Frage an Marianne Burkert-Eulitz von Karola V. bezüglich Tourismus
Sehr geehrte Frau Burkert-Eulitz,
dass Berlin ein beliebtes Reiseziel ist u. die Umsätze im Bereich der Tourismusbranche steigen ist erfreulich. Die Übernachtungssteuer bescherte dem Landeshaushalt 2015 Einnahmen von 42 Mio. Euro.
Weniger erfreulich sind jedoch die negativen Auswirkungen der "Nachtökonomie" für die, in sog. Partymeilen, lebende Bevölkerung .
Zum einem ist die nächtliche Ruhestörung erheblich u. Lärm bekanntlich gesundheitsschädlich. Begleiterscheinung wie gestiegene Kriminalität bei erhöhtem Gästeaufkommen, vermehrter Drogenhandel, Verwahrlosung u. Vermüllung belasten die Wohngebiete.
Der "Runde Tisch Tourismus" setzt sich auf Landesebene zusammen aus Interessenverbänden der Tourismusbranche, der Senatsverwaltung für Wirtschaft u. vistitBerlin. Federführend ist die DEHOGA.
1. Frage:
Lt. einer Studie von visitBerlin fühlen sich 85 % der Berliner durch Touristen weder eingeschränkt noch gestört. Wie repräsentativ schätzen Sie diese Befragung zur "Akzeptanzerhaltung im Tourismus" ein, die während der Sommerferien im Zeitraum 16.7.-25.8.2015 mit 3.009 Personen durchgeführt wurde?
Bei der Befragung wurde die Meinung der Einwohner in den "Hotspots" wie z.B. im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg im Bereich Simon-Dach-Str., Ostkreuz u. Graefekiez, Wrangelkiez nicht ermittelt.
2. Frage:
Sehen Sie, angesichts schwindender Akzeptanz bei Bürgern in vom "Partytourismus" betroffenen Wohngebieten, Möglichkeiten für die Anwohner beim Runden Tisch Tourismus neben den Interessenverbänden der Wirtschaft, ihre Interessen vertreten zu können?
3. Frage:
Welche Möglichkeiten sehen Sie für die Betroffenen in Entscheidungen zur Ausrichtung der touristischen Vermarktung einzelner Stadtviertel mit eingebunden zu werden?
4. Frage:
Wie können Projekte u. Maßnahmen der Bezirke zur Lösung von Nutzungskonflikten u. zur Beseitigung der Schäden durch Einnahmen aus der City Tax gefördert werden?
Vielen Dank im voraus,
mit freundlichen Grüßen,
Karola Vogel
Sehr geehrte Frau Vogel,
vielen Dank für Ihre Fragen und verzeihen Sie die aufgrund der Feiertage etwas spätere Antwort. Gerne möchte ich dafür ausführlich auf Ihre Fragen eingehen.
> 1. Frage:
> Lt. einer Studie von visitBerlin fühlen sich 85 % der Berliner durch Touristen weder eingeschränkt noch gestört. Wie repräsentativ schätzen Sie diese Befragung zur "Akzeptanzerhaltung im Tourismus" ein, die während der Sommerferien im Zeitraum 16.7.-25.8.2015 mit 3.009 Personen durchgeführt wurde?
> Bei der Befragung wurde die Meinung der Einwohner in den "Hotspots" wie z.B. im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg im Bereich Simon-Dach-Str., Ostkreuz u. Graefekiez, Wrangelkiez nicht ermittelt.
Berlin ist beliebt und Anziehungspunkt für viele Menschen. Dass Berlin auch für Touristen eine attraktive und lebendige Stadt ist, ist grundsätzlich auch gut. Selbstverständlich heißt das dann nicht, dass es keine Konflikte gibt und der Status quo als gegeben angesehen werden muss. Grundsätzlich ist Tourismus und lebenswertes Wohnen kein Widerspruch, aber dazu braucht es auch eine kiezgerechte Tourismuspolitik. Ziel muss es sein, dass die Kieze mit ihrer jeweiligen Kultur und Struktur nicht erdrückt werden. Daher gilt es, auch in den von Ihnen genannten Orten, die Problemlagen genau anzusehen und zu reagieren, damit Tourismus vereinbar bleibt mit Wohnen und der Aufrechterhaltung von Lebensqualität. Denn insbesondere für die stark frequentierten Stadtteile (wie Friedrichshain, Mitte oder Kreuzberg) hat die Untersuchung auch ergeben, dass jeder Dritte sich von den derzeitigen Entwicklungen des Berlin-Tourismus gestört fühlt. Wenn der Tourismus auch in Zukunft für Berlin eine entscheidende Rolle spielen soll, dann muss dieser zunehmende Akzeptanzverlust in der Bevölkerung ernst genommen werden.
Der Tourismus darf Mieter*innen nicht aus den Kiezen verdrängen. Dabei ist nicht nur die Anzahl an Tourist*innen der Indikator für Handlungsbedarf. Auf Landesebene bedarf es daher eines stadt- und kiezverträglichen Tourismuskonzepts, das auch die Folgen des innerstädtischen Massentourismus mitdenkt.
> 2. Frage:
> Sehen Sie, angesichts schwindender Akzeptanz bei Bürgern in vom "Partytourismus" betroffenen Wohngebieten, Möglichkeiten für die Anwohner beim Runden Tisch Tourismus neben den Interessenverbänden der Wirtschaft, ihre Interessen vertreten zu können?
Inwiefern der Runde Tisch Tourismus in der derzeitigen Form der geeignete Ort für die Lösung von Nutzungskonflikten ist, wäre auszuloten. Sicher ist, dass die Anwohner*innen in Zukunft eine stärkere Stimme bekommen müssen.
Zwar trägt der Tourismus nicht unwesentlich zur Entwicklung der lokalen Wirtschaft bei.
Gleichzeitig klagen aber immer mehr Anwohner*innen über zunehmenden Lärm und Müll bis hin zu Kriminalität. Diese Konflikte wollen wir Grüne möglichst kooperativ lösen. Für uns gilt weiterhin: Gemeinsam erarbeitete Lösungen unter Einbeziehung aller Akteur*innen sind vorzuziehen. Zwar lehnen wir einseitige oder repressive Maßnahmen zur Einschränkung der Nutzung des öffentlichen Raums, wie etwa ein Alkoholverbot, ab. Allerdings muss auch gehandelt werden, wenn es notwendig erscheint! Polizei und Ordnungsamt müssen vor allem in den touristischen Hotspots im Bezirk für die Einhaltung bestehender Spielregeln und Gesetze sorgen, insbesondere wenn miteinander reden und kooperative Ansätze nicht mehr funktionieren.
Wir machen uns deshalb auch dafür stark, dass die bestehenden Handlungsmöglichkeiten vollständig ausgeschöpft werden. Wir kämpfen für einen Kneipen-Stopp, wenn im Kiez durch immer mehr Restaurants, Cafés und Bars die Mischung kippt. Wir begrüßen, dass das Land das von den Grünen in Berlin schon seit 2008 geforderte Zweckentfremdungsverbot wieder eingeführt hat. Und wir vertreten intelligente Parkraumbewirtschaftungskonzepte, bei denen z.B. Bewohner*innen preiswerte Vignetten bekommen und Nutzungsentgelte v.a. in den stark frequentierten Abendstunden für Gäste erhöht werden können.
> 3. Frage:
> Welche Möglichkeiten sehen Sie für die Betroffenen in Entscheidungen zur Ausrichtung der touristischen Vermarktung einzelner Stadtviertel mit eingebunden zu werden?
Die Betroffenen wollen mitreden. Das wollen wir aktiv unterstützen. Ein Beispiel ist hier der Aktionsplan Warschauer Brücke des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg, der versucht einen Interessensausgleich zwischen Bewohner*innen und Gästen zu vermitteln. Es wurde ein Moderationsverfahren unter Beteiligung von Anwohner*innen, Gewerbe- und Clubbetreiber*innen gestartet, um gemeinsam Lösungen für die bestehenden Konflikte zu finden. Auch wenn die Möglichkeiten des Bezirks teils sehr eingeschränkt sind, wurden hier Verbesserungsvorschläge zum Teil schon umgesetzt: ausreichend Mülleimer, bessere Beleuchtung, häufigere Straßenreinigung. Auch weitere öffentliche Toiletten werden noch hinzukommen. Die Beteiligung der Betroffenen zeigt hier spürbare Wirkung und steigert die Zufriedenheit und sorgt dafür, dass Probleme gezielt zügig angegangen werden.
> 4. Frage:
> Wie können Projekte u. Maßnahmen der Bezirke zur Lösung von Nutzungskonflikten u. zur Beseitigung der Schäden durch Einnahmen aus der City Tax gefördert werden?
Es ist gut, dass der Senat den grünen Vorschlag zur Einführung einer City-Tax umgesetzt hat. Wir Grüne fordern, dass ein Teil der Einnahmen zurück in die besonders vom Tourismus betroffenen Kieze fließt. Dort sollten sie für Maßnahmen im Sinne der Anwohner*innen und der öffentlichen Infrastruktur verwendet werden. Dabei geht es u.a. um kostenlose öffentliche Toiletten, zusätzliche Mülleimer und Flaschenbehälter, häufigere Straßenreinigungen und die Bewirtschaftung von Parks und Grünflächen.
Freundliche Grüße
Marianne Burkert-Eulitz