratie soll abgebaut werden. Dadurch würde die Wirtschaft von hohen Bürokratiekosten befreit und bei den Unternehmen Spielraum für neue Arbeitsplätze geschaffen.
Innovationen sollen gefördert werden. Deswegen will die Union zusätzlich eine Milliarde Euro in Forschung und Entwicklung investieren. Finanziert wird das durch den Abbau von Subventionen.
Der Schritt von Arbeitslosen in die Selbstständigkeit soll gefördert, die Ich-AG jedoch abgeschafft werden. So soll das Abgreifen staatlicher Zuschüsse gestoppt werden. Universitäre und außeruniversitäre Forschung sollen besser miteinander vernetzt und stärker in die europäische Forschungspolitik integriert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Marie- Luise Dött