Frage an Maria Flachsbarth von Behning H. bezüglich Umwelt
Sehr geehrte Frau Dr. Flachsbarth,
heute wurde mit den Stimmen der Union und der SPD das Atomgesetz mal wieder so geändert, dass die Sanierungskosten für die ASSE II auf den Bund bzw. auf den Steuerzahler übertragen werden. Wieso kommen für diese Kosten nicht die Verursacher des Problems, also z. B. die Energiekonzerne auf? Immerhin wurden doch zu diesem Zweck die Steuerfreien Rückstellungen gebildet. Ich bitte Sie mir zu erklären, wenn die Rückstellungen nicht für die folgen der Energieerzeugung durch Kernreaktoren genutzt werden also der Ordnungsgemäßen und unbedenklichen Entsorgung von Atommüll wofür sie (die Rückstellungen) dann genutzt werden.
Des weiteren würde ich gern wissen wer überwacht die Ordnungsgemäßen Einsatz der Rückstellungen ? Könnte es nicht durchaus möglich sein das die Rückstellung durch irgendwelche Transaktionen wie bei Lehman Brothers verzockt werden?
mit freundlichen Grüßen
Helmut Behning
Sehr geehrter Herr Behning,
vielen Dank für Ihre Frage zur Schachtanlage Asse II. Der Deutsche Bundestag hat am 30. Januar 2009 Änderungen zum Atomgesetz (AtG) beschlossen. Mit dem Gesetz haben wir u.a. eine Regelung geschaffen, die die Anwendung der atomrechtlichen Vorschriften für Anlagen des Bundes zur Endlagerung radioaktiver Abfälle – also die Schachtanlage Asse - und den Übergang der Betreiberfunktion vom Helmholtz-Zentrum München auf das Bundesamt für Strahlenschutz festlegt.
Die Schachtanlage Asse wurde seit 1965 als Forschungsbergwerk des Bundes betrieben. Zwischen den Jahren 1967 und 1978 wurde hier die Einlagerung radioaktiver Abfälle großtechnisch erprobt. Dabei wurden insgesamt 125.787 sogenannte „Gebinde“ schwach- und mittelradioaktiver Abfälle eingelagert – in einem Bergwerk, das nach heutigen Maßstäben nie zur Einlagerung dieser Abfälle hätte genutzt werden dürfen.
Ich bin wie Sie der Auffassung, dass sich Abfallverursacher bei der Frage der atomaren Endlagerung nicht einer Verantwortung entziehen dürfen. Deshalb gilt die Endlagervorausleistungsverordnung (EnlagerVlV) uneingeschränkt. Diese regelt, dass Abfallverursacher für finanzielle Folgen der Abfallverursachung gerade stehen müssen.
Bezogen auf die Asse möchte ich allerdings folgende Punkte zu bedenken geben: Der größte Teil des radioaktiven Inventars in der Asse stammt nach Angaben der Bundesregierung von der öffentlichen Hand. Dies betrifft 90 Prozent der Radioaktivität und 50 Prozent des Volumens der in der Asse gelagerten Stoffe. Gemäß dem Auftrag des Bundes hat die damalige Gesellschaft für Kernforschung (GFK) Grundlagenforschung und Entwicklung für fortgeschrittene Reaktoren sowie für Anlagen des Kernbrennstoffkreislaufes (u.a. Wiederaufbereitung) durchgeführt. Die Abfallgebinde, die an die Asse geliefert wurden, stammen überwiegend aus der Wiederaufbereitungsanlage Karlsruhe (WAK). Weniger als ein Prozent der vom Forschungszentrum Karlsruhe (FZK) abgegebenen Gebinde stammen aus Abfällen der an die HDB angeschlossenen Landessammelstellen, wo Abfälle aus Medizin, allgemeiner Forschung und Industrie gesammelt werden.
Außerdem sind die privaten Einlagerungen in der Asse bereits von den privaten Akteuren bezahlt worden. Die Annahme der Abfälle im Kernforschungszentrum Karlsruhe geschah auf der Basis von privatrechtlichen Verträgen zwischen GfK bzw. dem Kernforschungszentrum Karlsruhe (KfK, heutiges Forschungszentrum Karlsruhe) und der GSF. Nach dem Vertrag ging das Eigentum an den radioaktiven Abfallgebinden nach der Anlieferung auf die GSF als Betreiber der Schachtanlage Asse II über. Von 1965 bis 1975 wurden keine Gebühren erhoben; weder von öffentlichen noch von privaten Anlieferern. Von 1975 bis zum Ende der Einlagerungen 1978 wurden dann von allen anliefernden Betrieben Gebühren erhoben. Damit ist der Abfallverursacher entsprechend der gesetzlichen Regelungen seiner Entsorgungspflicht nachgekommen; eine rechtliche Handhabe für darüber hinaus gehende Forderungen – so berechtigt sie aus der heute tatsächlich in den Asse angefundenen Probleme sie auch erscheinen mögen – bestehen nicht.
Diese Auffassung hat auch das Bundesumweltministerium im Rahmen der Beratungen zur Atomgesetznovelle wiederholt vertreten; Minister Gabriel selbst hat das in einem Interview im ZDF-Morgenmagazin am 27.01.2009 - drei Tage vor dem Beschluss des Bundestags - ausdrücklich unterstrichen.
Allerdings ist schon verwunderlich, dass derselbe Minister nur etwa eine Woche nach der Verabschiedung des Gesetzes durch den Bundestag, seine Auffassung ändert und sich seitdem dafür ausspricht, dass die Betreiber von Kernkraftwerken sich doch an der Sanierung der Asse finanziell beteiligen sollen. Jetzt sind es angeblich keine rechtlichen Notwendigkeiten mehr, sondern politische Beweggründe, die im Vordergrund stehen. Meiner Meinung nach könnte man das als Irreführung des Parlaments ansehen, wenn ein Minister eine Woche nachdem der Deutsche Bundestag einen von ihm vorbereiteten Gesetzentwurf verabschiedet hat, politische Forderungen aufstellen, die er ohne weiteres auch in diesen Gesetzentwurf hätte einbringen können.
Sehr geehrter Herr Behning, der optimale Schutz von Anwohnern und Umwelt sowie eine zeitnahe und sichere Schließung der Asse sind das vordringliche Anliegen der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen. Ich denke, dass wir – unbeschadet der Irritationen bezüglich der Finanzierung - mit der beschlossenen Änderung des Atomgesetzes einen Schritt in die richtige Richtung gemacht haben, um diese Problematik sachgerecht zu lösen.
Bezüglich Ihrer weiteren Frage, wer den ordnungsgemäßen Einsatz der Rückstellungen überwacht und ob es nicht möglich sei, das die Rückstellungen durch riskante Finanztransaktionen verlustig gehen, habe das zuständige Bundesumweltministerium am 16. Februar 2009 um Stellungnahme gebeten. Bislang habe ich leider noch keine Antwort erhalten. Sobald mir eine solche vorliegt, werde ich sie Ihnen gern zukommen lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Maria Flachsbarth MdB