Frage an Maria Flachsbarth von Axel I. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Dr. Flachsbarth,
ich kann nicht verstehen, warum sich Abgeordnete von einer Strafbewährung der Korruption ausschließen, während die Bevölkerung im Falle von Korruption Strafen befürchten muss. Selbst afrikanische Staaten haben sich entsprechend einer UNO-Empfehlung verhalten, warum ist das im Bundestag nicht durchzusetzen? Sehen Sie in der Sonderbehandlung korrupter Abgeordneter gegenüber dem Bürger einen Sinn?
Mit freundlichem Gruß
A. Ihde
Sehr geehrter Herr Ihde,
haben Sie vielen Dank für Ihren Brief in „Abgeordnetenwatch“ vom 26. Juni 07, in dem Sie Ihre Bedenken gegen den Ausschluss einer Strafbewährung von Abgeordneten im Fall von Korruption äußern.
Hierauf möchte ich Ihnen folgendermaßen antworten:
Rechtsgrundlage dafür, dass ein Abgeordneter für eine Straftat ohne Zustimmung des Parlaments nicht zur Verantwortung gezogen werden kann, die sogenannte Immunität, ist in unserer Verfassung selbst, im Art. 46 Abs. 2 des Grundgesetzes, zu finden.
Beabsichtigt ist hier nicht der Schutz eines Abgeordneten vor einer Strafverfolgung, sondern im Vordergrund dieser Sonderregelung steht die Sicherung des Ansehens und der Funktionsfähigkeit unseres Parlaments: Einerseits sollen Abgeordnete nicht an der Wahrnehmung ihrer Aufgabe als Mitglied des Parlaments gehindert werden, andererseits soll das Ansehen des Parlaments durch Abgeordnete, denen ein Strafverfahren droht, nicht gefährdet werden. Es handelt sich hiermit ausschließlich um ein Privileg des Parlaments als Ganzem. Das beinhaltet somit auch, dass die Entscheidung über die Immunität eines Abgeordneten allein vom Parlament abhängt.
Das bedeutet folglich auch, dass – so wie Sie das entsprechend der UNO-Empfehlung fordern - ein Abgeordneter von sich aus nicht auf dieses Recht der Immunität verzichten kann oder vom Parlament die Aufhebung seiner Immunität verlangen könnte. Der Abgeordnete hat nicht einmal ein Anhörungsrecht. Einen Antrag auf Aufhebung der Immunität können nur die Staatsanwaltschaft, die Gerichte, der Immunitätsausschuss oder ein Privatkläger stellen.
Über die Entscheidung der Immunität entscheidet der Bundestag nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 107 in Verbindung mit Anlage 6 der Geschäftsordnung des Bundestags). In den letzten Legislaturperioden hat sich als gängige Praxis weitgehend durchgesetzt, dass der Bundestag jeweils zu Beginn einer Wahlperiode die generelle Ermächtigung zur Verfolgung von Straftaten gegen alle seine Mitglieder erteilt bzw. den Immunitätsausschuss zu Vorentscheidungen wegen Verkehrsdelikten ermächtigt, die dann grundsätzlich als Entscheidungen des Parlaments gelten. Diese Praxis hat sich deshalb durchgesetzt, weil nach allgemeiner Ansicht die Sonderregelung der Immunität die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Gleichheit und Gewaltenteilung zumindest berührt. An dieser generellen Ermächtigung können Sie somit erkennen, dass sich der Bundestag des Problems der Sonderbehandlung von Abgeordneten sehr wohl bewusst ist.
Hinweisen möchte ich noch darauf, dass die Immunität eines Abgeordneten nicht für Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche im Rahmen von Zivilprozessen gilt, selbst dann, wenn damit auch die Feststellung einer Straftat verbunden sein könnte.
Ich hoffe, dass ich mit meinen Ausführungen Ihre Bedenken zumindest teilweise ausräumen konnte und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Dr. Maria Flachsbarth, MdB