Frage an Maria Flachsbarth von Peter H. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Dr. Flachsbarth,
ich habe eine Nachfrage bzgl. der Kultursteuer, die, zumindest in den 60-ziger Jahren, von einigen Bundesländern als Ersatz für die Kirchensteuer (nach Austritt aus der Kirche) erhoben wurde.
Können Sie mir bitte eine Info über den Zeitraum dieser Kultursteuererhebung sowie eine Auflistung der Bundesländer, die diese erhoben haben, zukommen lassen?
Vorab vielen Dank für Ihre Bemühungen!
Mit freundlichen Grüßen,
Peter Höbel
Sehr geehrter Herr Höbel,
haben Sie vielen Dank für Ihr Schreiben vom 15. Juli 2008, in dem Sie sich erkundigen, in welchen Bundesländern in den 60-ger Jahren eine Kultursteuer als Ersatz für die Kirchensteuer nach einem Kirchenaustritt erhoben wurde. Ich habe mich eingehend bei den Kirchen und den Kultusministerien nach der Erhebung einer Kultursteuer erkundigt. Eine solche ist bisher in Deutschland in keinem Bundesland erhoben worden. Ich möchte Ihnen das kurz begründen: Soweit Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt sind, ordnen sie gemäß Art.140 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung (WRV) ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze. Gemäß dieser Vorschriften wird den Kirchen auch das Besteuerungsrecht garantiert. Nach Art. 137 Abs. 6 WRV sind die als Körperschaft organisierten Kirchen/Religionsgesellschaften berechtigt „aufgrund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe landesrechtlicher Bestimmungen Steuern zu erheben.“
Dieses Recht der Kirchen, Steuern zu erheben, schließt die Verpflichtung des Staates ein, die Voraussetzungen für die Steuererhebung durch den Erlass von Landesgesetzen zu schaffen. Diese Koppelung der kirchlichen Einkünfte an die stattliche Steuersystematik und -festsetzung gewährt den Kirchen die Vorteile der Objektivität bzw. Neutralität und der langfristigen Planungssicherheit. Das System der Kirchensteuer ist somit eine gemeinsame Angelegenheit von Staat und Kirche. Der Staat hat den Kirchen allerdings keine Hoheitsgewalt zum Eintreiben von Kirchensteuern verliehen. Dafür sorgen die staatlichen Finanzämter. Diese Steuerpflicht endet mit dem Kirchenaustritt. Bei den Kirchensteuern darf insbesondere nicht übersehen werden, dass sie durch das Moment der Freiwilligkeit des Steuerpflichtigen geprägt werden und davon abhängt, einer Kirche anzugehören oder nicht. Dieses Recht zum freiwilligen Bekenntnis stellt sich somit als Korrektiv der Steuerhoheit des Staates dar. Bei der Frage nach dem Beginn und dem Ende der Mitgliedschaft darf er keinen Zwang ausüben.
Diese Freiwilligkeit ist es denn auch, die nach dem geltenden Steuerrecht eine Kultursteuer nicht zulässt. Mit einer Kultursteuer würde der Staat indirekt denjenigen, der aus der Kirche ausgetreten ist, mit einer Sanktion belegen, bzw. die Freiwilligkeit aushöhlen.
Es ist richtig, dass in den 90-ger Jahren über eine Reform des Kirchensteuerrechts nach italienischem und spanischem Vorbild ausführlich diskutiert wurde. Angeregt wurde diese Diskussion unter Einbeziehung der beiden großen christlichen Kirchen vom Dietrich-Bonhoeffer-Verein. Bisher durchgesetzt hat sich diese Reform aber nicht.
Zu diesem Thema verweise ich auf folgende Literatur: Karl Martin, Detlef Bald, Abschied von der Kirchsteuer, Plädoyer für ein demokratisches Zukunftsmodell, 2002; Petersen, Jens, Die Finanzierung der Kirchen in Europa – insbesondere in Italien und Spanien, KuR 1997,140, S.33 ff; Marre, Heiner, Die Kirchenfinanzen in Kirche und Staat der Gegenwart, 4. Auflage 2006.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit dieser Ausführung helfen konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Maria Flachsbarth, MdB