Frage an Maria Flachsbarth von Doris S. bezüglich Frauen
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 18.06.08 anerkannt, dass der Versorgungsabschlag für teilzeitbeschäftigte Beamte verfassungswidrig ist. Wann kann mit einer entsprechenden Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes gerechnet werden?
Sehr geehrte Frau Schaffers,
für Ihr Schreiben vom 26. November 2008 zum Thema Versorgungsabschlag bei Teilzeitbeschäftigten unter Hinweis auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts danke ich Ihnen.
Es ist richtig, dass das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss vom 18. Juni 2008 entschieden hat, dass die Regelung des Versorgungsabschlages für teilzeitbeschäftigte Beamte gemäß § 85 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar und damit nichtig ist, soweit hierdurch § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsätze 2 und 3 BeamtVG in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung bei Teilzeitbeschäftigung zur Anwendung kommt. Dies gilt auch für Zeiten der Teilzeitbeschäftigung vor dem 17. Mai 1990.
Das Bundesverfassungsgericht begründet seine Entscheidung folgendermaßen: Es gesteht dem Gesetzgeber im Bereich der Beamtenbesoldung und –versorgung einen weiten Gestaltungsspielraum zu, so dass er grundsätzlich an den Umstand, dass der Teilzeitbeamte vom Leitbild des in Vollzeit tätigen Beamten abweicht, besoldungsrechtlich anknüpfen kann. Diese Gestaltungs- und Typisierungsbefugnis findet dort ihre Grenzen, wo sie sich geschlechterdiskriminierend auswirkt. Gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG darf niemand wegen seines Geschlechts benachteiligt oder bevorzugt werden. Diese Vorschrift ist eine Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 Absatz 1 GG, in dem sie der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers enge Grenzen setzt. Das gilt auch, wenn eine Regelung nicht auf eine nach Art. 3 Abs. 3 GG verbotene Ungleichbehandlung angelegt ist, sondern in erster Linie andere Ziele verfolgt. Das Gesetz hatte den Zweck, eine Besserstellung von Teilzeitbeschäftigten gegenüber Vollzeitbeschäftigten beim Ruhegehalt zu vermeiden.
Diese Grenze ist vorliegend überschritten, da der Versorgungsabschlag teilzeitbeschäftigte Frauen gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG in unverhältnismäßiger Weise belastet, da von der Teilzeitbeschäftigung in weitaus überwiegendem Maße Frauen Gebrauch machen (Eine Teilzeitbeschäftigung im Beamtenverhältnis wird zu über 75 % von Frauen wahrgenommen). Auch wenn es sich hier nur um eine mittelbare Beeinträchtigung handelt, ändert das am Verfassungsverstoß nichts. Auch im Hinblick auf Art. 6 GG (Schutz von Ehe und Familie) sah das Bundesverfassungsgericht die Regelung als nichtgerechtfertigt an, denn die Zulassung von Teilzeit erfolgte vor allem im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und damit der effektiven Wahlfreiheit in der Entscheidung über Rollenwahl und Rollenverteilung in Ehe, Familie und Beruf. Die finanziellen Nachteile durch den Versorgungsabschlag bei Teilzeitbeschäftigten höhle diesen Schutz wieder aus. Da dieser Beschluss gemäß § 31 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) Gesetzeskraft hat, ist eine Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes nicht erforderlich. Gemäß einem Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen vom 3. September 08 können Teilzeitbeschäftigte, die von der verfassungswidrigen Regelung betroffen sind, einen Antrag auf Neufestsetzung ihrer Versorgungsbezüge bei den Versorgungsdienststellen stellen. Auch bestandskräftige Versorgungsfestsetzungen für die vom 1. August 1984 bis 31. Dezember 1991 eingetretenen Versorgungsfälle sowie für ab dem 01.01.1992 eingetretenen Versorgungsfälle sind auf Antrag mit Wirkung vom 1. Juli 2008 für die Zukunft aufzuheben und für Zeiten der Freistellung vom Dienst (Teilzeitbeschäftigung und Beurlaubung ohne Dienstbezüge) entsprechend dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts neu festzusetzen.
Ich hoffe, Ihre Frage damit hinreichend beantwortet zu haben.
Mit freundlichen Grüßen