Frage an Maria Flachsbarth von Stefanie H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Werte Bundestagsabgeordnete,
Angesicht Ihres Abstimmverhaltens am heutigen 04.12.2015 habe ich Skrupel Ihnen eine höhere Ehrbieten darzulegen.
Als meine Vertretung im Bundestag möchte ich Sie wissen lassen, dass sie nicht in meinem Namen gestimmt haben. Ich bin entsetzt über die Art und Weise des Verfahrens und darüber, dass allen Abgeordneten so wenig Zeit gewährt wurde, um sich ein detailliertes Bild über die Gesamtsituation des Daesh und der beteiligten Länder zu machen, sich über alternative Lösungsmöglichkeiten zu informieren. Anstatt auf die Stimme der Vernunft seitens der Opposition zu hören, wollten sie dieses Kriegsmandat so schnell wie möglich genehmigen. Sie spielen mit Menschenleben, ist Ihnen das überhaupt bewusst? 1200 Soldaten Väter, Brüder, Söhne, Freunde, Partner entsenden sie, durch Ihre Zustimmung in ein hochsensibles Krisengebiet und es ist nicht undenkbar, dass viele von Ihnen nicht mehr zurück kehren. Gleichzeitig sorgen diese Männer dafür, dass in Syrien Mütter um ihre Kinder weinen. Welchen Erfolg konnten die letzten 14 Jahre des Krieges gegen den Terror aufweisen? Warum möchten Sie mitzündeln, in einem Land, das bereits lichterloh am brennen ist. Sind sie bereit, die Konsequenzen zu verantworten?
Ich bin mir sicher, dass ich einige Punkte angesprochen habe, die sie bei Ihrer Zustimmung zum Einsatz in Syrien nicht bedacht haben. Sonst habe ich keinerlei Erklärung für Ihre Zustimmung.
Allerdings gestehe ich mir auch den Fehler zu, dass ich viel zu lange passiv dieser Demokratie zugesehen habe und dass erst ein erneuter Kriegseinsatz dies zu ändern vermocht hat. Aber Fehler lassen sich korrigieren und auch wenn sie diese Email nach dem Lesen löschen oder wie ich optimistisch zu hoffen wage, sogar beantworten, werde ich in Zukunft mehr von meiner Bürgerbeteiligungsmöglichkeit gebrauch machen.
mit heute nicht freundlichen Grüßen
Stefanie Hoffmann
Sehr geehrte Frau Hoffmann,
vielen Dank für Ihre Nachricht über abgeordnetenwatch.de vom 04. Dezember 2015, in der Sie sich kritisch zur Entsendung deutscher Streitkräfte nach Syrien zur Bekämpfung des sogenannten Islamischen Staates ( IS ) äußern. Gerne werde ich im Folgenden hierauf eingehen.
Frankreich hat Deutschland nach den menschenverachtenden Terroranschlägen in Paris um Beistand gebeten. Diesen Beistand wollen wir Frankreich schnellstmöglich leisten. Dies ist auch eine Frage der Solidarität für unsere französischen Freunde und eine Frage der Verlässlichkeit Deutschlands als Bündnispartner. Der „IS“ steht derzeit durch den Verlust von Gebieten und Ölliefereinrichtungen unter Druck. Diese Gelegenheit gilt es zu nutzen.
Ich versichere Ihnen, dass ich sämtliche von Ihnen angesprochenen Punkte bedacht habe und mir die Entscheidung nicht leichtgemacht habe. So haben wir in Sondersitzungen der beteiligten Bundestagsausschüsse, in sorgfältigen Beratungen in zwei Fraktionssitzungen, einer Fraktionsvorstandssitzung, einer Landesgruppensitzung mit dem Kanzleramtsminister, Peter Altmaier, und zwei langen Plenardebatten sorgfältig abgewogen, welche Argumente gegen und für einen Einsatz sprechen. Als Ausdruck meiner Solidarität mit Frankreich und aus der Überzeugung, dass es eben leider nicht ausreicht, den menschenverachtenden Terrorismus des „IS“ ausschließlich politisch und wirtschaftlich finanziell zu bekämpfen, habe ich mich für einen Einsatz der Bundeswehr entschieden.
In Ihrer Email machen Sie den Vorwurf, übereilt entschieden zu haben. Ganz im Gegenteil hierzu frage ich mich, ob wir nicht vielleicht schon zu lange gewartet haben, uns einzumischen. Der „IS“ stellt aufgrund seiner Gewaltideologie, seiner terroristischen Handlungen, seiner anhaltenden schweren, systematischen und ausgedehnten Angriffe auf Zivilpersonen sowie seiner Anwerbung und Ausbildung ausländischer Kämpfer eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit dar. Mehr als vier Millionen Menschen sind vor der Gewalt in Syrien in die Nachbarländer geflohen, doppelt so viele sind im eigenen Land auf der Flucht. Die heftigen Kämpfe in weiten Teilen des Landes haben schon mehr als 200.000 Todesopfer gefordert. Es ist notwendig, den „IS“ militärisch zurückzuweisen.
Darüber hinaus muss der militärische Einsatz durch politische, wirtschaftliche und humanitäre Maßnahmen unterstützt werden. Mit deutschen Mitteln werden nicht nur internationale Organisationen und Nichtregierungsorganisationen unterstützt, sondern gezielt auch die Hauptaufnahmeländer der Flüchtlinge stabilisiert, hier insbesondere Libanon und Jordanien.
So unterstützt zum Beispiel das Bundeministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt (AA) die von dem Konflikt betroffenen Menschen vor allem über Hilfsmaßnahmen in Flüchtlingslagern in den Nachbarländern. So kann die Verbindung zwischen humanitärer Hilfe, für die das AA zuständig ist, und der mittelfristig wirkenden strukturbildenden Übergangshilfe des BMZ sichergestellt werden. Die Übergangshilfe umfasst unter anderem die Integration von Flüchtlingen und intern Vertriebenen, die Ernährungssicherung und den Wiederaufbau von sozialer und wirtschaftlicher Basisinfrastruktur. Die Bundesregierung hat seit 2012 insgesamt rund 854 Millionen Euro zur Bewältigung der Krise zur Verfügung gestellt.
Knapp 530 Millionen Euro über das Auswärtige Amt und 324 Millionen Euro für strukturbildende Maßnahmen über das BMZ. Damit ist Deutschland drittgrößter bilateraler Geber.
Das BMZ unterstützt darüber hinaus die Arbeit von UN-Organisationen vor allem in den Bereichen Bildung/Ausbildung, Kinderschutz sowie Wasserversorgung/Abwasser. So wurden zum Beispiel über das Kinderhilfswerk UNICEF 34 Millionen Euro für das libanesische Programm "Reaching all Children with Education (RACE)" (deutsch: Alle Kinder mit Bildung erreichen) zur Verfügung gestellt. Es ist Teil der internationalen Initiative "No lost Generation" (Keine verlorene Generation). Damit kann der Schulunterricht für 80.000 syrische Kinder im Schuljahr 2014/2015 sichergestellt werden – ein wichtiger Beitrag zum Erhalt ihrer Zukunftsperspektiven.
Daneben werden Aktivitäten von politischen Stiftungen, Kirchen, Sozialstrukturträgern und privaten Trägern beziehungsweise von deren lokalen Partnerorganisationen unterstützt. Diese führen sowohl Maßnahmen in den Nachbarländern Syriens als auch in Syrien selbst durch. Dafür wurden 2014 aus dem Haushaltstitel "Zivilgesellschaftliche Krisenreaktions- und Stabilisierungshilfe" rund sechs Millionen Euro zur Verfügung gestellt. 2015 werden mehr als fünf Millionen Euro für Binnenvertriebene im Irak, irakische Flüchtlinge in Nahost, aber auch syrische Flüchtlinge im Irak bereitgestellt. Damit reagiert das Ministerium auf die Eskalation der Krise im Irak, wo sich die Milizen des Islamischen Staats gewaltsam ausbreiten.
Zum Schluss möchte ich meinen hohen Respekt vor den Soldaten und ihren Familien betonen, die sich dieser gefährlichen Aufgabe zum Schutze unserer Freiheit und Werte zur Verfügung stellen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Maria Flachsbarth