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Maria Flachsbarth
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Frage von Jörg S. •

Frage an Maria Flachsbarth von Jörg S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Dr. Flachsbarth,

ich möchte von Ihnen wissen, wieso Sie der Vorratsdatenspeichernug zugestimmt haben und warum Sie sich als Gruppe der Abgeordneten von der Vorratsdatenspeicherung ausnehmen, nicht aber die Berufsgruppe z.B. der Ärzte, Journalisten und Rechtsanwälte?
Wenn Sie doch nichts zu verbergen haben, wie es immer so schön heißt?

Mit freundlichen Grüßen
Jörg Stöckel

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Stöckel,

für Ihr Schreiben vom 30. Oktober 2007, in dem Sie ihre Bedenken gegen das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung äußern, danke ich Ihnen.

Im Folgenden möchte ich Ihnen zunächst erläutern, warum ich mich dazu entschieden habe, dem Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung zu zustimmen:

Die Rechtspolitik bewegt sich im Bereich der Telekommunikationsüberwachung in einem Spannungsfeld. Dem Grundrechtsschutz der Bürger - z.B. dessen Grundrecht auf Fernmeldegeheimnis gemäß Art. 10 Abs. 1 GG und dem Grundrecht auf Informationelle Selbstbestimmung Art. 2 Abs. 1 und 2 GG - steht die ebenfalls verfassungsrechtlich gebotene Pflicht des Staates zu einer effektiven Strafverfolgung gegenüber. Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren betont und die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag des staatlichen Gemeinwesens hervorgehoben (BVerfGE 107, 299, 316 m. w. N.), weil ein solches Gemeinwesen anders gar nicht funktionieren kann. Grundrechtsschutz der Bürger und Strafverfolgungsinteresse des Staates müssen deshalb durch Abwägung in einen vernünftigen Ausgleich gebracht werden. Ermittlungsinstrumente sollten deshalb aus rechtspolitischer Sicht – zumindest aus derjenigen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion - nicht weiter beschränkt werden, als dies verfassungsrechtlich geboten ist.

Die sogenannte Vorratsdatenspeicherung ist ein solches Ermittlungsinstrument, das für die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten unabdingbar ist. In der Diskussion hierüber wird vielfach übersehen, dass bereits nach der gegenwärtigen Rechtslage Telekommunikationsunternehmen Verbindungsdaten (Verkehrsdaten) zu Abrechnungszwecken speichern dürfen. Gesprächsinhalte dürfen insoweit nicht gespeichert werden. Über diese Daten haben die Telekommunikationsunternehmen nach den Vorschriften der Strafprozessordnung den Strafverfolgungsbehörden Auskunft zu erteilen, wenn es um die Verfolgung schwerer Straftaten oder von Straftaten, die mittels Telekommunikation begangen wurden, geht (§ 100g und § 100 h StPO). Die Anordnung der Erteilung einer Auskunft ist an strenge rechtsstaatliche Voraussetzungen (u. a. konkreter, durch bestimmte Tatsachen begründeter Verdacht, keine anderweitige Möglichkeit der Aufklärung, Richtervorbehalt) geknüpft. Dieses Instrument der Verbindungsdatenabfrage hat sich in der Vergangenheit als unverzichtbar bei der Bekämpfung und Aufdeckung schwerer Kriminalität erwiesen. Mit der stetigen Zunahme sogenannter „Flatratetarife“, bei denen eine Speicherung von Verbindungsdaten zu Abrechnungszwecken durch die Telekommunikationsunternehmen nicht mehr erforderlich ist, drohte es mehr und mehr seine Wirksamkeit zu verlieren. Die Möglichkeit, alleine durch Nutzung solcher Flatratetarife, Strafverfolgungsmaßnahmen zu erschweren oder zu vereiteln, dürfte insbesondere der organisierten Kriminalität nicht verborgen geblieben sein. Bereits deshalb war es erforderlich - also um den Status quo zu erhalten - eine entsprechende Speicherungsverpflichtung der Telekommunikationsunternehmen, unabhängig davon, ob diese Daten zu Abrechnungszwecken benötigt werden, gesetzlich festzulegen. Die bisherigen Schutzvorkehrungen sind dabei uneingeschränkt beibehalten worden.

Nicht zuletzt diese Erwägungen haben die Bundesregierung bewogen, der Richtlinie Nr. 2006/24/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, zuzustimmen. Die Bundesregierung hat dies mit Unterstützung des Deutschen Bundestages getan. In dem Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD vom 7. Februar 2006 (BT- Drs. 16/545), der mit der Mehrheit der Stimmen des Deutschen Bundestages angenommen wurde, wurde die Bundesregierung aufgefordert, dem Text der Richtlinie bei der abschließenden Befassung des Rates der Europäischen Union zuzustimmen (Nr. II. 1 der Beschlussempfehlung). Auch der Deutsche Bundestag hat in diesem Beschluss ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Zugriff auf Telekommunikationsverkehrsdaten insbesondere bei Straftaten mit komplexen Täterstrukturen, wie sie für den internationalen Terrorismus und die organisierte Kriminalität kennzeichnend sind, und bei mittels Telekommunikation begangenen Straftaten unverzichtbar ist (Nr. I. 5 und 6 der Beschlussempfehlung).

Dem Deutschen Bundestag war dabei bewusst, dass das hierfür gewählte Instrument der Richtlinie möglicherweise nicht ganz frei von kompetenzrechtlichen Risiken ist (I. 13 der Beschlussempfehlung). Er hat sich dennoch dafür ausgesprochen, weil es sich insoweit um einen Kompromiss der EU-Mitgliedstaaten gehandelt hat (das Instrument des Rahmenbeschlusses war innerhalb der EU-Mitgliedstaaten nicht mehrheitsfähig) und es jedenfalls gelungen ist, in der Richtlinie Regelungen mit Augenmaß (z. B. keine Speicherung von Gesprächsinhalten, Beschränkung der Speicherungsfrist auf 6 Monate, Datenabfrage nur bei Verdacht erheblicher oder mittels Telekommunikation begangener Straftaten) zu erreichen. Nur deshalb, weil die Bundesregierung diesen Weg der Richtlinie mitgetragen hat, hatte sie die Möglichkeit, diese Kautelen im Text der Richtlinie zu verankern.

Die Richtlinie wird mit dem Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie Nr. 2006/24/EG (BT-Drs. 16/5846; 16/6979), das am 9. November im Deutschen Bundestag verabschiedet wurde, in nationales Recht umgesetzt. Mit dem Gesetz werden die oben genannten Vorgaben, mit denen sowohl dem Interesse an einer effektiven Strafverfolgung als auch dem Schutz der Grundrechte in ausgewogener Weise Rechnung getragen wird, eingehalten: Von den Telekommunikationsunternehmen dürfen nur die Verkehrsdaten gespeichert werden. Die Speicherungsfrist ist auf sechs Monate begrenzt. Die Anordnung der Erteilung einer Auskunft über diese Daten ist nach wie vor an strenge rechtsstaatliche Voraussetzungen (u. a. konkreter, durch bestimmte Tatsachen begründeter Verdacht einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder einer Straftat, die mittels Telekommunikation begangen wurde; keine anderweitige Möglichkeit der Aufklärung; Richtervorbehalt) geknüpft. Eine anderweitige Verwendung dieser Daten ist nur zu Zwecken der Abwehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit möglich, wenn dies gesetzlich unter Beachtung der Verwendungsbeschränkungen im Telekommunikationsgesetz festgelegt ist. Eine Verwendung beispielsweise zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche ist nicht zulässig.

Die Telekommunikationsunternehmen haben die neu geschaffenen Speicherverpflichtungen faktisch bis spätestens zum 1. Januar 2009 zu erfüllen. Hierfür wird für die Anbieter von Telefondiensten die Bußgeldbewehrung der Speicherungsverpflichtung bis zu diesem Zeitpunkt ausgesetzt, während für die Internetzugangsdienste die Verpflichtung selbst erst zu diesem Zeitpunkt greift.

Die Überzeugung der jederzeit gegebenen rechtsstaatlichen Überprüfbarkeit der Instrumente dieses Gesetzes und der Notwendigkeit, dem Rechtsstaat wirksame Instrumente zur Strafverfolgung geben zu müssen, haben mich – ich hoffe, für Sie nachvollziehbar – bewogen, dem Gesetz zuzustimmen.

Auch auf Ihre zweite Frage möchte ich gern antworten:
Die Speicherung von Daten wird sich nach §§100g in Verbindung mit 113a des Entwurfs des Telekommunikationsüberwachungsgesetzes richten (TKG-E). Gemäß dieser Vorschriften ist eine Ausnahme für Abgeordnete nicht vorgesehen, d.h. dass auch die Daten von Abgeordneten erhoben und gespeichert werden dürfen. Von der Frage nach der Zulässigkeit der Erhebung und Speicherung von Daten ist allerdings die Frage zu unterscheiden, inwieweit diese gespeicherte Daten dann auch verwendet werden dürfen. Die Zulässigkeit der Verwendung richtet sich nach §113 b TKG-E. Inwieweit „Abgeordneten“-Daten verwandt werden dürfen, ist eine Frage der Immunität gemäß Art. 46 des Grundgesetzes. Über die Entscheidung der Immunität entscheidet der Bundestag nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 107 in Verbindung mit Anlage 6 der Geschäftsordnung des Bundestags). In den letzten Legislaturperioden hat sich als gängige Praxis weitgehend durchgesetzt, dass der Bundestag jeweils zu Beginn einer Wahlperiode die generelle Ermächtigung zur Verfolgung von Straftaten gegen alle seine Mitglieder erteilt bzw. den Immunitätsausschuss zu Vorentscheidungen wegen Verkehrsdelikten ermächtigt, die dann grundsätzlich als Entscheidungen des Parlaments gelten. Diese Praxis hat sich deshalb durchgesetzt, weil nach allgemeiner Ansicht die Sonderregelung der Immunität die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Gleichheit und Gewaltenteilung zumindest berührt.

In der Hoffnung, dass ich mit meinen Ausführungen Ihre Bedenken gegen das neue Gesetz zumindest zum Teil mindern konnte,
verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen
Dr. Maria Flachsbarth, MdB