Frage an Marianne Burkert-Eulitz von David S. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Burkert-Eulitz,
Ich möchte Sie fragen, warum in Berliner Kitas ein Zwei-Klassen-Betreuungssystem etabliert wurde und ob Sie bzw. Ihre Partei das gutheißt. Ich rede von der Trennung zwischen systemrelevanten Eltern und "normalen" Eltern, die mittlerweile schon seit Monaten ihre Kinder zuhause betreuen müssen. Neben dem Homeoffice versteht sich.
Die sogennannte "Öffnung" die seit heute, 22. Februar gelten soll bedeutet in der Realität eine Erhöhung der Notbetreuung von 50% Belegung auf 60%. In unserer Kita ist die Belegung im Notbetrieb im Schnitt 55%. Faktisch bedeuten die Änderungen die ab heute gelten also keine Änderung für die Betreuung von Kindern nicht-systemrelevanter Eltern.
Wie lange soll das noch so weiter gehen? Wie lange können Arbeitgeber sich mit obskuren Begründungen als systemrelevant deklarieren und ihren Angestellten so einen Kitaplatz erschummeln, während die ehrlichen Arbeitgeber ihre Belegschaft im Homeoffice antreten lässt, welches mit kleiner Kindern nur äußerst begrenzt nutzbar ist.
Meine Frage: Halten Sie die derzeitige Regelung für die Notbetreuung der Kitas für fair? Können Sie den Vorwurf eines Zwei-Klassen-Systems nachvollziehen? Wann können "normale" Eltern endlich ihre Kinder wieder tagsüber betreuen lassen, die schon seit Monaten mit ihren gestressten Eltern im Homeoffice in einer Großstadtwohnung eingesperrt werden und endlich ihre Freunde wiedersehen wollen?
Viele Grüße,
D.Schmidt
Sehr geehrter Herr Schmidt,
vielen Dank für Ihre Frage und Ihr damit verbundenes Interesse an Grüner Kinder- und Familienpolitik.
Bitte entschuldigen Sie, dass Sie nicht rechtzeitig eine Antwort auf Ihre Anfrage erhalten haben. Hier
gab es leider ein technisches Problem.
Da sich Ihre Anfrage auf seinerzeit aktuelle Politik zur Corona-Lage bezieht, ist angesichts der stets
rasanten Entwicklungen der Pandemie die Konstellation schon wieder anders, als zum Fragezeitpunkt.
Erlauben Sie mir daher, Ihnen einige unserer aktuellen Positionen zur Pandemiepolitik zu erläutern.
Viele Familien befinden sich an ihrer Belastungsgrenze. Das betrifft alle Familienmitglieder gleichermaßen:
Eltern, die die Betreuung und Beschulung ihrer Kinder bei gleichzeitiger beruflicher Tätigkeit übernehmen
mussten. Kinder und Jugendliche, die nicht ihrer Peer-Group begegnen konnten und denen das regelmäßige
Treffen mit Gleichaltrigen fehlte. Gewohnte Strukturen waren vom ersten Tag an durchbrochen und änderten
sich zum Teil wöchentlich. Häufig fehlten plötzlich Bezugspersonen und der Austausch brach ab. Das ständige
zu Hause verweilen wurde dem Bewegungsbedürfnis von Kindern und Jugendlichen nicht gerecht. Kinder und
Jugendliche verbrachten viele Stunden vor digitalen Endgeräten, um der Langeweile der Lockdowns zu entgehen,
damit Eltern ihrer Erwerbsarbeit im Home-Office nachgehen konnten. Der Bildungshintergrund entschied mehr
denn je über den schulischen Erfolg. Denn Kinder und Jugendliche sind in der Pandemie noch stärker abhängig
von ihren Eltern und (erwachsenen) Vertrauenspersonen und deren Möglichkeiten und Fähigkeiten Bildungsinhalte zu vermitteln. Dazu kommt außerdem deren Fähigkeit Beziehungen aufrecht zu erhalten, Krisensituationen auszuhalten und Kinder und Jugendliche darin stabilisierend zu begleiten. Nach über einem Jahr mit wechselnden Regelungen und Anforderungen sind Eltern, Kinder und Jugendliche erschöpft und vielerorts rat- und perspektivlos. Die Ressourcen sind aufgebraucht. Was ihnen vor allem fehlt, sind soziale Interaktion sowie Orte und gemeinsame Erlebnisse, die nicht von Leistungsdruck und Erwartungen geprägt sind.
Dies und mehr können Sie dem Positionspapier "Familienpolitische Herausforderungen zum Ende der Pandemie"
meiner Fraktion entnehmen. Ich habe es Ihnen hier angehängt; es ist aber auch öffentlich zu finden unter: https://gruene-fraktion.berlin/download/familienpolitische-herausforderungen-zum-ende-der-pandemie/
Gewiss, das Ende der Pandemie haben wir leider noch lange nicht erreicht. Wir müssen aber bereits jetzt damit beginnen, die Schäden der Pandemie zu beseitigen und Strukturen zu schaffen, die eine langfristige und nachhaltige Aufbauarbeit im Sinne der Familien ermöglichen.
Hierfür werden wir Grünen uns in den anstehenden Beratungen zum Doppelhaushalt des Landes für 2022 und 2023 mit hohem Druck einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Marianne Burkert-Eulitz